Die Ausstellung "Jamaica Jamaica! From Mento to Trenchtown to Deejays..." ist vom 4. April bis 13. August 2017 in der Philharmonie Paris zu sehen.
Von Sound Systems und Rastalocken
Mit Jamaika verbinden wir sofort Reggae und Bob Marley. Dass die karibische Insel aber noch weitere kulturelle Schätze und Musikstile hat, zeigt jetzt die Ausstellung "Jamaica, Jamaica!" in der Pariser Philharmonie.
Mento – das ist der Calypso, wie er in den 1950er-Jahren auf Jamaika gespielt wurde. Die Musik entstand Ende des 19. Jahrhunderts auf dem Land. Zu diesen Klängen gibt es im ersten der sieben Säle coole Schwarzweißfotos von Rastamännern in den Bergen der Insel. Einer trägt einen beeindruckenden Turm aus Zöpfen auf dem Kopf, der bedeutend höher ist als das, was in den Straßen der europäischen Hauptstädte an Rastalocken zu sehen ist.
Gemälde, Skulpturen und Filmplakate sind in den folgenden Räumen ausgestellt, es werden Filme gezeigt, aber auch Musikinstrumente, Mischpulte, Revox-Rekorder und sogenannten Sound Systems, die sich auf Jamaika zu einem eigenen Musikinstrument entwickelt haben. Das Sound System sei der Vorgänger von Rap und Elektro, meint Sebastien Carayol, der Kurator der Ausstellung:
"Das Sound System ist am Anfang wie eine mobile Diskothek für die Straße. Die Jamaikaner wollten die neuen Songs aus den USA hören. In den 1950er-Jahren haben aber nur wenige das Geld für ein eigenes Radiogerät zuhause, deshalb kommen sie zusammen. Wenn es mehr werden, braucht es einen Verstärker. Oft hat der Typ auch einen Tante-Emma-Laden, in dem er Alkohol verkauft. Er sagt sich, wenn das die Leute anzieht, stelle ich das neben meinen Laden.
Am Anfang sind das Geschäftsleute, die den Verkauf ankurbeln wollen. Wir haben so ein altes Sound System in der Ausstellung, in den 50er-Jahren ist das ein Kasten mit einem Lautsprecher, kaum einen Meter hoch. Mit der Zeit werden daraus zwei, drei, vier Lautsprecher und schließlich eine ganze Wand mit Lautsprechern wie die, aus denen man heute auf Jamaika Musik hört."
Jamaikanische Musik ist mehr als Bob Marley
Der deutsche Künstler Nik Nowak hat seine Installation "Panzer" für die Ausstellung gemeinsam mit einem DJ in ein "Panzer Sound System" verwandelt: Das weiße Panzerfahrzeug wurde mit Lautsprechern ausgestattet.
Dancehall und Rub-a-Dub heißen die heutigen Musikstile der Insel, die kaum größer ist als Korsika, die aber dank Bob Marley und dem Reggae in der ganzen Welt bekannt ist. Kurator Sebastien Carayol war sechs Jahre alt, als Bob Marley 1981 starb. Der Spezialist für die Kultur der Sound Systems kam über moderne Undergroundmusik aus Jamaika zum Reggae.
"Bob Marley ist der Baum, hinter dem man den Wald nicht sieht. Diesmal wollte ich aber den Wald zeigen", sagt er.
Natürlich dürfen Bob Marley und Peter Tosh auf einer Ausstellung über Jamaika nicht fehlen. Die Gründerväter des Reggae spielten gemeinsam in der Band The Wailers, bevor jeder eigene Wege ging. Bob Marley verkaufte später weltweit über 200 Millionen Platten. Die Reggae-Legende ist präsent in Filmen und auf Fotos und in zahlreichen Aufnahmen, zum Beispiel von einem Konzert von Marley 1980 in Deutschland.
Die M16-Gewehr-Gitarre von Peter Tosh ist eines der Highlights der Ausstellung. Die Gitarre in Form eines Gewehrs ist ein Symbol für den Aktivismus des Sängers, dessen politische Lieder die fehlende Gleichheit der Schwarzen beklagten oder die Legalisierung von Cannabis forderten und der 1987 ermordet wurde.
Bad Boys aus Kingston und weise Rastas in den Bergen
In der Pariser Philharmonie sind diese berühmtesten Reggaelegenden aber Stars unter vielen anderen Künstlern, deren Porträts vom Street Artist Danny Coxson gemalt wurden. Die Fresken dieses Autodidakten säumen den Weg durch die Ausstellung. Der Rasta erzählt:
"Ich merkte, dass ich malen kann und tat das. Weißt du, in Jamaika gab es für mich nicht viel zu tun. Deshalb verbrachte ich meine Zeit mit Malen. Die Leute sahen das und es gefiel ihnen. Wenn jemand starb, kam die Familie und bat mich, den Verstorbenen zu porträtieren. Ich kann vieles malen, aber ich mochte Porträts, weil die Leute verstorbene Familienmitglieder gemalt haben wollten oder weil Musikproduzenten kamen, meine Porträts von Bob Marley und Denis Brown sahen und Porträts von ihren Künstlern wollten."
Homo- oder Frauenfeindlichkeit, wie sie manchen heutigen Reggaebands vorgeworfen wird, kommen in der Ausstellung nicht zur Sprache. Dafür lernt der Besucher viel über den kulturellen Reichtum der Insel und ihre wichtigen musikalischen Strömungen, die von Bad Boys in den Ghettos von Kingston und von weisen Anhängern der Rasta-Religion in den Bergen erfunden wurden.