IT-Sicherheit

Piloten sorgen sich um Manipulation von Bordcomputern

Zwei Piloten arbeiten am 05.06.2014 auf dem Flughafen in Hamburg im Cockpit eines Lufthansa-Airbus A380.
Im Cockpit werden die Steuersignale heute über Computer gesendet. Im Umgang mit der modernen Technik dringen die Piloten auf mehr Sicherheit. © dpa / picture-alliance / Daniel Reinhardt
Markus Wahl im Gespräch mit Dieter Kassel |
Können Terroristen die IT-Sicherheit eines Flugzeugs beeinflussen? Der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Markus Wahl, kritisiert in dieser Frage eine Vogel-Strauß-Taktik von Herstellern und Behörden.
Er mache sich als Pilot zunehmend darüber Gedanken, ob sich Terroristen einen Zugriff auf die IT-Sicherheit eines Flugzeugs verschaffen könnten, sagte der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Markus Wahl im Deutschlandradio Kultur. Als eine Schwachstelle nannte er die Aktualisierung der Software, die mit Hilfe von Kabeln erfolge, die von außen zugeführt würden. Es sei theoretisch denkbar, dass dabei manipuliert werde. Dies werden von Verantwortlichen bei den Flugzeugstellern, aber auch von nationalen und internationalen Behörden zu wenig beachtet.

Flugzeughersteller leugnen das Problem

"Von den meisten dieser Parteien gibt es so ein bisschen Vogel-Strauß-Taktik, Kopf in den Sand stecken und einfach so tun, als würde da nichts passieren", sagte Wahl anlässlich des Verkehrspilotentages in Frankfurt am Main. "Speziell die Flugzeughersteller leugnen das Problem." Sie verlagerten die Frage auf interne Gremien. "Nun zeigt aber die Erfahrung aus anderen Branchen, dass das genau der falsche Weg ist." Gerade im Computerbereich sei es gefährlich, so vorzugehen. Der richtige Weg wäre, das Problem anzuerkennen und mit allen beteiligten Experten anzugehen. "Das findet leider viel zu wenig oder gar nicht statt", kritisierte Wahl.

Das Interview im Wortlaut

Dieter Kassel: Bordcomputer kennen die meisten von uns aus Katastrophenfilmen. Da retten sie entweder Leben, weil sie die Maschine weiter steuern, nachdem der Pilot verdorbenen Fisch gegessen hat, oder sie gefährden Leben, weil sie in einem ungünstigen Moment ausfallen. Solche Filme zeigen natürlich nicht die Realität, das mit dem Fisch ist zwar völliger Unsinn, aber dass moderne, vernetzte Elektronik auch Menschen in Gefahr bringen kann auf Flügen, wenn sie zum Beispiel von außen manipuliert wird, das macht auch Profis zunehmend Sorgen. Die IT-Sicherheit an Bord ist deshalb eines der Themen auf dem heute und morgen in Frankfurt stattfindenden Deutschen Verkehrspilotentag, veranstaltet wird der von der Vereinigung Cockpit, und dort ist unter anderem Markus Wahl für dieses Thema zuständig. Schönen guten Morgen, Herr Wahl!
Markus Wahl: Schönen guten Morgen!
Kassel: Sie sind ja auch selbst aktiver Pilot bei einer großen deutschen Fluggesellschaft. Macht Ihnen der Gedanke, dass irgendjemand Ihre Systeme manipuliert haben könnte, inzwischen mehr Sorgen, als dass tatsächlich irgendeine gefährliche Person im Passagierraum sein könnte?
Wahl: Ich glaube, mehr Sorgen als tatsächlich der terroristische Angriff macht mir das Gott sei Dank noch nicht. Auf der anderen Seite ist es schon so, dass ich mir regelmäßig Gedanken darüber mache, weil mein Flugzeug doch sehr computerbasiert ist. Da sind sehr viele Computer eingebaut, sehr viele greifen da auch auf die Steuerung zu. Und wenn ich mir dann vorstelle, dass es vielleicht durchaus möglich ist, von außen darauf zuzugreifen und damit Unsinn zu machen, mache ich mir schon, und ich glaube, sehr berechtigt, Gedanken darüber.
Kassel: Damit haben Sie ja eines schon erklärt: Es gibt ja nicht den Bordcomputer. Es gibt verschiedene Systeme, die miteinander und eben oft auch mit außen vernetzt sind. Beschreiben Sie doch mal ein bisschen, für Laien verständlich, was da alles eine Rolle spielt.
Wahl: Ein einfaches Beispiel ist, glaube ich, wenn man sich alte Flugzeuge anguckt, da wurden die Steuersignale, also das Signal, wenn ich das Steuerhorn tatsächlich bewege, über Drähte, über dicke Kabel, zu den Steuerflächen verbunden, und damit habe ich das Flugzeug dann gesteuert. Heute ist es so, dass in dem Moment, wo ich das Steuerhorn bewege, diese Steuersignale über einen Computer an die Steuerflächen gesendet werden. Das heißt natürlich potenziell auch, dass in dem Moment, wo ein Computer involviert ist, wenn es irgendwem gelingt, da Zugriff auf diesen Computer zu bekommen, er natürlich theoretisch auch die Steuerung des Flugzeugs übernehmen könnte. Und da ist natürlich ein Punkt erreicht, wo ich sage, das geht so nicht.

