Wenn Schriftsteller 50 werden
1964 ist der geburtenstärkste Jahrgang der Nachkriegsgeschichte. Spektakuläre 1,3 Millionen 50. Geburtstage wird es 2014 geben - so viel wie ein Mal München voller Jubilare.
Kein Wunder, dass auch einige deutsche Schriftsteller unter ihnen sind, die man mit gutem Recht als durchgesetzt bezeichnen kann. Sie erschrieben sich einen Platz in den Bestsellerlisten wie Thomas Brussig. Können bereits mit 50 auf ein reiches Oeuvre verweisen wie Raoul Schrott. Sie dozieren als Professoren für Literarisches Schreiben wie Michael Lentz. Oder sie agieren als (sozial-)kritische Chronisten wie Annett Gröschner.
In der Sendung sprechen die Schriftsteller in ihrem 50. Jahr darüber, mit welchen Gefühlen sie selbst dieses Jubiläum sehen, ziehen Resümee, geben Ausblick. Persönlich wie literarisch. Es wird auch ein beredter Dialog zwischen Ost und West stattfinden. Denn die deutsch-deutschen 64er haben noch eine Besonderheit: Sie verbrachten je die Hälfte ihres bisherigen Lebens im geteilten und die andere im vereinigten Deutschland. So entsteht ein kaleidoskopartiges Porträt einer besonderen Generation und ein exklusiver Querschnitt unterschiedlichster literarischer Ansätze.
Thomas Brussig: "Ich bin da noch ratlos. Ich weiß tatsächlich nicht, wie ich feiern soll. - Manchmal wünsche ich mir - wie schön wäre es doch, wenn ich meinen 50. Geburtstag bei Herzinfarkt im Krankenhaus erleben könnte, und die Genesung groß feiern könnte."
Annett Gröschner: "Also bis jetzt bin ich 49. Und ich könnte mir ja jetzt noch überlegen, ob ich weiterhin 49 sein will. Also meine Mutter war auch zehn Jahre 29."
Raoul Schrott: "Also die Markierung 50 - da ich an keine Zahlensymbolik glaube - die hat relativ wenig Bedeutung. Mehr von Bedeutung ist eine zweite Lebenshälfte, in der man rückwärts zählt, um zu hoffen, dass man wieder bei Null ankommt."
Michael Lentz: "Andererseits: klar! Man fängt dann auch an zu rechnen. In 10 60. In 20 70. Aber ich habe auch Freunde, die 60 und 70 sind. Deswegen glaubt man immer, man kann das noch raufschieben. Es ist so eine Grenzverschiebung. Aber die Grenzverschiebung die hat dann irgendwann mal ein Ende."
Gipfel der Bevölkerungspyramide
Bei allen Unterschieden, die man in den Werken der Schriftsteller Sherko Fatah, Thomas Brussig, Annett Gröschner, Michael Lentz und Raoul Schrott ausmachen kann - sie eint zumindest eine Gemeinsamkeit: Sie werden in 2014 50 Jahre alt. Damit gehören sie alle derselben Generation an. Einer Ausnahmegeneration. Einer Generation der Superlative. Sie sind Jahrgang 64. Das bedeutet, sie gehören zu jenem für frühere ebenso wie für spätere Generationen uneinnehmbaren Gipfel der Bevölkerungspyramide. 1964 brachten die Deutschen - Ost wie West - so viele Kinder auf die Welt wie niemals zuvor und danach.
Manuskript zur Sendung als PDF und im barrierefreien Textformat.