"5G-Netze schaffen eine deutlich höhere Abhängigkeit"
Wer 5G haben will, kommt an Huawei nicht vorbei. Oder doch? Und wie abhängig wollen wir von China werden? Es gebe Alternativen, meint der IT-Sicherheitsexperte Norbert Pohlmann − Nokia und Ericsson seien allerdings teurer und weniger innovativ.
Ute Welty: Wer Mobilfunk nach neuestem Standard haben will, der kommt an China eigentlich nicht vorbei: Huawei gilt als Experte für den 5G-Ausbau. Huawei steht aber auch im Verdacht, dass die Technik des Konzerns für Spionagezwecke genutzt werden kann. Wie brisant das Thema ist, zeigt ein hochkarätiges Treffen im Kanzleramt, das eigentlich geheim bleiben sollte und dann doch nicht geheim geblieben ist. Bewerten möchten wir das gemeinsam mit Norbert Pohlmann. Er ist Professor für Informationssicherheit an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen und außerdem tätig in verschiedenen Verbänden und auch in einem Lenkungskreis des Wirtschaftsministeriums. Guten Morgen, Herr Pohlmann!
Norbert Pohlmann: Schönen guten Morgen!
Welty: Wenn Sie und nicht Peter Altmaier Wirtschaftsminister wären, wie würden Sie entscheiden bezüglich 5G und Huawei?
Pohlmann: Ja, es ist, sagen wir mal, keine einfache Entscheidung, weil wir uns klarmachen müssen, dass dieses 5G-Netz natürlich unsere zukünftige Infrastruktur darstellt, und da wird eine Menge drüber passieren. Wir werden also in 10, 20 Jahren autonomes Fahren darüber haben, weil das Netz halt auch schnell genug ist und realzeitorientierte Kommunikation kann. Wir werden alle unsere Daten darüber abgreifen, wir werden unsere elektronischen Assistenten darüber abrufen, die uns was vorlesen, unsere Reisen buchen. Und vielleicht werden auch unsere Studierenden darüber in virtuellen Vorlesungen die Vorlesung anhören und nicht mehr bei uns in den Sälen sitzen. Also es ist eine Entscheidung, die für unsere Zukunft enorm wichtig ist. Und das Besondere daran ist, es ist eine Technologie, die jetzt sehr schnell kommt und alles andere dann auch ablöst.
Eine notwendige Panikmache
Welty: Die FDP warnt eindringlich davor, Huawei an 5G zu beteiligen, das sei so, als ob man Atomsprengköpfe verteilen und die dazugehörigen roten Knöpfe ins Ausland verlegen würde. Was ist da dran, an diesem drastischen Bild?
Pohlmann: Ich finde die Darstellung natürlich deutlich überzogen, aber sie soll wahrscheinlich motivieren, dass wir das Thema ernst nehmen und darüber diskutieren und die Randbedingungen in der Diskussion finden, die notwendig sind, damit wir das dann auch wirklich machen können, damit wir uns von dieser weiteren Technologie abhängig machen können. Also ich finde sie Panikmache, aber halt wichtig, damit wir das jetzt ernsthaft diskutieren.
Welty: Aber warum gibt es denn jetzt ausgerechnet beim Ausbau von 5G und bei Huawei diese große Sicherheitsdiskussion?
Pohlmann: Genau, es gibt ganz viele Gründe. Diese 5G-Netze schaffen noch mal eine deutlich höhere Abhängigkeit, eine technische Abhängigkeit. Diese Technologie wird jetzt sehr schnell eingeführt, hat eine wirklich hohe Bedeutung für unsere Gesellschaft, weil wir darüber unsere Leistungsfähigkeit definieren können. Was so ein bisschen anders ist als vorher, diese Technologie wird wahrscheinlich erst mal nur ein Technologieanbieter umsetzen können. Das hat was damit zu tun, dass die Technologien sich verändert hat.
Und dann gibt es natürlich die Diskussion: Wenn ich so eine Technologie habe, die so enorm wichtig ist für einen Staat, und dann haben wir einen Staat, der das gar nicht richtig einschätzen kann, der kann natürlich vielleicht Dinge tun, die wir nicht haben möchten. Sagen wir mal, für mich ist das Horrorszenario, dass die Chinesen vielleicht in der Lage sind, diese Kommunikationsinfrastruktur auszuschalten aus der Ferne, und das liegt so im Bereich von Cyberwar. Das heißt, wir wären dann nicht mehr in der Lage, unsere täglichen Dinge zu tun, und das ist eine echte Katastrophe.