Im Labor schon nachgewiesen

Kassel: Könnte auch jemand Ihnen zum Beispiel vorspielen, dass Sie ganz woanders lang fliegen, als Sie es tun? Ich meine, man guckt ja nicht aus dem Fenster uns sieht Amerika. Das läuft ja über GPS und ähnliche Systeme. Ist so was zum Beispiel auch manipulierbar?
Wahl: Gerade solche Systeme sollten zwar nicht manipulierbar sein, aber aufgrund der nicht ganz so modernen Infrastruktur der Computer ist das zumindest theoretisch durchaus denkbar. Und es hat ja tatsächlich einen Computerwissenschaftler gegeben, der zumindest im Labor tatsächlich nachgewiesen hat, dass eben genau das möglich ist. Das hat für relativ viel Aufsehen gesorgt. Die Hersteller sagen, nein, das geht alles in Wirklichkeit gar nicht, aber wir wollen es jetzt natürlich nicht darauf ankommen lassen, dass dieser Mensch das auch in Wirklichkeit nachweist.
Kassel: Was mich ein wenig beunruhigt hat bei dem, was ich auf der Seite Ihrer Vereinigung Cockpit nachgelesen habe, ist, dass es offenbar auch Möglichkeiten der Manipulation gibt, die nicht so weit weg sind von dem, was uns zu Hause mit unserem Computer passieren kann. Auch die Software in Flugzeugen muss ja aktualisiert werden, und offenbar gibt es Flugzeugmodelle, wo man da mehr oder weniger von außen ein Kabel anschließt.
Wahl: Genau so ist es. Natürlich sind das Computersysteme, leider auch immer weiter, weil es eben günstiger ist, sogenannte Standardsysteme, also Systeme, die man durchaus mehr oder weniger im Handel erwerben kann, und die brauchen natürlich, wie der Computer zu Hause, ein Update. Dazu gibt es eine Schnittstelle, und das funktioniert tatsächlich so, dass man ein Kabel reinsteckt von außen, und dann gibt es das Update. Und wenn man diesen Zugang natürlich nicht intensiv schützt und da Vorsichtsmaßnahmen und Barrieren einbaut, ist das natürlich eine mögliche Schnittstelle, wie jemand mit terroristischen Gedanken da Zugriff nehmen kann.

