Kritischer Sender Radio Radicale in Finanznot
Seit 1976 überträgt Radio Radicale Debatten aus dem italienischen Parlament, sendet Politikerinterviews und eine tägliche Presseschau. Der Sender ist werbefrei und finanziert sich über staatliche Hilfen. Doch die wurden jetzt um die Hälfte eingekürzt.
Das Abgeordnetenhaus des italienischen Parlaments, die zweite Kammer nach dem Senat, beginnt mit ihrer Arbeit. Ausgestrahlt wird die gesamte Vormittagssitzung. Im Rundfunk und auch auf der Website, als Livestream oder später als Aufzeichnung.
Nach der Mittagspause geht es mit der Ausstrahlung aus dem Abgeordnetenhaus weiter. Auch die Sitzungen des Senats, der ersten Kammer, werden von Mikrofonen und Kameras mitverfolgt. Wenn Volksvertreter aufeinander losgehen und der vorsitzende Präsident des Abgeordnetenhauses oder des Senats zur Ruhe ruft: Immer ist Radio Radicale mit von der Partie.
Die Italiener können live oder als Podcast mitverfolgen, in Ton via Radio und in Bild via Website, was in den so genannten "Hohen Häusern" des Parlaments vor sich geht. Radio Radicale ist der einzige Rundfunksender, der jeden Tag immer mit dabei ist. Seit 1976.
Kürzungen der staatlichen Gelder
Jedes Jahr erhält Radio Radicale staatliche Finanzmittel. Wie auch andere kleine private Rundfunk- und Fernsehsender sowie Printmedien, die, wie es offiziell aus dem Finanzministerium heißt, für die Medienvielfalt Italiens unerlässlich sind. Viele Empfänger dieser Finanzspritzen arbeiten non-profit. Wie auch Radio Radicale, für den die öffentlichen Gelder überlebenswichtig sind, da man keine Werbung ausstrahlt.
Doch die staatlichen Hilfen werden jetzt gekürzt, zum ersten Mal seit Gründung von Radio Radicale vor 42 Jahren. Um ganze 50 Prozent, von neun auf viereinhalb Millionen Euro.
"Kürzungen bei den Medien: erledigt" - Mit diesen Worten rühmte sich Luigi di Maio, Arbeitsminister und Chef der 5-Sterne-Bewegung, Ende Dezember. Noch nie zuvor hatte sich ein Regierungspolitiker damit gebrüstet, die Finanzmittel der Medien zu kürzen.
"Freie und unabhängige Medienstimmen sollen mundtot gemacht werden"
Claudio Landi von Radio Radicale: "Es geht hier um minimale Einsparungen für den Staat. Um insgesamt 50 Millionen Euro im Jahr. Und das beweist, dass es der Regierung nicht ums Geld geht, sondern darum, freie und unabhängige Medienstimmen mundtot zu machen. Wohin das führen wird? Im gesamten Sektor zur Schließung einiger dutzend Medien und zu Arbeitslosigkeit, von der zirka zehntausend Familien betroffen sein werden."
Radio Radicale nimmt innerhalb jener Medien, die staatliche Finanzhilfen erhalten, eine Sonderstellung ein. Das Archiv des Senders umfasst etwa 845.000 Aufnahmen von Parlamentssitzungen. Dazu kommen Tausende von Interviews mit Politikern aus über 40 Jahren Republikgeschichte.
Radio Radicale war der erste Rundfunksender Italiens, der eine tägliche Presseschau einführte und qua Interviews nach wichtigen Parlamentssitzungen einen so genannten "direkten Faden" zu Politikern herstellte, die Rede und Antwort stehen.
Eben weil der Sender nicht aus dem demokratischen Leben Italiens wegzudenken ist, wurde er vor einigen Jahren vom Kulturministerium als "wichtig für das republikanische Leben" gewürdigt. Das Audioarchiv wurde zum schützenswerten nationalen Kulturgut deklariert.
Radio Radicale ist zu links
Doch die amtierende populistisch-rechtsradikale Regierung hat den Sender auf dem Kieker. Gehört er doch der Partei der Radikalen. Und die ist nicht nur stramm laizistisch, sondern auch entschieden regierungskritisch, europa- und ausländerfreundlich sowie militant aufklärerisch.
Riccardo Magi, Abgeordneter der Radikalen: "Es stimmt ja, dass Radio Radicale mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurde und erhalten wird. Es muss aber auch gesagt werden, dass unser Sender mit seiner aufklärerischen Arbeit dem italienischen Steuerzahler viel zurückgibt! Ohne unseren Sender fehlt etwas im Spektrum der Meinungsvielfalt."
Riccardo Magi, Abgeordneter der Radikalen: "Es stimmt ja, dass Radio Radicale mit öffentlichen Mitteln geschaffen wurde und erhalten wird. Es muss aber auch gesagt werden, dass unser Sender mit seiner aufklärerischen Arbeit dem italienischen Steuerzahler viel zurückgibt! Ohne unseren Sender fehlt etwas im Spektrum der Meinungsvielfalt."
Proteste gegen die Kürzungen
Nach den Kürzungen für die Non-profit-Medien wird jetzt demonstriert. Nicht nur wie hier in Rom, organisiert vom Journalistenbund, sondern auch in Mailand und Neapel. Auch Intellektuelle und Kulturschaffende wie der Philosoph Massimo Cacciari, die Schriftstellerin Dacia Maraini und der Künstler Mimmo Paladino plädieren in einem offenen Brief an den Staatspräsidenten für die Aufrechterhaltung der bisherigen staatlichen Finanzmittel für Medien wie Radio Radicale.
Auch der in Deutschland bekannte Krimiautor Andrea Camilleri unterstützt Radio Radicale: "Wir müssen zusammenstehen, denn ich befürchte, dass diese politischen Vorstöße gegen bestimmte freie Medien nicht nur andauern, sondern mit der Zeit stärker werden."