Italienischer Fußball

Eine einzige große Baustelle

Cristian Zaccardo und Alessio Cerci kämpfen um den Ball.
Parmas Spieler Cristian Zaccardo beim Duell mit Alessio Cerci vom AC Mailand. Doch der FC Parma ist pleite - die Spieler haben seit Monaten kein Geld bekommen . © picture alliance / dpa / Matteo Bazzi
Jan-Christoph Kitzler |
Skandale, Pleiten, fehlende Zuschauer - mit der Erfolgsgeschichte des italienischen Fußballs scheint Schluss zu sein. Die Strukturprobleme stehen im Widerspruch zur Leidenschaft für diesen nach wie vor beliebtesten Sport des Landes.
Juve im Finale der Champions League. Der Italienische Fußball steht gut da, könnte man meinen – wenn man noch den AC Florenz und den SSC Neapel dazuzählt, die erst im Halbfinale der Europa League ausgeschieden sind.
Aber Fußball-Euphorie macht sich in Italien trotzdem nicht breit. Noch nicht einmal bei Carlo Tavecchio – und der ist immerhin seit einem dreiviertel Jahr Präsident des italienischen Fußballverbandes:
"Das ist ein Kranker, der alle Antibiotika nimmt. Und der auch motorische Übungen macht, um zu wachsen. Wir investieren viel in die Ausbildung, denn das ist das Wichtigste. Und dann brauchen wir eine neue strategische Ausrichtung, was die Stadien angeht, die Verbandszentren, die Jugendförderung. Das hängt alles zusammen."
Die Pleite des FC Parma
Eine einzige große Baustelle ist Italiens Fußball. Und dass die Zeit der Skandale noch lange nicht vorbei ist, hat man erst wieder vor wenigen Wochen gesehen. Da ist der FC Parma Pleite gegangen. Die Spieler haben schon seit Monaten kein Geld bekommen. Ein Investor hat sich bislang nicht gefunden – und nur mit einer Geldspritze vom Verband kann der Traditionsclub die laufende Saison in der ersten Liga überhaupt noch zu Ende bringen. Über 1,7 Milliarden Euro Schulden haben die Clubs der ersten Liga. Dabei verdienen sie zur Zeit 1,2 Milliarden allein mit dem Erlös der Fernsehrechte. Aber auch das ist Teil des Problems.
Wir treffen Paolo Piras an einem der Bahnhöfe von Rom. Der Journalist kommt aus Sardinien, ist Fan von Cagliari. Sein Verein steht zusammen mit Parma schon fest als Absteiger in die Serie B. Gerade ist er auf dem Weg zur Turiner Buchmesse, weil er ein Buch über den Fußball geschrieben hat.
"Das Strukturproblem ist die Gebrechlichkeit eines Fußballs, der als einzige echte Einnahmequelle das Geld aus den Fernsehrechten hat. Der Fußball hat sich kein eigenes Publikum wieder aufgebaut. Im Gegenteil: die Zuschauer werden immer weniger."
Immer weniger Zuschauer
Zumindest für Zuschauer in den Stadien gilt das: In der letzten Saison kamen in zu einem Erstliga-Spiel im Schnitt 23.500 Fans. In Deutschland liegt der Durchschnitt pro Spiel um 20.000 höher. Während es in Deutschland in ist, ins Stadion zu gehen, ist das für viele Tifosi in Italien kein Vergnügen mehr.
Viele Stadien sind in schlechtem Zustand – und auch wegen der Probleme der letzten Jahre mit gewalttätigen Hooligans bleiben die meisten Fans lieber zuhause. Juve – das jetzt Chancen hat, die Champions League zu gewinnen, ist für Paolo Piras eine Ausnahmeerscheinung im italienischen Fußball. Nicht nur, weil der Club das zur Zeit wohl beste Stadion hat.
"Juventus, das das Finale in Berlin spielen wird, also zuhause in Deutschland, beim Weltmeister, der keine Mannschaft im Finale hat, ist ein Club mit Eigenschaften, die andere italienische Mannschaften nicht haben: 3 oder 4 Spieler auf höchstem Niveau, einige alte Champions, die immer noch mit schwierigen Situationen in wichtigen Spielen gut klar kommen. Und einen sehr intelligenten Trainer mit guten taktischen Fähigkeiten, wie es in Italien eine Tradition ist."
Der Untergang einer Erfolgsgeschichte
Doch diese Tradition, diese Erfolgsgeschichte des italienischen Fußballs, droht allmählich unterzugehen, das sagt auch Verbandspräsident Tavecchio. Viele halten ihn für ein Teil des Problems, nicht erst, seit er wegen rassistischer Äußerungen in der Kritik stand. Aber der 71jährige nennt die Probleme beim Namen – und er hat sich vorgenommen, Dinge von oben zu lösen: der Verband investiert in die Ausbildung der Manager, ist dabei, landesweit 20 Ausbildungszentren für den Spielernachwuchs einzurichten. Er hat neue Regeln für Investoren und die Bilanzen erlassen. Aber bis das funktioniert, wird es dauern:
"Es wäre zu einfach, wenn sich wie mit einem Zauberstab alle Probleme lösen. Wir brauchen mindestens 3, 4 Jahre, bevor wir ausgeglichene Bilanzen haben, und vor allem Kontrollen der Bilanzen durch den Verband. Der Verband muss seine Autorität über das System wiederbekommen. Der Verband ist für das Gleichgewicht da, das müssen wir wiederherstellen."
Bis dahin wird es sicher noch den ein oder anderen Skandal geben. Und weitere Fans, die ihrem Verein den Rücken kehren. Aber auch echte Leidenschaft wird es weiter geben, die Italiens Fußball – vielleicht noch den ein oder anderen Erfolg beschert, sagt Paolo Piras:
"Er hat eine prekäre, eiserne Gesundheit. Der italienische Fußball bleibt der beliebteste Sport, der Sport der Menschen trennt und Freude macht und für leidenschaftliche Diskussionen im Taxi oder in der Bar sorgt. Und gleichzeitig hat er große Strukturprobleme."
Mehr zum Thema