Jack Whitten. Jack’s Jacks
Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart, Berlin
29. März 2019 - 1. Sptember 2019
Meister der abstrakten Malerei
07:08 Minuten
Die Bürgerrechtsbewegung hat das Leben des Malers Jack Whitten geprägt. 1939 in Alabama geboren, hat er als Schwarzer die Rassentrennung unmittelbar erlebt. In Berlin ist ihm jetzt erstmals in Europa eine große Einzelausstellung gewidmet: "Jack’s Jacks".
Aus den Südstaaten kommend, war der Gang nach New York 1960 eine Befreiung für Jack Whitten, der 2018 verstorben ist. Das erzählt Kurator Sven Beckstette:
"Er verlässt bewusst die Südstaaten, nachdem er Erfahrung gemacht hat mit einer Demonstration in Louisiana, die er organisiert hat und auf dieser Demonstration, wo schwarze Demonstranten für mehr Geld für die lokale schwarze Bildungseinrichtung protestieren, schlägt ihm der geballte Hass von weißen Suprematisten entgegen und diese Erfahrung mit Gewalt, mit Hass hat ihn endgültig dazu bewogen, den Süden zu verlassen und nach New York zu gehen."
Nun lernt er eine völlig neue Welt kennen, in der er sich endlich frei entfalten kann:
"Jack Whitten, der eben unter den Gesetzen der Rassentrennung aufgewachsen ist, sitzt zum ersten Mal an der Hochschule mit weißen Studierenden zusammen in einem Klassenraum und hat auch zum ersten Mal weiße Lehrer, Professoren, und allein das war schon eine Art von Befreiung."
Kein Bild gleicht dem anderen
Aus dem jungen Mann wurde ein vielfältiger, produktiver Maler. Jack Whittens Malerei ist abstrakt, sein Grundmaterial Acrylfarbe. Dennoch hat er sich ständig neu erfunden, so Beckstette:
"Es gibt mehrere Werkphasen und man kann sagen, wenn man aus jeder Werkphase ein Bild nebeneinander hängen würde, da würde man nicht glauben, dass es der gleiche Künstler ist. Er hat Malerei als experimentelles künstlerisches Medium verstanden, das er ständig erweitert hat, sowohl auf der Ebene des Materials, der Techniken, aber auch auf der Ebene der Bedeutung. Und das ist es, was Jack Whittens Kunst auszeichnet. Es ist eine ständige Erweiterung der Mittel der malerischen Abstraktion."
Die Malerei war für Whitten ein Medium, in dem die Zeit reflektiert wird. Jazz, Literatur und Philosophie hätten ihn stark geprägt und seien in sein Denken über die Malerei eingeflossen. Besonders wichtig war ihm die Abstraktion, so der Kurator:
"Er ist ein Maler, der sich gegen die Narration wendet, der sich gegen Illustration wendet und dennoch haben die meisten seine Bilder eine Anbindung an Personen oder ein Ereignis."
Liebe zum Experiment
"Sobald er eine technische Errungenschaft, die Erschließung des Materials für sich beendet hat, wollte er sich auf keinen Fall wiederholen", erklärt der Kurator.
Whitten schaffte es, allein mit Acrylfarbe völlig unterschiedliche Bilder zu erstellen. Bei seiner Mosaiktechnik, die er in seinen späteren Schaffensjahren anwendete, denken Besucher oft, es handle sich um Plastik, Glas oder Steine, dabei sei auch das Farbe, die in verschiedenen Schichten aufgetragen, getrocknet und zerschnitten wurde, erklärt Beckstette.
Struktureller Rassismus des Kunstbetriebs
Große Erfolge mit seiner Malerei hat Jack Whitten zu Lebzeiten nicht feiern können. "Das hat mit dem strukturellen Rassismus des Kunstbetriebs zu tun", sagt Sven Beckstette:
"Jack Whitten ist Afroamerikaner und der Kunstbetrieb ist natürlich ein Kunstbetrieb, der vor allem von weißen Männern in dieser Zeit geführt wurde. Und Afroamerikaner und –amerikanerinnen hatten zu diesem Zeitpunkt, vor allem wenn sie abstrakt arbeiteten, fast nur die Möglichkeit in Ausstellungen zu sein, die afroamerikanischer Kunst gewidmet sind. Und Jack Whitten hat für sich irgendwann gesagt, für mich wird es zunehmend schwierig in diesen Ausstellungen dabei zu sein, weil mein Werk dadurch aus einer verengten Perspektive gesehen wird."
(nho)