Jacco Pekelder, Joep Schenk, Cornelis van der Bas: "Der Kaiser und das 'Dritte Reich'. Die Hohenzollern zwischen Restauration und Nationalsozialismus"
Aus dem Niederländischen von Gerd Busse
Wallstein Verlag, Göttingen 2021
136 Seiten, 22 Euro
Ein unaufgeregter Blick von außen
06:01 Minuten
Wie nah kamen der letzte deutsche Kaiser und die Hohenzollern-Dynastie den Nationalsozialisten? Das niederländische Museum Huis Doorn legt eine aufschlussreiche Dokumentation zum Thema vor.
Wie nah kamen der letzte deutsche Kaiser und andere Mitglieder der Hohenzollern-Dynastie Adolf Hitler und dem "Dritten Reich"? Das ist keineswegs bloß eine akademische Frage.
Ob die Hohenzollern, namentlich Kronprinz Wilhelm, aber auch andere Familienmitglieder in repräsentativen Funktionen, dem Nationalsozialismus "in erheblichem Maße Vorschub" geleistet haben, entscheidet am Ende darüber, ob die Dynastie mehr als 100 Jahre nach dem Ende der Monarchie Ansprüche auf bewegliche Güter, also Kunstwerke und eventuell Ausgleichszahlungen gegen die Republik geltend machen kann, die sich aus einem Gesetz ergeben, das infolge der Deutschen Einigung 1994 erlassen wurde.
Die Hohenzollern erheben solche Ansprüche, vertreten durch ihr jeweiliges Oberhaupt, zuletzt durch den derzeit amtierenden Chef des Hauses Georg Friedrich Prinz von Preußen, Jahrgang 1976.
Über die Ansprüche sowie über die Verhandlungen und die drohenden Verfahren, aber auch über das von vielen als unglücklich empfundene Agieren der Hohenzollern, vor allem im Umgang mit Historikerinnen und Historikern, ist viel berichtet worden. Das Museum Huis Doorn hat 2020 im Zusammenhang mit einer Ausstellung eine schmale, aber aufschlussreiche Dokumentation zum Thema vorgelegt, die jetzt ins Deutsche übersetzt wurde.
Professionelle wissenschaftliche Einschätzungen
Huis Doorn war die letzte Adresse des Kaisers, sein Exil in den Niederlanden. Es ist ein Ort, an dem der Zeit des Ersten und der des Zweiten Weltkriegs gedacht wird, mit dem Fokus auf die Hohenzollern. Die drei Wissenschaftler, die zu Wort kommen, argumentieren als Niederländer also von außen, in Kenntnis zahlreicher auch weniger bekannter Archivalien gerade aus der in Rede stehenden Epoche, aber gleichzeitig auch von innen.
Bahnbrechend neue Erkenntnisse sind nicht zu erwarten. Aber der illustrierte Band bietet eine erfreulich unaufgeregte, konzentrierte Dokumentation der Lage, verbunden mit professionellen Einschätzungen. Wilhelm II. und seine zweite Frau Hermine, Kronprinz Wilhelm und seine Frau Cecilie, Prinz Louis Ferdinand, schon gar Prinz August Wilhelm ("Preußen muss wieder preußisch werden, und das kann es nur, wenn es nationalsozialistisch wird") – sie alle hatten Verbindungen zur rechten Szene der Weimarer Republik.
Ein hierzulande wenig bekanntes Detail
Der Kaiser sah in der NSDAP einen möglichen Verbündeten auf dem Weg zurück auf den Thron, Kronprinz Wilhelm in der sogenannten "neurechten" Verbindung von Massenbewegung und Monarchie ein Modell für sich. Von seiner Unterstützung für die Nazis – er hatte öffentlich angekündigt, für Hitler zu stimmen – hat Wilhelm sich nie distanziert.
Die Entscheidung über die Ansprüche der Dynastie gegen die Republik steht aus. Interessant mag da ein hierzulande wenig bekanntes Detail sein: der Umstand, dass die Hohenzollern auch versucht haben, Huis Doorn rückübertragen zu bekommen, zuletzt durch Prinz Georg Friedrich. Auch hier seien die Gespräche zunächst "angenehm" verlaufen, jedoch in anwaltliche Forderungen überführt worden, als sich das gewünschte Ergebnis nicht einstellte.
Die Dokumentation aus Huis Doorn ermöglicht es jeder und jedem, sich in der zur Debatte stehenden Frage eine eigene Meinung zu bilden. Das ist viel.