J.J. Voskuil: Plankton - Das Büro 3
Roman, aus dem Niederländischen von Gerd Busse
Verbrecher Verlag, Berlin 2015
960 Seiten, 29 Euro
Fortsetzung der "Seifenoper für Intellektuelle"
Zuweilen erinnert der Schriftsteller Johannes Jacobus Voskuil an die großen Absurden der Moderne, an Ionescu, Arrabal oder Tardieu. In Sachen Umfang übertrifft er sie sogar. Mit dem dritten Band "Plankton - Das Büro 3" beweist er dies erneut.
Das absurde Theater ist eine der amüsantesten und ernsthaftesten Gattungen der Literatur. Es ist die geistreiche Parodie banalen Geschwätzes, die Entlarvung halbwissenschaftlicher Wichtigtuerei und die clowneske Offenbarung menschlicher Ohnmacht. Immer auf der Suche nach elementarer Wahrheit. Zuweilen erinnert der Holländer Johannes Jacobus Voskuil an die großen Absurden der Moderne, an Ionescu, Arrabal oder Tardieu, in Sachen Umfang übertrifft er sie sogar. Der insgesamt siebenbändige Schlüsselroman über das skurrile Amsterdamer "Bureau", den der unermüdliche Dortmunder Übersetzer Gerd Busse bis 2017 vorlegen will, zählt rund 5000 Seiten.
Obwohl herzlich wenig passiert, tut sich eine Welt auf, die allen Menschen, die täglich in einer festen Gruppe arbeiten, vertraut sein dürfte. "Die erzwungenen Kontakte, die endlosen Sitzungen, die Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen, die Sinnlosigkeit vieler Projekte", so formuliert der Übersetzer selbst das Sujet dieses riesigen Projekts. Und er kennt sich aus, er hat selber einmal in einem wissenschaftlichen Institut gearbeitet.
Auch Band 3 dieser tragisch-amüsanten "Seifenoper für Intellektuelle", wie der Zyklus genannt wurde, ist in konsequent einfacher Sprache, aber mit durchdachter, ja ausgefeilter Dramaturgie geschrieben. Hier tritt der ehemalige Instituts-Direktor Anton Beerta zum letzten Male auf. Die kleinen Scharmützel zwischen dem opportunistischen Beerta und dem unsicheren, aber trotzigen Maarten Koning (aus dessen Perspektive erzählt wird; er ist Voskuils Alter Ego) betreffen diesmal das niederländisch-flämische Volkskundeorgan Ons Tijdschrift. Beerta will das Unternehmen retten, Maarten will aussteigen. Wir erinnern uns: In den ersten Jahren kam Maarten seine Arbeit absolut sinnlos vor, nun bekommt er Geschmack daran. Deshalb kann er plötzlich auch engagiert Partei ergreifen, was in der ersten Zeit unmöglich gewesen wäre. Aber immerhin sind 15 Jahre vergangen, Maarten fing 1957 an, hier werden die Jahre 1972-75 behandelt. Kein Zweifel, er macht Karriere – was seiner fanatisch antiautoritären Frau Nicolien ein Graus ist.
Am Ende verliert er beide Väter
Höhepunkt dieser neuen persönlichen Entwicklung ist der Kongress in Ungarn, auf dem Voskuil all die üblichen Ränke, Tricks, Empfindlichkeiten und Strategien der ehrgeizgeplagten Teilnehmer gekonnt aufdeckt und schildert. Auf diesem Kongress schafft Maarten es durch sein festes Auftreten, den selbstherrlichen Kommissionsvorsitzenden zum Rücktritt zu zwingen. So kann es im letzten Satz des Romans heißen: "unerwartet durchströmte ihn ein Glücksgefühl". Eine solche Nachricht kommt auch unerwartet für uns Leser, die wir Maarten bislang als komplexbeladenen Mann kannten.
Am Ende verliert Maarten zwei Väter: Der leibliche Vater stirbt, der geistige Vater, Anton Beerta, erleidet einen Schlaganfall. Maarten ist entsetzt und trauert natürlich, andererseits wird hier klar, dass er ohne diese Ereignisse nie so etwas wie Glück hätte empfinden können. Aus dem Schlaganfall ergibt sich auch der seltsame Romantitel. Ausgerechnet Beertas Lebenspartner Karel stellt zum Schluss schnoddrig fest: "Aus Anton ist Plankton geworden!"