Samantha Harvey: „Das Jahr ohne Schlaf“
Aus dem Englischen von Julia Wolf
Hanser Berlin, Berlin 2022
176 Seiten, 23 Euro
Samantha Harvey: „Das Jahr ohne Schlaf“
„Man fühlt sich so, also würde die ganze Welt schlafen, nur man selber nicht,“ sagt Samantha Harvey über ihre Schlaflosigkeit. © imago images / Guillem López
Schreiben kann wie Träumen sein
12:54 Minuten
Die Schriftstellerin Samantha Harvey kann plötzlich nicht mehr schlafen. In ihrer Not beginnt sie zu schreiben. Harveys neues Buch „Das Jahr ohne Schlaf“ ist ein innerer Monolog, der eine Welt erkundet, in der man sich vor allem allein fühlt.
Die Schriftstellerin Samantha Harvey hat bereits vier Romane veröffentlicht. Allerdings wird die Arbeit der Britin von einer sehr schweren Hypothek belastet: Sie kann oft nicht schlafen.
Um den schweren Gedanken in diesen Schlaflosphasen zu entgehen, begann sie nachts zu schreiben: "Ich konnte damit jetzt etwas Konstruktives machen, indem ich Sätze verfasste und das, was in meinem Kopf passierte, in etwas Zusammenhängendes und Schönes verwandelte", sagt die Autorin über ihr jüngstes Buch "Das Jahr ohne Schlaf".
Freie Schilderungen
In dem Buch beschreibt Harvey, wie sie mit der Schlaflosigkeit umgeht. Dabei hat sie kurze Dialoge, lange Überlegungen und Schilderungen aneinandergereiht, die sie in diesen Phasen verfasst hat.
"Ich habe frei geschrieben", schildert sie die Entstehung der Texte. Zwar denke sie beim literarischen Schreiben von Geschichten und Romanen immer auch an die Struktur und die Dramaturgie des Textes, doch habe sie die nächtlichen Aufzeichnungen nicht als Roman oder Erzählung verfasst, sondern ihre Gedanken einfach in Worte fließen lassen.
"Wenn man nicht schläft, träumt man auch nicht", betont sie. "Und das fehlt einem." Ihr Unterbewusstsein sei beim nächtlichen Schreiben viel aktiver gewesen als normalerweise in wachen Phasen, so Harvey. Für sie sei das Schreiben in den Schlaflosphasen ein Ersatz für das Träumen gewesen: "Ich wusste beim Schreiben am Anfang auch immer nicht, was ich schreiben würde. Es war kein Plan vorhanden."
Der Trost des gemeinsamen Leidens
Beim Nachlesen der Fragmente habe sie dann überrascht, dass die Texte trotzdem unbewusst einer Erzählstruktur gefolgt seien: "Alles, was ich dann verändert habe, war, diese Fragmente in eine Reihenfolge zu sortieren, eine Struktur zu schaffen, die einen Bogen schlägt von Mitternacht bis sieben Uhr morgens."
Das Schlimmste an Schlaflosigkeit sei, dass man ganz allein leide, sagt die Schriftstellerin: "Man fühlt sich so, als schlafe die ganze Welt, nur man selber nicht." Mit dem Buch nun Menschen beim Umgang mit dem Problem zu helfen, erleichtere sie, so Harvey: Wenn andere jetzt wüssten, damit nicht allein zu sein, dann sei ihr das ein Trost.