J.L. Carr: "Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten"
Aus dem Englischen von Monika Köpfer
Dumont, Köln 2017
191 Seiten, € 20
Eine Dorfmannschaft kickt sich in den Fußballhimmel
In J.L. Carrs versponnener Fußballfantasie arbeitet sich die Amateurmannschaft des Dorfes Sinderby aus Yorkshire hoch bis zum englischen FA-Cupfinale. Was leicht zum Klamauk hätte geraten können, wird hier zum wunderbar ausbalancierten Schelmenstreich.
Seit in England Fußball gespielt wird, ist es jedes Jahr das gleiche: Den englischen FA-Cup gewinnen Manchester, Arsenal, oder Tottenham und ausnahmsweise vielleicht noch Aston Villa. Nur in J.L. Carrs versponnener Fußballfantasie "Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten" ist alles anders.
Den Flecken Sinderby in Yorkshire gibt es tatsächlich. Aber was J.L. Carr dann sonst noch alles diesem Örtchen in der Provinz andichtet, ist völlig frei erfunden. Es schadet nichts. Im Gegenteil!
Die Geschichte der Steeple Sinderby Wanderers, dieser klassischen Underdogs, die in Carrs Fantasie, angetrieben von zwei aus der Bahn geworfenen Ex-Profis, von Runde zu Runde immer größere Gegner aus dem Weg räumen, bevor die Dorfmannschaft schließlich im Finale im Wembley Stadion auf die ganz großen Glasgow Rangers trifft, ist gut. Sie ist gut, weil sie schräg ist, jedoch den Bogen nicht überspannt.
Der Kniff mit den Rangers ist listig. Denn laut Regelwerk hätte der schottische Serienmeister überhaupt nicht im englischen FA-Cup antreten dürfen. Doch mit dieser kleinen Mogelei eröffnet Carr ein zusätzliches Spielfeld, auf dem sich seine Romanhelden genüsslich an der legendären englisch-schottischen Erzfeindschaft abarbeiten können.
Ein glänzender Erzähler
J.L. Carr war ein glänzender Erzähler. Er schrieb lebendig, nicht hyperaktiv. Mit schelmischem Witz und viel Sprachgefühl gelingt es ihm, seine Fantasie so geschickt mit der Realität zu verschachteln, dass er glaubwürdig bleibt. Das erfundene Team der Wanderers besteht zwar aus vielen verkrachten Existenzen, aber es sind eben nicht zu viele merkwürdige Vögel.
All die Spiele, die es nicht gab, dazu dann noch die erfundenen Interviews und Presseberichte: Es ist bunt, aber nicht grell. Die Balance stimmt. Carr war viel zu intelligent, um die gefährliche Grenze zum Klamauk, die bei so einem Spektakel nie allzu weit weg ist, zu überschreiten.
Und bei aller Komik transportiert Carr in seinem David-und-Goliath-Gleichnis auch eine Botschaft: "Glaubt an Euch! Und ihr werdet sehen, dass der Glaube Berge versetzen kann!" Erfreulicherweise trägt er auch dabei nicht zu dick auf.
Medienkritik vor 40 Jahren
Ein weiteres Thema, das der Autor im Roman geschickt unterbringt, ist seine Kritik an den Medien. Auch vor 40 Jahren griffen schon dieselben Mechanismen wie heute. Mit jedem größeren Team, das die Wanderers aus dem Rennen werfen, lässt Carr die Hysterie der Journalisten steigen.
Immer mehr ahnungslose Reporter fallen vor dem großen Finale in Sinderby ein, um dem exzentrisch-schrulligen Vereinsboss Arthur Fangfoss einfältige Fragen zu stellen. Dieser sieht in Journalisten allerdings nichts anderes als extrem lästige Parasiten:
"Menschen, die den Leuten zu kaufen einreden, was sie nicht brauchen, Leute, die ihnen die Welt erklären wollen, und solche, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Fragen zu stellen, deren Antworten sie gar nicht hören wollen."
Von der ersten bis zur letzten Seite ist dieses Buch ein kontrolliert-irres Vergnügen. In England ist "Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten" schon 1975 erschienen. Jetzt ist es endlich – und ganz großartig – von Monika Köpfer ins Deutsche übersetzt worden.