J.M.Coetzee: "Ein Haus in Spanien. Drei Geschichten"

Der Meister der existentiellen Düsternis

Cover: "Ein Haus in Spanien. Drei Geschichten" von J.M.Coetzee, im Hintegrund: ein Ferienhaus auf der spanischen Insel Mallorca
Cover: "Ein Haus in Spanien. Drei Geschichten" von J.M.Coetzee, im Hintegrund: ein Ferienhaus auf der spanischen Insel Mallorca © S. Fischer Verlag / S. Fischer Verlag / Imago / Enters
Von Edelgard Abenstein |
Weltbewegendes passiert in den drei Geschichten "Ein Haus in Spanien", "Nietverloren" und "Er und sein Mann" des renommierten Schriftstellers J.M. Coetzee zwar nicht. Trotzdem ziehen sie den Leser in Bann und berühren die ganz großen Fragen.
Er gehört zu den hochdekorierten Schriftstellern der Gegenwart, der 1940 in Kapstadt geborene Romancier und Essayist J.M. Coetzee. Als erster Autor überhaupt bekam er gleich zweimal den renommierten Booker Prize, 2003 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Berühmt wurde er durch seine Antiapartheidsromane wie "Leben und Zeit des Michael K." (1983) und "Schande" (1999), die zum internationalen Kanon der 100 literarischen Meisterwerke zählen. Seither gilt er als Fachmann für brutalen Realismus genauso wie für formale Experimentierfreude. Vor allem aber irrlichtert seine Prosa zwischen Schwermut und düster-existentiellen Fragen.
Nichts davon ist zunächst spürbar in den drei schon älteren, jetzt erstmals in einem Band auf Deutsch vorliegenden Erzählungen. Im Gegenteil. Ein erstaunlich, fast heiterer Ton herrscht in der Titelgeschichte, wo sich ein nicht mehr ganz junger Mann ein Haus in Spanien kauft. Er ist Schriftsteller, er mag Katalonien und er kann Leute nicht leiden, die sich angeblich in Dinge verlieben.

Erinnerungen an ein besseres Früher

Während er mit Hingabe an seiner neuen Immobilie, einem uralten Kasten, herumwerkelt, Türschlösser repariert und auf Knien das Moos vom Dach kratzt, passiert ihm genau dies, und er fragt sich am Ende, ob seine Sprachnörgelei nach zwei gescheiterten Ehen nicht "dem Neid des Mannes entspringt, der zu alt, zu unbeweglich geworden ist", um noch einmal in Leidenschaft für eine Frau zu entbrennen.
Um das Älterwerden, das Vergehen der Zeit, um Erinnerungen an ein besseres Früher geht es auch in den zwei weiteren Geschichten. "Nietverloren" erzählt mit grimmigem Humor von einem Ort an der Südspitze Afrikas inmitten einer kargen Steppenlandschaft, wo Coetzee als Kind oft seine Ferien verbracht hat. Ein Ort, der auch in seinen autobiografischen Romanen immer wieder eine Rolle spielt.
Nein, direkt Weltbewegendes geschieht nicht in den Geschichten Coetzees. Sein Stil ist kühl, klar, lakonisch, wenn er in das Alltägliche ganz nebenbei die großen Fragen einflicht: Was ist Tod, warum endet die Liebe, ob man will oder nicht, warum brauchen wir die Arbeit und warum die Stille?

Scharfsichtig, unsentimental und gnadenlos präzise

Zur ganz großen Form läuft die dritte Erzählung auf, die Coetzee statt einer konventionellen Nobelpreisrede 2003 in Stockholm vortrug. In "Er und sein Mann" schreibt er seinen frühen Roman über Robinson Crusoe fort, den man aber nicht zu kennen braucht, um sich von den Fantasien dieser Geschichte in Bann ziehen zu lassen: der grausamen Sitte der Wildentenzucht, dem verzweifelten Versuch, der Pest oder dem Fallbeil zu entkommen, hoffnungslos, als wäre er bei Kafka oder Becketts Grotesken in die Schule gegangen. So taucht er dann doch noch auf, J.M. Coetzee, der Meister der existentiellen Düsternis, scharfsichtig, unsentimental und gnadenlos präzise.

J.M.Coetzee: Ein Haus in Spanien. Drei Geschichten
Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
64 Seiten, 12 Euro

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