Heimlichkeit ist gefährlich

Kassel: Also aus meiner Sicht, Sie können das vielleicht noch ergänzen, gibt es drei Seiten, die sich mit diesen Problemen eigentlich beschäftigen müssten. Es sind einmal natürlich die Flugzeughersteller, es sind die Fluggesellschaften, und es sind die nationalen und internationalen Behörden. Sind die sich alle dieser Probleme bewusst?
Wahl: Da sprechen Sie genau eines der Kernthemen an. Die beteiligten Parteien sind sicherlich richtig. Aber von den meisten dieser Parteien gibt es so ein bisschen eine Vogel-Strauß-Taktik, Kopf in den Sand stecken und einfach so tun, als würde da nichts passieren. Speziell die Flugzeughersteller leugnen das Problem beziehungsweise verlagern das Problem auf irgendwelche interne Gremien. Man will sich hier eigentlich überhaupt nicht nach außen dazu öffnen. Nun zeigt aber die Erfahrung aus anderen Branchen, dass das genau der falsche Weg ist, etwas zu negieren, es ist einfach nicht da, oder etwas irgendwie heimlich vor sich hin zu wurschteln, ist gerade im Computerbereich äußerst gefährlich. Der richtige Weg wäre hier, zu sagen, gut, wir haben ein Problem, und das wollen wir mit allen beteiligten Experten wirklich angehen. Das findet im Moment leider viel zu wenig oder gar nicht statt.
Kassel: Mir geht auch ein bisschen durch den Kopf, Herr Wahl, nun reden wir natürlich über mögliche Terrorangriffe in diesem Zusammenhang, aber es gibt ja auch nun auf dieser Welt ziemlich viele unvernünftige Leute, die lebensgefährlichen Schabernack betreiben. Wir kennen Fälle, wo Piloten bei der Landung oder beim Start mit irgendwelchen Lasern geblendet wurden. Es hat gerade gestern in Heathrow in London einen Zwischenfall gegeben mit einer Drohne, der Gott sei Dank glimpflich ausging. Wenn die Systeme, wie Sie es beschreiben, teilweise so labil sind, dann könnte doch auch der berühmte 14-jährige Hacker aus Bolivien sich theoretisch mal einwählen.
Wahl: Denkbar ist da leider sicherlich sehr, sehr viel. Und wenn man das mit den beiden anderen Beispielen, die Sie nannten, vergleicht, dann ist es durchaus möglich, dass jemand um der Herausforderung willen – das ist ja viel im Hacking-Bereich, da geht es um die Herausforderung, es endlich mal geschafft zu haben. Und wenn ich mir dann anschaue, dass aber da Menschenleben in Gefahr sind, nur weil da jemand Schabernack betreibt, dann ist das noch mal ein Grund für mich zu sagen, da müssen wir ganz schnell mal was dran ändern.

Der Pilot sollte weiter steuern können

Kassel: Mir geht eine Frage noch im Kopf herum, die ich Ihnen noch stelle, obwohl ich fürchte bei dem, was Sie über die Tragflächensteuerung gesagt haben, haben Sie es indirekt schon beantwortet. Man hat ja doch noch immer das Gefühl, ein Pilot ist ein Pilot, der sitzt auch nicht allein im Cockpit, und der muss doch technisch in der Lage sein, so ein Flugzeug völlig ohne Technik zu steuern und zum Landen zu bringen. Können Sie das überhaupt von den Abläufen? Gibt es eine Art Override, mit dem Sie alles ausschalten könnten und quasi so fliegen, wie sich der Laie das vorstellt?
Wahl: Den muss es geben, das ist eine unserer Kernforderungen. Gott sei Dank gibt es das bei den in Anführungsstrichen "alten" Flugzeugen, die auch heute noch sehr weit verbreitet sind, Gott sei Dank ist das weiterhin möglich. Wenn man sich aber jetzt sehr moderne Flugzeuge anguckt, also neu gebaute Flugzeuge, dann geht die Tendenz leider dahin, dass es zumindest denkbar wäre, dass das eben nicht mehr der Fall ist. Und es ist extrem wichtig, dass es eine Möglichkeit gibt, dass der Pilot die, wie wir sagen, letzte Autorität hat, das heißt bei Bedarf alles abschaltet, um dann das Flugzeug von Hand zu steuern. Wir müssen hier unbedingt darauf achten, oder es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass in Zukunft bei allen neuen Flugzeugen diese Möglichkeit auf keinen Fall wegfällt, denn der Pilot ist ja schließlich dafür da, um im Notfall das Ganze zu retten. Und das darf auf keinen Fall abgeschafft werden.
Kassel: Herzlichen Dank! Das war Markus Wahl von der Pilotenvereinigung Cockpit zum Thema IT-Sicherheit an Bord, eines der Themen auf dem Deutschen Verkehrspilotentag heute und morgen in Frankfurt. Herr Wahl, da Sie gerade für uns mit dem Auto rechts rangefahren sind, sage ich erst mal "Gute Fahrt", aber für die Zukunft natürlich auch allzeit "Guten Flug"!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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