Itamar Rabinovich: "Jitzchak Rabin"

Gradlinig, mutig und klug

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Aus Anlass des Todestages des ermordeten Premierministers Jitzchak Rabin gehen Demonstranten in Tel Aviv auf die Straße, um an dessen Einsatz für den Frieden und die damit verbundenen Hoffnungen zu erinnern; Aufnahme vom 3.11. 2007
Am Todestag des ermordeten Premierministers Jitzchak Rabin gehen Demonstranten in Tel Aviv auf die Straße, um an dessen Einsatz für den Frieden und die damit verbundenen Hoffnungen zu erinnern. © imago/ZUMA Press; Wallstein
Von Carsten Hueck |
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Sein politisches Leben begann als Soldat, wegen seines Kampfes für den Frieden wurde er ermordet: Jitzchak Rabin. Eine neue Biografie über ihn porträtiert ihn als integren Staatsmann – und liest sich wie ein Geschichtsbuch.
Es ist bald fünfundzwanzig Jahre her, dass ein junger Fanatiker den israelischen Premierminister Jitzchak Rabin ermordete. Der Täter handelte nicht im Affekt. Er war nicht verwirrt oder asozial. Er tötete wohlkalkuliert und mit politischer Unterstützung eines Teils der israelischen Gesellschaft.
Rabins Tod hatte Folgen – spürbar bis heute. Denn die drei Schüsse, die der Mörder im November 1995, am Ende einer überwältigenden Demonstration für die Friedenspolitik Jitzchak Rabins, auf den damals 73-Jährigen abgab, veränderten tatsächlich die Verhältnisse in Israel und im Nahen Osten.
Sie machten einen tiefen gesellschaftlichen Graben sichtbar, der fragile Friedensprozess zwischen Israel und seinen Nachbarn kam zum Erliegen. Die zarte Hoffnung der Israelis auf ein Leben ohne Angst und Gewalt verwelkte schnell wieder.

Ein Leben lang Soldat

Rabin mag daher manchem mittlerweile wie ein naiver Träumer vorkommen. Die Biographie von Itamar Rabinovich weist jedoch eindrücklich nach, dass er das keineswegs war. Ein Leben lang Soldat. Auch als Politiker stand die Sicherheit seines Landes für ihn immer an erster Stelle. Und deshalb kam er zu der Überzeugung, dass Israel mit seinen Feinden Frieden schließen müsse.
Im amerikanischen Original lautet der Titel der Biographie nüchtern: "Yitzhak Rabin: Soldier, Leader, Statesman". Nüchternheit zeichnet Rabins Leben und auch das Buch aus. Fast schon trocken ist Rabinovichs Stil - doch der Text ist dabei ungemein kenntnisreich, auf Wesentliches und Klarheit konzentriert.
Der Autor, in den 1990er Jahren Rabins Botschafter in Washington und Chefunterhändler bei den Gesprächen mit Syrien, beschreibt den im vorstaatlichen Israel geborenen Sohn russischer Einwanderer in sieben chronologisch geordneten Kapiteln.
Deutlich wird die Konsequenz, mit der Jitzchak Rabin sein Leben als Dienst am Vaterland ausrichtete, seine Geradlinigkeit, sein Mut und seine Klugheit.
Als junger Offizier erlebte er im Unabhängigkeitskrieg 1948, wie die Hälfte seiner Männer ums Leben kam – weil sie unvorbereitet ins Gefecht gingen. Rabin schwor, alles daran zu setzen, dass es nie wieder zu einer solchen Situation kommen würde.
Obwohl er ursprünglich nicht Soldat, sondern Wasserbauingenieur werden wollte, zeichnete er sich schnell als verantwortungsvoller Kommandeur und erstklassiger Stratege aus. Er baute Israels Armee auf und legte den Grundstein für den Sieg im Sechs-Tage-Krieg.

Vom Volk eher respektiert als geliebt

Seine militärische Karriere verlief aber ebenso wenig glatt wie seine politische. Als Botschafter, Minister und Premierminister eckte er immer wieder an, sah sich Widerständen und Intrigen ausgesetzt. Auch vom Volk wurde er eher respektiert als geliebt. Doch "was ihm an Charisma fehlte, kompensierte er durch seine natürliche Autorität, Direktheit und Integrität".
Itamar Rabinovich stellt Rabin als geerdete Ausnahmepersönlichkeit vor. Er zeichnet seine Entwicklung in einzelnen Lebensabschnitten nach, verzichtet auf psychologische Erklärungen, Tratsch oder mythische Verklärung. Diese Biographie ist ein Geschichtsbuch. Sie verdeutlicht, was einen großen Staatsmann auszeichnet, wie Israel funktioniert und wie Politik gemacht wird.

Itamar Rabinovich: Jitzchak Rabin. Als Frieden noch möglich schien. Eine Biographie
Aus dem Englischen von Heide Lutosch
Mit einem Vorwort von Michael Brenner
Wallstein Verlag, Göttingen 2019
302 Seiten, 24,90 Euro

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