Jahrgang 1964

Ich plane meine Party

Von Martin Risel |
Mit gut 1,3 Millionen Menschen ist der Jahrgang 1964 der geburtenstärkste Deutschlands. Zu diesem Jahrgang gehört auch Martin Risel, der seinen 50. Geburtstag gerade groß gefeiert hat.
"Neben dem Prachtbau des Theaters des Westens geht’s rein zur Bühne des Quasimodo-Clubs - und da gehen wir jetzt mal hinein …"
In diesen legendären Keller-Klub mitten in der Berliner City-West: Jazz-Größen haben hier gespielt, sogar Prince. Und jetzt haben wir das Quasimodo für unsere Party gemietet. Eine Woche noch - heute treffen wir drinnen schon mal Tontechniker Mickey …
"Mickey?"
"Bin ich, alles klar."
"Ja"
"Yoh."
Ein paar Live-Musiker haben wir gebucht und natürlich DJs … Wo sollen die hin auf der Bühne mit ihrem ganzen Krempel?
"Da hatte ich an diese Tische gedacht. Aber einer wird nicht reichen, da braucht man wahrscheinlich zwei. Weil erstens wird da noch irgendwelche CD- und Plattenkisten … Und weil halt mit CD-Player und Plattenspielern wird’s schon ne ganz schöne Fläche."
Platte statt MP3
Tja, so ist das bei den DJs der alten Schule, die brauchen Platz für ihre Tonträger. Und kommen nicht nur mit einem Laptop mit tausenden von MP3s.
"Was hattest du dir eigentlich vorgestellt musikalisch?"
"Ein bisschen House, denk ich mal. Dance auch aus den 80ern und 90ern. Das ist wohl das, was der Hauptteil des Publikums so hören will."
Klar, mein alter Kumpel Jörg hat mal wieder recht: "Tainted love" von Soft Cell, Falcos Kommisar oder eben die alten Sachen von Prince: Solche Musik passt einfach auch in das Ambiente dieses Keller-Klubs, wo wir die ganze Nacht trinken, quatschen, tanzen wollen.
"Mir ist jetzt aufgefallen: Wenn ich mir die Einrichtung hier so anschaue - das sieht schon sehr nach 70er-, 80er-Jahre aus: Also wirklich ne dunkle Atmosphäre, so alte Scheinwerfer, das kennt man von früher. Und ich fühl mich fast erinnert - ist das vielleicht Zufall: Wie unsere Party-Räume damals?"
Erinnerungen an den Party-Keller
"Ich kann mich noch an einige Party-Keller erinnern: Die waren mit der guten alten Kiefernholz-Vertäfelung ausgeschlagen, mit Xyladecor Innen gestrichen. Aber gut, die Atmosphäre - da geb´ ich Dir recht - das geht so in die Richtung hier."
Okay, und wenn wir nun schon bei Kiefernholz-Decor sind, dann ist die Frage nicht weit: In was für Klamotten sind wir früher eigentlich auf Partys gegangen? Da gab’s zum Beispiel diese fast ausgestorbene Modesünde der 70er, den ärmellosen Pullover.
"Jetzt sag nicht, du hattest keine Pullunder?"
"Lass mich überlegen: Ich glaub, ich hab immer noch einen. Doch, die hatte ich natürlich auch."
"Pullunder waren schon ne kleine Sünde dieser Zeit, ne?"

Martin Risel feiert gemeinsam mit einem Freund den 50. Geburtstag im Quasimodo.
Martin Risel feiert gemeinsam mit einem Freund den 50. Geburtstag im Quasimodo© privat
Keine Party ohne Pullunder?
Und was musste man zum Pullunder tragen, wenn nicht die Hosen der älteren Brüder auftragen? Die Jeans der Zeit: Hell war sie und mit Glöckchen.
"Diese Jinglers von C&A. Genau die, ne? War schwer angesagt in der Generation bei uns, glaube ich, oder?"
"Ja, ich hatte das Gefühl, es gibt gar nichts anderes als nur die Jinglers."
Und die mussten dann wohl in Massen hergestellt werden für die Generation 64. Denn schon eine Schulklasse war eine richtige Masse damals. Und in jeder Reihe saß mindestens eine Sabine, Susanne oder ein Michael.
"So ne Schulklasse war immer so um die 30 Kinder stark, das ging auch über die Jahre so. Später ja auch in den Kursen, die waren ja auch relativ voll."
"Als ich frisch an die Uni kam, zum ersten Mal Hörsäle gesehen hab und dann gedacht hab: Wieso bauen die so kleine Dinger, wenn so viel Leute da sind? War das ähnlich bei dir?"
"Ich bin wahrscheinlich eher davon ausgegangen, das ist immer so …"
Kein Wunder, wenn man‘s als 64er nicht anders erlebt hat als im Massenbetrieb. Aber zurück zur Party:
"Also wenn man jetzt dran denkt, man feiert 50 Jahre - das ist ja schon ein rückwärts gewandter Blick. Und die Überlegung ist natürlich: Wen will man von damals noch dabei haben?"
Alte Freunde, die nicht mehr da sind
"Claudia haben wir dabei aus unserem Abitur-Jahrgang."
"Ja, okay. Und Thomas Diestelhorst ist ja nun leider nicht mehr unter uns."
"Auch das ist natürlich so: Wenn man 50 wird, dass es da schon alte Freunde gibt, die leider nicht mehr da sind, ne?"
"Richtig."
Der gleiche Ort - nur noch eine Stunde bis zur Party. Die Musiker sind da, machen Soundcheck, die ersten Gäste treffen ein.
"Hallooo! Danke für die Einladung!"
"Ja, gerne."
"Toll, echt super."
Ich lauf rum wie Falschgeld, mit 50 müsste man doch cooler sein, oder? Denkt wohl auch meine Tochter Alina, 21, und kommt auf Jörg und mich zu.
"Bist du aufgeregt?"
"Ja natürlich."
"Du auch?"
"Logisch, wär ja auch schlimm, wenn nicht, oder."
Und damit wir nicht selbst nervös die Erinnerungsbilder von unserem großen Fest verwackeln, wird Alina den ganzen Abend lang Fotos machen. Digital natürlich. Denn: Rollfilme kennen ja nur 64er oder noch ältere …
"Soll ich auch filmen?"
"Du kannst von der Musik so’n paar Sequenzen machen, also von den Musikern. Und jetzt am Anfang sind Jörg und ich im Eingangsbereich, begrüßen die Leute und so. Und da kannst du vielleicht gleich so ein bisschen Fotos machen dabei."
"Okay. Aber es dauert noch ein bisschen, oder?"
"Nee, es geht in fünf Minuten los."
Und dann hab ich mein Aufnahmegerät ausgestellt und mich ganz der Party gewidmet in diesen legendären Räumen. Und wir 64er haben bis fünf Uhr morgens getrunken, gequatscht, getanzt. Fast wie früher - nur halt ohne Pullunder.
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