Jack Nicholson wird 80

Das unheimlichste Lächeln von Hollywood

Der amerikanische Schauspieler Jack Nicholson in seiner Glanzrolle als Insasse einer Nervenheilanstalt in dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" aus dem Jahre 1975.
Schauspieler Jack Nicholson in seiner Glanzrolle als Insasse einer Nervenheilanstalt in dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" aus dem Jahre 1975. © dpa / UPI
Arvid Kappas im Gespräch mit Ute Welty |
Sein Lächeln verkörperte den Irrsinn in „Shining”, die verzerrte Fratze des Jokers in „Batman”, das Diabolische der „Hexen von Eastwick”. Der Emotionspsychologe Arvid Kappas erklärt, warum uns Nicholsons "Killer-Smile" fasziniert und warum sich echtes und falsches Lächeln kaum unterscheiden lässt.
Wie kann man lächeln, wenn einem die Nase aufgeschlitzt wurde? Die Familie massakriert? Oder wenn man in einer Nervenheilanstalt eingesperrt ist? Der Schauspiel-Ikone Nicholson ist das als Leinwandheld gelungen, ob in "China Town" oder "Einer flog übers Kuckucksnest". Und meist ist sein Lächeln eines, das einem das sprichwörtliche Blut in den Adern gefrieren lässt. Es zieht an und stößt ab.
Warum Nicholsons Lachen so sehr verstört? - Dies erkläre sich aus der starken Wirkung, die ein Lachen auf den Menschen habe, erklärt Emotionspsychologe Arvid Kappas, der sich seit Langem mit der Systematik des Lächelns beschäftigt. Lächeln habe aufgrund seiner langen evolutionären Geschichte eine große Macht als "freundliche Geste" die menschlichen Gefühle zu beeinflussen, erklärte der Professor an der Jacobs University in Bremen im Deutschlandradio Kultur.

"Nicht alle, die lächeln, freuen sich"

"Lächeln heißt aber eben nicht immer, dass wir uns freuen. Und bei Nicholson ist es natürlich so, dass er oft lächelt, wenn man sich eigentlich nicht freut. Und diese Spannung ist wahrscheinlich besonders interessant für uns", sagte Kappas über das diabolische Lächeln von Hollywood-Star Jack Nicholson, der heute 80 Jahre alt wird.
Der Experte mit dem Forschungsschwerpunkt Emotionen, nonverbale Kommunikation und Psychophysiologie erklärte weiter, dass falsches Lachen von echtem Lachen kaum zu unterscheiden ist.
"Nicht alle, die lächeln, freuen sich. Das wissen wir natürlich", sagte Kappas. Studien aus der Mimikforschung zeigen dennoch, dass selbst Richter, Polizisten oder Psychologen, die davon ausgehen, dass sie besonders gut darin sind, die Gefühle anderer richtig einzuschätzen, sich bei ihrer Einschätzung der Beweggründe für ein Lächeln täuschten und ein zur Schau gestelltes Lächeln nicht von echtem Lächeln unterscheiden konnten.

Lächeln wird eigentlich immer als positiv wahrgenommen

"Ob es sich um ein echtes oder ein unechtes Lächeln handelt", könnten Menschen nur raten, sagte Kappas: Ein Lächeln bedeute eben nicht automatisch, dass wir glücklich sind.
"Es scheint aber so zu sein, dass es sehr schwierig ist für uns, das abzuschalten, dass ein Lächeln etwas mit Freude zu tun hat."
Lächeln sei ein grundlegendes positives Signal in der zwischenmenschlichen Kommunikation:
"Lächeln ist eine freundliche Geste, die zeigt, ich will nichts Böses mit dir. Lass uns etwas zusammen tun." Der freundliche Gesichtsausdruck habe zudem die Fähigkeit, direkte körperliche Reaktionen auszulösen.
Das Ausmaß und die Dauer von Lächeln variiere dabei je nach Kulturkreis. So werde in den USA mehr gelächelt als in Deutschland, aber "wenn wir nach Osteuropa weitergehen, dann lächeln die Leute noch weniger". Ausschlaggebend dafür seien gesellschaftlich verschiedene Normregeln.

