Italien und die Populisten - welche Folgen hat die italienische Regierung für Europa? Darüber diskutieren im "Wortwechsel" im Deutschlandfunk Kultur:
Laura Garavini, Senatorin für die Partito Democratico
Sabina Magnani von Petersdorff, Kunsthistorikerin
Prof. Alexander Grasse, Uni Gießen
Michael Georg Link, MdB FDP
Jan-Christoph Kitzler, ARD-Hörfunkkorrespondent Rom
Welche Folgen hat die italienische Regierung für Europa?
Sorge bei den EU-Partnern: Zwar haben die beiden Regierungsparteien in Rom von einem Euro-Austritt Abstand genommen. Sie wollen aber europäische Vereinbarungen neu verhandeln – immerhin sei Italien einer der Nettozahler der Gemeinschaft, lautet ein Argument.
Vom Austritt aus dem Euro haben sowohl die linkspopulistische "Fünf-Sterne-Bewegung" als auch die rechtspopulistische "Lega" Abstand genommen. Dennoch: Die neuen italienischen Regierungsparteien wollen europäische Vereinbarungen neu verhandeln. Der Spitzenkandidat der "Fünf-Sterne-Bewegung", Luigi di Maio erklärte, Italien sei ein Nettozahler in der EU, eine der größten Volkswirtschaften und stemme große Lasten bei der Flüchtlingsversorgung – also könne man mit jedem Recht europäische Vereinbarungen neu diskutieren.
Doch die EU-Partner machen sich Sorgen. Seit zwei Jahrzehnten wächst die italienische Wirtschaft kaum noch. Riesige, teure Wahlversprechen wurden gemacht. Ein Grundeinkommen, Steuersenkungen, abgesenktes Rentenalter. Die italienische Politik zwischen Problemdruck und Reformunfähigkeit: Bleibt Italien auf europäischem Kurs?
"Das Bild ist in der Tat nicht so schwarz, wie es gezeichnet wird"
Michael Georg Link, MdB, Europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: "Die bisherige italienische Regierung hat sehr viele wichtige und richtige Reformen gemacht. Das Bild ist in der Tat nicht so schwarz, wie es gezeichnet wird. Es wäre ein großer Fehler, wenn wir in nationale Stereotypen zurückfahren würden." Aber: natürlich sei es eine Tragödie, wenn die bisherigen Reformen ausgehebelt würden: "Da werden Versprechen gemacht, reihenweise, die erkennbar nicht zu halten sind. Verlierer dieses Prozesses sind alle: Die Eurogruppe und die Italiener selber. Das wird ein bitteres Erwachen geben."
"Ich glaube nicht, dass die Fünf-Sterne-Bewegung wirklich überleben wird"
Sorgen macht ihm besonders die rechtspopulistische Lega, die immer wieder auch durch rechtsextreme Parolen auffällt: "Wir haben viel über die Fünf-Sterne-Bewegung geredet, aber mehr noch müsste man über die Lega reden. Ich glaube nicht, dass die Fünf-Sterne-Bewegung wirklich überleben wird. Aber ich sehe in der Lega eine große Gefahr, weil die Lega eine Partei ist, die ideologisch sehr genau weiß, was sie will und vor keinerlei Hass-Rede und Nationalismus zurückschreckt. Das gefährliche ist, dass wir leider in der italienischen Politik ein gezieltes Aufbauen von Feindbildern haben. Und zwar von externen Feindbildern: "Die Deutschen", "Brüssel" und so weiter. Das ist in dieser Stärke neu, das ist gefährlich."
"Leider sind die Perspektiven nicht so rosig, weder für Italien noch für Europa"
Laura Garavini, Senatorin der Demokratischen Partei, macht sich ähnliche Sorgen: "Leider sind die Perspektiven nicht so rosig, weder für Italien noch für Europa. Im Wahlkampf sind viele Wahlversprechen gemacht worden, die jetzt auch im Regierungsprogramm stehen. Das sind alles eigentlich unerreichbare Ziele, die ein Grund zur Sorge sind. … Es ist aber zu befürchten, dass das auf die Rechnung späterer Generationen gehen wird."
"Für 2020 ist eine schwarze Null vorgesehen"
Prof. Alexander Grasse, Politikwissenschaftler, Uni Gießen, meint, dass entgegen dem allgemeinen Eindruck schon einiges an Reformen erreicht worden sei: "Die (bisherige) sozialdemokratische Regierung hat durchaus eine Trendwende eingeleitet. Wenn wir uns die Finanzpolitik anschauen: Da ist jetzt erstmals eine leichte Rückführung der Bruttoschuld des Staates eingetreten. Die Neuverschuldung wird zurückgefahren. Für 2020 ist eine schwarze Null vorgesehen. Es hat eine Reihe anderer Reformen gegeben. Auch das widerspricht dem Mythos, Italien sei nicht reformfähig."
"Die Partei von Berlusconi hat Stimmen verloren zugunsten der Lega"
Sabina Magnani von Petersdorff, Kunsthistorikerin, ist Italienerin, lebt in Berlin. Sie ist über die Entwicklung der italienischen Parteienlandschaft besorgt: "Italien ist leider nicht das einzige Land, in dem populistische Parteien Fuß fassen. Was uns Italiener betrifft, so gibt es praktisch keine traditionellen politischen Parteien mehr. Und auch die Partei von Berlusconi hat Stimmen verloren zugunsten der Lega. Was mich sehr besorgt, ist die Rolle der Fünf-Sterne-Bewegung. Sie ist keine Partei, sondern eine Bewegung. Sie ist sehr schwer zu entziffern. Sie ist links und rechts. Sie hat in beiden Lagern Stimmen gewonnen."