Huawei ist nicht alternativlos
Welty: Aber wenn Sie sagen, es gibt sowieso nur einen Anbieter, und das ist ja dann Huawei für diese Technologie zurzeit, dann ist das doch eigentlich eine obsolete Diskussion, weil wenn wir 5G wollen, werden wir Huawei einsetzen müssen.
Pohlmann: Na ja, ich hab das etwas anders gemeint. Es gibt auch andere Anbieter, gerade europäische Anbieter wie Nokia und Ericsson, die halt auch in dem Bereich aktiv sind, die jetzt vielleicht nicht so innovativ sind. Ich kann mich erinnern, ich war vor zwei Jahren schon in Asien auf einer Konferenz, und die Asiaten sind da deutlich stärker eingestiegen und sind deutlich weiter in den Innovationen der 5G-Technologie. Die können uns halt innovativere Produkte zur Verfügung stellen – und das deutlich preisgünstiger. Also, wir können uns auch für Nokia und Ericsson entscheiden, würden dann aber das Tempo der Innovationen deutlich reduzieren müssen und müssen dann dafür deutlich mehr Geld ausgeben.
Welty: Ist dieser höhere Preis es wert, sich dann mit den Skandinaviern ins Benehmen zu setzen?
Pohlmann: Genau das ist halt die spannende Frage jetzt.
Welty: Auf die hätte ich ja gerne eine Antwort, Herr Pohlmann.
Pohlmann: Ich meine, Sie kennen ja solche technologischen Abhängigkeiten. Wir sind abhängig von den US-Marktführern, von Microsoft in unseren Office-Paketen, wir sind abhängig von Google in der Suche im Internet oder Google Maps in der Navigation. Wir sind abhängig von Amazon im Einkaufen, aber halt auch in der Cloud. Wir sind abhängig von Apple. Also wir kennen solche Abhängigkeiten von den USA, weil sie halt eindeutig die Marktführer sind, und damit leben wir ja auch. Wir haben jetzt zum allerersten Mal eine große Entscheidung, dass ein asiatisches Land so eine dramatische Abhängigkeit bekommt, und es gibt ja durchaus auch Mittel und Wege, wie wir damit umgehen können. Also wir könnten die Chinesen bitten, dass sie ihre Produkte zertifizieren lassen. Das gibt schon mal einen Hinweis, wenn wir das vernünftig definieren und das halt deutsche Evaluierungsunternehmen umsetzen – das macht typischerweise auch der TÜV –, dann kann man ja reingucken, ob die solche Mechanismen haben. Ein anderer Vorwurf ist, dass sie quasi spionieren könnten, aber das ist eigentlich aus meiner Sicht Stand der Technik, dass wir die Kommunikation verschlüsseln sollten, das heißt, Spionieren ist da gar nicht das große Problem.
Das Innenminister sieht Verschlüsselung nicht gern
Welty: Sollte man eh, die verschlüsseln.
Pohlmann: Genau, sollte man und müsste man dann halt auch, um diesem Problem dann halt nachhaltig entgegenzuwirken. Das hat ein bisschen eine politische Problematik, weil das Innenministerium die Verschlüsselung nicht allzu gerne sieht, weil sie halt über die Klartextinformationen ja kriminelle und terroristische Aktivitäten entdecken würden. Also die fördern das jetzt nicht so wahnsinnig stark, da müsste man sich politisch noch mal anders positionieren. Und dann muss man halt gucken, wie ist das Restrisiko. Man muss ja auch sagen, wenn man jetzt ein bisschen drüber nachdenkt, die Chinesen kaufen ja auch unsere Autos, und auch die könnten wir ja in der Zukunft aus der Ferne ausschalten, und dann könnten die Chinesen nicht mehr Auto fahren oder nicht mehr so stark.
Welty: Da tun sich ja ungeahnte Möglichkeiten auf, Herr Pohlmann.
Pohlmann: Genau, es sind einfach Abhängigkeiten, die eine globale Gesellschaft mit sich bringt und die wir ja auch haben wollen. Wir wollen ja global verkaufen, gerade aus einer deutschen Sichtweise. Also wenn wir unsere Autos und unsere Industrie nicht mehr international vertreiben könnten, weil die anderen Staaten Angst vor uns hätten, dass wir sie ausschalten, dann hätten wir ein Problem. Ich glaube, das ist ein Problem, wo wir mit umgehen müssen, und wir müssen halt gucken, wie können wir das auf einer staatlichen Ebene regulieren und können auf Technologien vertrauen, die halt wichtig für unsere Zukunft sind.
Welty: Trau, schau, wem! IT-Sicherheitsexperte Norbert Pohlmann über 5G in Deutschland, ich danke für Ihre Einschätzung?
Pohlmann: Gerne!
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