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Wie kann man lächeln, wenn einem die Nase aufgeschlitzt wurde, die Familie massakriert, oder wenn man in einer Nervenheilanstalt eingesperrt ist? Jack Nicholson ist all das gelungen, ob in "China Town", "Shining" oder "Einer flog übers Kuckucksnest". Und ja, meist ist es ein Lächeln, das einem das sprichwörtliche Blut in den Adern gefrieren lässt. Es zieht an, und es stößt ab. Dieser Ambivalenz auf den Grund zu gehen, dafür bietet der heutige Tag den perfekten Anlass, denn Jack Nicholson wird heute 80. Und nicht ganz 80 Jahre lang, aber durchaus intensiv, hat sich Arvid Kappas mit der Systematik des Lächelns beschäftigt, Professor für Psychologie an der Jacobs-University in Bremen. Guten Morgen, Herr Kappas!
Arvid Kappas: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Gemeinhin wird das Lächeln ja als etwas Schönes wahrgenommen. Inwieweit passt das von Jack Nicholson dazu, und inwieweit widerspricht der Mann diesem Klischee?
Kappas: Das Lächeln ist schon relativ wichtig für uns, und es hat eine relativ lange Geschichte evolutionär. Deswegen ist es auch so mächtig, sagen wir mal, unsere Gefühle zu beeinflussen. Aber es heißt natürlich nicht immer, dass wir uns freuen. Und bei Nicholson ist es natürlich so, dass er oft lächelt, wenn man sich eigentlich nicht freut, und diese Spannung ist wahrscheinlich besonders interessant für uns.
Welty: Sie haben gerade die Evolution angesprochen. Was für eine Rolle hat das Lächeln im Rahmen der Evolution gespielt?

"Lächeln ist eine freundliche Geste, die zeigt, ich will nichts Böses"

Kappas: Wir gehen davon aus, das Lächeln ist eine freundliche Geste, die zeigt, ich will nichts Böses mit dir, lass uns was zusammen tun, also fast eine Art Unterwerfungsgeste. Das ist natürlich schwierig, das jetzt in zwei, drei Worten zusammenzufassen, aber positiv trifft es eigentlich ganz gut. Für uns ist es meistens ein Zeichen, dass sich jemand freut, aber das muss gar nicht so sein. Nicht alle, die lächeln, freuen sich. Das wissen wir natürlich. Wenn ich in ein Geschäft gehe und jemand lächelt mich an, um mir Jeans zu verkaufen, dann freut sich die Person wahrscheinlich nicht wirklich, mich zu sehen. Das Interessante ist, dass, wenn Psychologen wie ich Studien dazu machen, und wir zeigen Versuchspersonen Fotos von anderen Menschen, die lächeln, sagen die immer, die Person freut sich. Und wenn wir sagen, du weißt aber, dass wir auch lächeln, wenn wir höflich sind oder – ja, das ist schon klar. Und diese Person? Ja, die freut sich. Es scheint so zu sein, dass es sehr schwierig ist für uns, das abzuschalten, dass ein Lächeln was mit Freude zu tun hat. Das ist vielleicht auch der Grund, warum bei allen Fotos wir versuchen zu lächeln, und wenn jemand nicht lächelt auf dem Foto, dann machen wir es lieber noch mal.
Welty: Das heißt aber doch im Umkehrschluss, dass es uns sehr schwer fällt zu beurteilen, aus welchen Beweggründen das Gegenüber lächelt.
Kappas: Das ist richtig. Das hat die Forschung sehr eindeutig gezeigt. Dass man zum Beispiel Lächeln genommen hat, wenn andere Personen sich etwas Nettes, Lustiges angeschaut haben oder etwas Schreckliches, Blutiges, eine Operation zum Beispiel, und man sie trotzdem gebeten hat, zu lächeln. Wenn man das anderen Leuten zeigt, die können praktisch nur raten, ob es sich um ein echtes oder ein unechtes Lächeln handelt. Und interessanterweise hat man das sogar mit Fachleuten gemacht, also mit Richtern, mit Polizisten, Psychiatern, Leuten, von denen man davon ausgeht, dass sie besonders gut darin sind, Gefühle in anderen zu lesen. Auch die mussten passen - glauben aber alle, dass sie das sehr gut unterscheiden können.
Welty: Das heißt, das Lächeln ist auch eine perfekte Maske?
Kappas: Ja. Das Lächeln ist einfach ein wichtiges Element im Zusammenleben. Wie viel wir lächeln, das hängt von der Kultur ab, in der wir aufwachsen. Wenn wir als Deutsche zum Beispiel nach Amerika fliegen, dann fällt uns auf, dass Menschen dort viel mehr lächeln. Und man hört oft, das ist falsch, die sind oberflächlich. Das stimmt gar nicht. Es ist einfach so, dass die eine andere Normregel haben, wie viel man lächelt sozusagen. Und wenn die nach Deutschland kommen, dann finden die uns manchmal kühl, weil das bei uns weniger ist. Aber wenn wir nach Osteuropa weitergehen, dann lächeln die Leute noch weniger, obwohl subjektiv die uns wahrscheinlich alle sehr ähnlich sind.
Welty: Lächeln wir also zu wenig, oder lächeln wir zu viel, oder gerade richtig? Wie beurteilt der Psychologe das?

