Der ewige Kampf gegen den Mafiabesitz
Seit 20 Jahren versucht Italien, mit der Beschlagnahmung des Vermögens der Mafia ihrer Herr zu werden. Der Schaden für die Verbrecherorganisation geht in die zweistelligen Milliardensummen. Doch die investiert längst auf der ganzen Welt. Auch in Deutschland.
So hart wie Italien geht kein Land auf der Welt gegen die Mafia vor. Und das nun schon seit 20 Jahren. Seitdem beschlagnahmt der Staat Mafiabesitz in großem Stil. Damals in den 1990er-Jahren stand Italien unter dem Eindruck von Mafiakriegen und vielen Morden. Und gleichzeitig wurde klar, dass die Macht der verschiedenen Mafia-Organisationen vor allem in ihrem Reichtum liegt. So sagt es Nino di Matteo, der in Palermo schon große Prozesse gegen die Cosa Nostra geführt hat und dessen Leben bedroht ist. Mafia, das ist längst viel mehr als der kleine Schutzgelderpresser an der Ecke:
"Wenn wir das nicht verstehen, können wir weiterhin dutzende, hunderte Mafiosi, Erpresser, Drogenhändler verhaften und doch würden wir die Mafia nie besiegen. Die Mafia ist ein für alle Mal besiegt, wenn wir der Organisation die Möglichkeit nehmen, sich mit der Politik, mit der Unternehmerwelt und mit der Wirtschaft zu verflechten."
Weiße Kragen statt Schirmmütze und Gewehr
Die Mafia hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal gewandelt. Man spricht in Italien inzwischen von einer Weiße-Kragen-Mafia. Es wird in großem Stil investiert. Die Clans, zum Beispiel der ´Ndrangheta aus Kalabrien, ziehen im großen Stil Bauaufträge an Land. In den Unternehmen, die sie betreiben, werden auch die Gelder aus den Drogengeschäften gewaschen. Auch Roberto Placido di Palma, ein bekannter Antimafia-Staatsanwalt aus Reggio Calabria, ist deshalb gegen ein allzu romantisches Bild von der Mafia:
"Die 'Ndrangheta sitzt schon im Moment, in dem die Entscheidung getroffen wird, mit am Tisch. Die 'Ndrangheta mit einem saubereren Kragen, die kultiviertere, der Steuerberater zum Beispiel - das ist kein Killer mit Schirmmütze und dem Jagdgewehr über der Schulter, wie der Mafioso gerne dargestellt wird, sondern eine gebildete Person, die genau weiß, was sie wie machen muss."
Das organisierte Verbrechen da treffen, wo es weh tut. Das ermöglicht das Gesetz über die Beschlagnahmung von Mafia-Besitz seit nun 20 Jahren. Man schätzt, dass seitdem 17.000 Immobilien, Ländereien, Unternehmen beschlagnahmt wurden. Der Schaden für die Mafia geht längst in die zweistelligen Milliardensummen. Und möglich ist seit 1996 auch, den früheren Mafia-Besitz an soziale Projekte zu vergeben. Hunderte saubere Hotels, Bauernhöfe, Kooperativen sind in den letzten Jahren entstanden. Aber oft ist es schwer, die Unternehmen am Laufen zu halten, wenn die Kontrolle des Clanbosses fehlt. Oft können Immobilien nicht gehalten werden oder laufen Gefahr, indirekt wieder den Clans die Hände zu fallen, berichtet Franco Roberti, der oberste Antimafia-Ermittler Italiens:
"Gerade erst haben wir mit sehr viel Mühe das Schloss eines bekannten ehemaligen Mafioso, Pasquale Galasso, in der Provinz Novara der Region Piemont übertragen. Ein wunderschönes Schloss am Ortasee. Keiner wollte das. Viele Jahre wurde das von einer Firma betrieben, die ausgerechnet Galasso kontrolliert hat. Aber es gab niemanden, der das wollte, denn nur für den Erhalt braucht man eine Million im Jahr."
Beschlagnahmung als wichtigste Waffe
Er wünscht sich eine Reform des Gesetzes, die Agentur, die den beschlagnahmten Mafia-Besitz verwaltet, müsste effizienter und stärker werden, Unternehmen der Clans schneller abgewickelt, besser kontrolliert, wer den Besitz zugesprochen bekommt. Aber auch Roberti ist davon überzeugt, dass die Methode richtig ist:
"Die Beschlagnahmung ist eine ganz zentrale Waffe. In Fußballsprache: das ist das Tor, das Ergebnis eines Angriffs. Am Ende zählt die Beschlagnahmung. Der Mafia ihren Reichtum nehmen. Es reicht nicht, die Mitglieder der Organisation zu verhaften, auch wenn man das natürlich auch machen muss. Aber man braucht auch die Beschlagnahmung. Den Angriff auf das Vermögen."
Andere Länder sollten sich daran ein Beispiel nehmen, sagt er. Denn die Clans aus Italien investieren ihr Geld längst auf der ganzen Welt. Auch in Deutschland.
Jan-Christoph Kitzler, aus Rom.