J.R.R. Tolkien: "Beren und Lúthien"

Tolkiens persönlich gefärbtes Liebesmärchen

Das Buchcover von "Beren und Lúthien" ist links vor einen düsteren Wald montiert.
J. R. R. Tolkien: "Beren und Lúthien", herausgegeben von Christopher Tolkien und mit Illustrationen von Alan Lee . © Klett-Cotta Verlag / dpa/ picture-alliance/ Heinz-Dieter Linke
Von Elena Gorgis |
Tolkiens Sohn und literarischer Nachlassverwalter Christopher Tolkien hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die losen Zettelberge seines Vaters zu veröffentlichen. Die Liebesgeschichte "Beren und Lúthien" ist ein Muss für alle Tolkien-Fans.
J.R.R. Tolkien gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern überhaupt. Allein sein Fantasyepos "Der Herr der Ringe" soll sich mehr als 150 Millionen mal verkauft haben. Dass jetzt eine seiner Geschichten veröffentlicht wird, die es so noch nie als Buch gab, klingt wie eine Sensation. "Beren und Lúthien" ist eine märchenhafte Liebesgeschichte, zuerst aufgeschrieben 1917, als Tolkien, an Körper und Seele verwundet, aus dem Ersten Weltkrieg nach England zu seiner Frau Edith zurückgekehrt war. Sie handelt vom sterblichen Menschen Beren, der sich in die unsterbliche Elbin Lúthien verliebt. Um sie heiraten zu dürfen, muss er ihrem Vater allerdings zunächst einen Edelstein - einen Silmaril - aus der Krone des schrecklichen Morgoth zu bringen.
Tolkien hatte sich bereits als Teenager in seine spätere Frau Edith verliebt. Und bis er sie heiraten konnte, musste auch er einige Hindernisse aus dem Weg räumen: "Beren und Lúthien" ist darum Tolkiens persönlichste Geschichte. Im Laufe der Jahre überarbeitete er sie mehrmals, wie er es mit allen seinen Texten zu tun pflegte. Dabei vernichtete er allerdings niemals eine Version, abgeschlossen oder nicht.

Tolkiens Zettelberge mühevoll sortiert

Sein inzwischen 92-jähriger Sohn, Christopher Tolkien, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die losen Zettelberge seines Vaters zu ordnen und seine Texte posthum zu veröffentlichen (eine Aufgabe, die mindestens genauso schwer ist, wie Morgoth einen Edelstein zu stehlen), hat nun alle existierenden Versionen von "Beren und Lúthien" chronologisch sortiert, sie mit eigenen Kommentaren versehen und zu einem Ganzen zusammengefügt. Eine mühevolle Arbeit, denn diese Geschichte ist, wie alle Erzählungen seines Vaters, in die Chronologie und die Geographie seines Fantasie-Kosmos' eingewebt. Leser, die eine völlig neue Geschichte nach Art von "Der Herr der Ringe" erwartet hatten, werden enttäuscht sein. Denn alle Versionen sind, zumindest auf Englisch, bereits bekannt und veröffentlicht, hier sind sie lediglich in einem Buch zusammengefasst.

Je mehr man weiß, desto genialer erscheint Tolkien

Tolkiens Erzählungen, die dem "Hobbit" und dem "Herrn der Ringe" zeitlich vorangehen, gelten als schwer zugänglich. Christopher Tolkien will mit dem neuen Buch nun einen leichteren Einstieg ermöglichen. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass sich unbefangene Leser, die nicht zumindest die Chronik "Das Silmarillion" und den "Historischen Atlas von Mittelerde" zur Hand haben, bei den vielen Namen und erwähnten Regionen zurechtfinden.
"Der Herr der Ringe” und "Der Hobbit" faszinieren seit Jahrzehnten Tolkien-Erstleser, sie sind tatsächlich der einfachste Einstieg in diese unglaubliche Fantasiewelt. Für Tolkiens gesamte Mythen braucht es eine gewisse Neugier und auch Geduld. Je mehr man aber über den Kosmos weiß, den er bis ins kleinste Detail ausgearbeitet hat, desto genialer erscheint Tolkien. Die Melancholie, die "Der Herr der Ringe" durchzieht, versteht man erst, wenn man um die Länder weiß, die Tolkien im Geiste erschuf und wieder untergehen ließ, um die ungeheure Zeitspanne, die er vor dem inneren Auge vorüberziehen lässt. "Beren und Lúthien" erweitert diese Welt und ist deshalb ein Muss für alle Tolkien-Fans.

J. R. R. Tolkien: "Beren und Lúthien"
Aus dem Englischen übersetzt von Helmut W. Pesch und Hans-Ulrich Möhring
Klett-Cotta, Stuttgart 2017
320 Seiten, 22 EUR

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