Jason Reynolds/Brendan Kiely: Nichts ist okay! Zwei Seiten einer Geschichte
aus dem Englischen von Klaus Fritz und Anja Hansen-Schmidt
dtv Verlag, München 2016
320 Seiten, 14,95 Euro
ab 12 Jahren
Schweigen ist auch Gewalt
In "Nichts ist ok!" von Jason Reynolds und Brendan Kiely geht es anhand der Geschichte zweier Jugendlicher um Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA. Pointiert und spannend machen die Autoren klar, dass der alltägliche Rassismus jeden Tag erkannt und bekämpft werden muss - nicht nur in den USA.
Rashad wollte nur eine Tüte Chips kaufen. Doch plötzlich wird er von einem weißen Polizisten des Ladendiebstahls bezichtigt, vor die Tür gezerrt und brutal verprügelt. Erst im Krankenhaus kommt er wieder zu sich. Quinn, ein weißer Junge, hat die Szene von draußen beobachtet. Er ist schockiert, versucht aber trotzdem, die Sache unter den Teppich zu kehren. Denn der Polizist ist der Bruder seines besten Freundes. Aber der Vorfall wurde gefilmt und löst ein riesiges Medienecho aus.
Zwei Jungen, ein schwarzer und ein weißer, erzählen abwechselnd, was sie erlebt haben: Rashad das schuldlose Opfer, Quinn der schuldloser Zuschauer. Ganz schnell steht fest, es geht hier nicht nur darum geht, ob Rashad geklaut hat oder nicht, ob der Polizist gewalttätig war oder "nur" seinen Job machte. Sondern es geht um den alltäglichen amerikanischen Rassismus und die Frage, wie jeder einzelne sich dazu verhält – was wiederum stark davon abhängt, ob man eine schwarze Hautfarbe hat oder eine weiße.
Jason Reynolds und Brendan Kiely dramatische Geschichte vermeiden es, selbst in ein schwarz-weißes Raster zu fallen. Abgesehen davon, dass der Täter weiß und das Opfer schwarz ist, gibt es keinerlei Klischees. Rashad ist kein Junge aus sozial schwacher Umgebung. Er ist selbst Sohn eines Polizisten, ist künstlerisch begabt und Anwärter auf eine Reserveoffiziersausbildung. Quinns Vater wiederum ist in Afghanistan gefallenen, seine Mutter ist Putzfrau. Beide Jungen bewegen sich also im selben Milieu und Freundeskreis. Den Unterschied macht ihre Hautfarbe.
Die Spannung steigt von Kapitel zu Kapitel
Quinn, der am liebsten mit allen in Harmonie lebt, begreift im Laufe des Geschehens, dass er Stellung beziehen muss, weil er sonst Polizeigewalt unterstützt. Doch er ist sublimem Druck ausgesetzt, den Bruder des Freundes nicht zu verraten. Reynolds und Kiely schildern sehr anschaulich, welche Vorurteile auf beiden Seiten bestehen, welche Rolle der Glaube bei Schwarzen spielt und wie sich Angst ausbreitet – auf beiden Seiten, der des Opfern und der des Täters.
Das Geschehen ist auf eine Woche konzentriert, Rashad und Quinn erzählen abwechselnd. Dadurch entsteht eine Dramatik, die erst am Ende auch in Pathos umschlägt. Die Autoren zoomen ihre beiden Protagonisten nah heran, lassen sie in ihrem eigenen Jugendjargon erzählen. Frisch, pointiert, empört - die Spannung steigt von Kapitel zu Kapitel bis zum versöhnlichen Schluss, der kein Happyend vorgaukelt, sondern klar macht, dass der alltägliche Rassismus – nicht nur in den USA – jeden Tag von jedem von uns erkannt und bekämpft werden muss.