Italien vor den Wahlen
Die rechtsextreme Politikerin Giorgia Meloni erfreut sich der Unterstützung von Matteo Salvini und Silvio Berlusconi im gemeinsamen Wahlkampf. Sie könnte am Sonntag Wahlsiegerin werden. © AFP / Andreas Solaro
Gute Aussichten für Rechtspopulistin Giorgia Meloni
11:44 Minuten
Giorgia Meloni von den postfaschistischen "Fratelli d’Italia" hat gute Chancen, nach der Parlamentswahl am Sonntag erste Premierministerin Italiens zu werden. Die Journalistin Tonia Mastrobuoni sorgt sich jedoch wegen derer "rechten Geisteshaltung".
Italien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Giorgia Meloni und ihre Partei "Fratelli d'Italia" könnten gemeinsam mit anderen Rechten die Regierung stellen. In allen Umfragen sei "Fratelli d'Italia" die erste Partei, sagt Tonia Mastrobuoni, Korrespondentin der italienischen Zeitung "La Repubblica" in Deutschland.
Seit einer Woche dürften vor der Wahl keine neuen Umfragen mehr veröffentlich werden, aber jeder bekomme inoffizielle Ergebnisse über Whatsapp von Freunden und Kollegen, erzählt Mastrobuoni. Dort gewinne die Partei sogar noch dazu. Sie erwarte deshalb, dass die "Fratelli d'Italia" bei 25 bis 30 Prozent der Stimmen liegen könne, sagt die Journalistin.
Ambivalenz im Wahlkampf
Meloni habe in ihrer Wahlkampagne versucht, eine gewisse Ambivalenz zu halten, so Mastrobuoni. Allerdings habe sie rechtsextreme Parolen und ein Vokabular benutzt, das beispielsweise in Deutschland inakzeptabel wäre.
"Sie hat von 'ethnischem Austausch' gesprochen." Oder von "internationalen Wucherern", ein Vokabular, das dem von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gleiche, wenn er gegen den US-Milliardär George Soros wettere, so Mastrobuoni. "Das ist ein neuer Antisemitismus." Meloni spreche auch von "Gender-Ideologie" und verwende damit ein Vokabular der extremen Rechte.
Andererseits sage Meloni auch vor der internationalen Presse, dass sie keine neuen Schulden machen wolle. Da versuche sie auch, die Märkte zu beschwichtigen. Aber ihre "rechte Geisteshaltung" mache schon Angst, sagt die Journalistin. Meloni sei von einem postfaschistischen Milieu geprägt, in dem die Politikerin aufgewachsen sei. Einige ideologische Ansätze habe sie nie hinter sich gelassen.
Möglicher Wahlsieg der Rechten
Italiens Kultur geht depolitisiert in die Wahl
23.09.2022
10:57 Minuten
Der Musikproduzent Mathias Modica - mit familiären Wurzeln in Italien - blickt mit Sorge auf die Wahlen in Italien und auf einen möglichen Erfolg der rechten Parteien. Die rechtsnationale Fratelli d’Italia sei so stark, weil viele paralysiert und entpolitisiert worden seien in Italien.
Entpolitisierung der Kultur bereits seit Jahren
Dieser Prozess der Entpolitisierung habe in der Kultur und nach seiner Analyse vor allem auch im Pop und in der Musik in Italien stattgefunden, so Modica: „Eigentlich war Italien das Land, in dem der Pop, in dem die Kultur höchstpolitisch ist. Politische Denker wurden hier Popstars, angefangen bei Pasolini und Eco“, so Modica. „Bis in die 2010er-Jahre gab es einen großen Teil der Jugendlichen, die extrem politisch waren. Man hat in den Bars Politik diskutiert, der italienische Rap war fast 100 Prozent politisch und nicht etwa unterhaltsam wie der deutsche Rap. Es war mehr Politik in der Gesellschaft, das wurde aber strategisch fast komplett eliminiert, fast masterplanmäßig.“
Begonnen habe diese Entpolitisierung mit dem Beginn des politischen Wirkens des in vielen Medien investierten Unternehmers Silvio Berlusconi, der später mehrfach Ministerpräsident des Landes wurde. „Das Wort ‚policizzare‘ ist ein strategisches Wort, das von der Berlusconi-Partei Mitte der 90er lanciert wurde, um all jene zu diskreditieren, die sich zu viele Gedanken über Politik machen und also kritisch denken. Das hat sich so in der Gesellschaft festgesetzt, dass man oft von Leuten, die gar nicht einmal konservativ oder rechts sind, schon negativ abgewertet wird, wenn man politische Themen anspricht.“
Eine schlaue, aber auch perfide Propaganda
Die rechte Propaganda in Italien sei – anders als in Deutschland – schlau, aber auch perfide, so Modica. Die Partei der rechtspopulistischen Kandidatin der Fratelli d’Italia, Georgia Meloni, habe es geschafft, „sich als konservativ zu branden und nicht als radikal“. Und dies übertrage sich auf die Kultur in Italien, so Modica. Protagonisten der verschiedenen Kulturszenen müssten ständig in Sorge sein, dass sie viele ihrer Fans verlieren, wenn sie sich politisch äußern, dass sie dann die Hälfte ihrer Fans und Anhänger verprellen. „Hypnotisiert, demoralisiert und resigniert“ sei ein Großteil der Wählerschaft. Meloni profitiere von dieser Resignation: „Nicht, weil so viele Leute Meloni wählen, sondern weil so viele Leute nicht die Opposition wählen.“
(gem, sru)