Jahrhundertprojekt mit Rückenwind

Von Thomas Senne |
Bayreuth versucht sich seiner Vergangenheit zu stellen und unterstützt mitten in der Altstadt die Errichtung eines neuen jüdischen Kultur- und Gemeindezentrums. Für Mitte April ist der Beginn des ersten Bauabschnitts geplant.
Sie ist die einzige noch religiös genutzte Barock-Synagoge Deutschlands. Ursprünglich aber war sie ein Komödien- und "Opernhaus". 1759 kaufte es der Bankier Moses Seckel, ein sogenannter "Hofjude", und verwandelte es in ein jüdisches Gotteshaus. Heute befindet sich das Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft einer alten "Redoute", die jetzt ein Café beherbergt, und grenzt an das berühmte markgräfliche Opernhaus.

Als herausragendes Baudenkmal höfischer Musikkultur des 18. Jahrhunderts hat es gute Chancen, in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen zu werden. Zusammen bilden die Bauten mitten in der Bayreuther Innenstadt ein historisches Architekturensemble von internationaler Bedeutung.

Jetzt wird auf dem Areal ein neues jüdisches Kultus- und Kulturzentrum errichtet und die Barock-Synagoge im Innern vollkommen neu gestaltet. Für den Bayreuther Oberbürgermeister, Michael Hohl, ist der Bau des kleinen jüdischen Viertels eine Herausforderung:

"Es ist ein Jahrhundertprojekt für die Stadt Bayreuth, aber auch für die Jüdische Kultusgemeinde in Bayreuth, eine sehr wichtige Sache, die jetzt schon mächtigen Rückenwind hat, überall, wo wir das vorstellen. Ich hoffe, dass das mit diesem Rückenwind auch so weiterläuft"."

Erster von insgesamt drei Bauabschnitten ist die Errichtung einer rund eine Million Euro teuren Mikwe. Das rituelle jüdische Bad, mit dem jetzt begonnen wird, will Felix Gothart, Vorsitzender der rund 500 Mitglieder zählenden Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth, spätestens im Dezember einweihen:

""Normalerweise steht geschrieben, dass: Bevor eine Synagoge gebaut wird, sollte man eine Mikwe bauen. Also die hat einen höheren Stellenwert noch im jüdischen rituellen Ablauf. Und da hier in Bayreuth schon des öfteren Mikwoth vorhanden waren, aber leider zerstört wurden, denken wir: 'Es ist jetzt wieder an der Zeit, eine neue Mikwe zu bauen.' Und dann ist es natürlich auch so, dass wir viele Leute aus der ehemaligen Sowjetunion bekommen haben als Neuzuwanderer und die brauchen natürlich auch nicht nur eine soziale Integration, sondern auch eine religiöse Integration. Und man muss natürlich versuchen, auch die religiöse Infrastruktur zu schaffen und so einen Zuwachs der Gemeinde auch händeln zu können."

Die neue Mikwe wird in den Garten der alten Bayreuther Synagoge gebaut und in die Umfassungsmauer integriert, erzählt Florian Götze von "Wandel Hoefer Lorch + Hirsch", einem renommierten Architektenbüro, das sich mit den neuen Synagogen von Dresden und München einen Namen gemacht hat:
"Innen wird Putz zum Einsatz kommen und natürlich in den Nassbereichen eben auch Fliesen. Die Besonderheit ist noch, dass sich diese Mikwe von der Höhe dieser Mauer angleicht und die Vorräume –Baderäume, Warteräume – eben in der etwas niedrigeren Höhe sind. Und in dem Bereich, in dem letztendlich der Raum ist, in dem auch das Bad ist, der ist eben entsprechend erhöht, wird auch sichtbar nach außen hin, etwa ein Meter höher. Und von der Lichtführung ist eine Belichtung auch von oben noch vorgesehen."

Neue Akzente wird es auch in der Barock-Synagoge geben, deren Äußeres die Gräuel der Nazizeit beinahe unbeschadet überstanden hat, jetzt aber dringend sanierungsbedürftig ist. Der mit der Umgestaltung befasste Architekt Nikolaus Hirsch:

"Im Inneren der Synagoge geht es schon um eine zeitgenössische Interpretation des Raumes, denn eine vollständige Rekonstruktion ist gar nicht möglich. Es gibt keine originalen Teile mehr. Und darüber hinaus gibt es selbstverständlich heute auch neue Funktionen, die notwendig sind. Also wir haben dort einen Vorbereich, der die eben doch auch notwendigen Sicherheitseinrichtungen aufnehmen wird. Dann ein Treppenhaus, das integriert werden wird. Dann einen behindertengerechten Aufzug. All diese Dinge waren natürlich nicht Bestandteil der 250 Jahre alten Synagoge. Und insofern verbietet sich, denke ich, eine wortwörtliche Rekonstruktion von alleine. Noch dazu gibt es gar keine Original-Fotografien, die wirklich aussagekräftig sind. Also man wüsste gar nicht, was man rekonstruieren wollte."

Aufsehen erregte jüngst ein historischer Schatz, den man auf dem staubigen Dachboden des jüdischen Gotteshauses entdeckte, ein sogenannter "Genisa"-Fund. Schriften und Textilien, die einst eine religiöse Funktion hatten und deshalb nicht weggeworfen werden durften. Künftig sollen diese Fundstücke in einem kleinen Museum ausgestellt werden genau gegenüber der Barock-Synagoge. Dort ist allerdings momentan noch das Iwalewa-Haus untergebracht: das Afrika-Zentrum der Universität Bayreuth. Das aber soll künftig in ein anderes Gebäude ziehen.

In den frei werden Räumen wird dann das neue Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde mit dem Museum entstehen. Wann dieser dritte Bauabschnitt realisiert wird, steht derzeit noch in den Sternen. Aktuelle Pläne für die Umgestaltung liegen auch noch nicht vor. Trotzdem ist der Bayreuther Kulturreferent Carsten Hillgruber schön jetzt zuversichtlich, dass seine Stadt durch das Projekt wichtige neue Impulse erhält.

"Das Besondere hat natürlich mit der historischen Substanz hier zu tun. Die Genisa ist ein wichtiger Punkt. Auch die Tatsache, dass es eben eine Grundwasser-Mikwe ist, ist was Besonderes. Beides strahlt, denke ich, durchaus aus. Natürlich ist die Tatsache, dass gerade Bayreuth der Standort dieser Gemeinde ist - und dieses Projekts – auch noch etwas Besonderes. Ich denke, dass auch das nach außen eine besondere Wirkung haben wird."
Mehr zum Thema