Leute, die gut lächeln, haben manchmal Vorteile

Kappas: Ich denke, dass Leute, die gut lächeln und viel im richtigen Moment lächeln, manchmal Vorteile haben, Schauspieler, Menschen, die verkaufen, Politiker vielleicht. Aber als Gruppe gibt es keine richtige Zahl, wie viel Lächeln gut oder schlecht ist. Es geht eigentlich darum, dass man gut mitschwimmt mit den Normen, in denen man sich gerade bewegt.
Welty: Stimmt es eigentlich, dass es dem Körper egal ist, aus welchen Gründen jemand lächelt, dass auf jeden Fall Botenstoffe ausgeschüttet werden, dass man sich eben gut dabei fühlt?
Kappas: Das kann sein. Im Moment gibt es eine große Diskussion, welche dieser Studien wirklich verlässlich ist, weil sehr oft diese Studien nur mit wenigen Versuchspersonen gemacht wurden und eigentlich wir einige von denen noch mal wiederholen müssen, um zu sagen, das ist wirklich gesichert. Aber im Moment gehen wir davon aus, Lächeln zu sehen ist etwas Positives und bewirkt auch körperliche Reaktionen. Und oft lächeln wir selbst, wenn uns jemand anlächelt.
Welty: Was möchten Sie noch gern wissen über das Lächeln?
Kappas: Was ich noch gern wissen möchte? Alles!
Welty: Aber Sie wissen doch schon so viel …
Kappas: Nein. Zum Beispiel, als es endlich möglich war, mit Computergrafiken Gesichter herzustellen, die langsam menschlich aussahen, hat mich zum Beispiel interessiert, was sind jetzt genau Parameter, die beeinflussen, wie echt ein Lächeln wirkt? Ich kann also dann den Computer ein Lächeln machen lassen, das 200 Millisekunden, 150 Millisekunden, 100 Millisekunden braucht, um aufzutauchen. Das kann ich einen Schauspieler nicht machen lassen. Und ich kann dann sagen, ja, das hat einen kleinen Einfluss darauf. Und ich würde das gern noch mehr verstehen. Und sehen - können wir einfach die Normen von anderen Kulturen lernen - wie ist das mit den Kindern, wann können die wirklich so lächeln wie wir, und so weiter. Da gibt es viele Fragen. Ich finde das spannend.
Welty: Das Geheimnis des Lächelns. Wir sind ihm ein bisschen auf die Spur gekommen, zusammen mit dem Psychologen Arvid Kappas. Und das haben wir getan, weil der Meister des diabolischen Lächelns, nämlich Jack Nicholson, heute 80 wird. Herr Professor Kappas, haben Sie herzlichen Dank!
Kappas: Vielen Dank, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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