Iran

Regisseur Jafar Panahi tritt in den Hungerstreik

08:30 Minuten
Jafar Panahi
Dieses Foto von Jafar Panahi wurde während der Dreharbeiten zu seinem Film "No Bears" gemacht, der 2022 beim Filmfestival von Venedig lief. © picture alliance / Associated Press
Anke Leweke im Gespräch mit Julius Stucke · 02.02.2023
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Berlinale-Gewinner Jafar Panahi ist nach sieben Monaten in Haft in den Hungerstreik getreten, um gegen das "außerrechtliche Verhalten des Justizapparates" im Iran zu protestieren. Filmkritikerin Anke Leweke erwartet eine große Welle der Solidarität.
Der iranische Filmregisseur Jafar Panahi ist aus Protest gegen seine Inhaftierung in den Hungerstreik getreten. Wie so viele andere im Iran inhaftierte Menschen habe er keine andere Wahl, als "mit meinem wertvollsten Besitz zu protestieren – mit meinem Leben", erklärte Panahi in einer von seiner Frau veröffentlichten Stellungnahme. Er protestiere gegen "das außerrechtliche und unmenschliche Verhalten des Justiz- und Sicherheitsapparates" in Iran.
Jafar Panahi, dessen Filme auf allen großen Festivals ausgezeichnet wurden, verweigert nach eigenen Angaben seit Mittwoch die Aufnahme von Nahrung, Getränken und Medikamenten. Dies wolle er bis zum Zeitpunkt seiner Freilassung durchhalten, kündigte der 62-Jährige an. "In diesem Zustand werde ich verbleiben, bis möglicherweise mein lebloser Körper aus diesem Gefängnis befreit wird."

Späte Rache oder Machtdemonstration

Der Fall seiner neuerlichen Inhaftierung im Juli 2022 zeige die Willkür des iranischen Machtapparates, sagt die Filmkritikerin Anke Leweke. "Vielleicht ist es eine sehr späte Rache, vielleicht will man gerade aber auch wegen der aktuellen Ereignisse einfach noch mal Macht demonstrieren." Denn die ursprünglich 2011 gegen Panahi verhängte Haftstrafe sei nach Aussage seiner Anwälte eigentlich verjährt.
Jafar Panahi habe sich zwar immer wieder gegen das Regime geäußert, verstehe sich aber nicht als politischer, sondern als sozialer Regisseur, sagt Anke Leweke. In seinen Filmen wolle er jenen Menschen eine Stimme geben, die im Iran im Abseits ständen - so wie in "Taxi Teheran", der bei der Berlinale 2015 den Goldenen Bären gewann.
Jetzt, wo er in den Hungerstreik getreten sei, würden sich sicherlich alle iranischen Filmschaffenden vor Ort für Panahi einsetzen, prophezeit Leweke. Die Situation erinnert an 2010, als Jafar Panahi schon einmal im Gefängnis in den Hungerstreik trat und sich zahlreiche Prominente der internationalen Filmszene, darunter US-Künstler wie Michael Moore, für seine Freilassung einsetzten: "Auch jetzt wird sicher wieder so eine Welle kommen."

Der Iran auf der Berlinale

Auch wenn die Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht bewirken könne, dass Panahi freikomme, sei sie in solchen Fällen sehr wichtig, betont Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek - "damit die Menschen nicht ungehört und ungesehen in einer finsteren Ecke des Gefängnisses weiter darben oder sterben und verschwinden".

Berlinale: Mariette Rissenbeek über den Fall Panahi

02.02.2023
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Podcast: Fazit
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Rissenbeek will nun mit dem Auswärtigen Amt Kontakt aufnehmen und versuchen, über die deutsche Botschaft in Teheran etwas zu bewirken. Der Iran ist auf der kommenden Berlinale ein großes Thema: "Wir haben viele Filme von iranischen Filmschaffenden, die nicht mehr im Iran leben, aber auch einige von Filmschaffenden, die noch dort leben und Schwierigkeiten haben, ein Visum zu bekommen. Die Lage dort bleibt sehr fragil."

Künstler und Sportler im Visier des Regimes

Panahi wurde verhaftet, als er sich im Juli 2022 bei der Teheraner Generalstaatsanwaltschaft nach dem Verbleib zwei anderer Filmemacher erkundigte. Ein Richter entschied, dass er eine vor über zehn Jahren wegen Produktion von "regierungsfeindlicher Propaganda" verhängte Gefängnisstrafe verbüßen muss, die bis dahin nicht vollstreckt worden war.
In Zusammenhang mit den andauernden Protesten gegen das theokratische System im Iran wurden zuletzt zunehmend auch Künstler, Sportler und andere prominente Personen festgenommen, wenn sie sich auf die Seite der Bewegung stellten. Mindestens 527 Menschen wurden inzwischen bei Demonstrationen getötet und mehr als 19.500 verhaftet, sagen Menschenrechtsaktivisten im Iran. Die iranischen Behörden haben bisher keine Angaben dazu gemacht.
(cre/rja/AP)
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