James Bond - "immer ganz vorne am Zeitgeist"
"Lange Zeit waren diese Filme ja so ein bisschen ein Gentleman Club des Kalten Krieges", sagt der Historiker Bodo Mrozek über die klassischen 007-Verfilmungen mit Sean Connery, Roger Moore oder Pierce Brosnan in der Hauptrolle. Erst mit Daniel Craig seien die Bond-Frauen vom Pin-up-Girl zu eigenständigen Charakteren aufgestiegen.
Christopher Ricke: Großes Jubiläum heute: James Bond ist seit 50 Jahren im Kino. Sean Connery, Roger Moore und Daniel Craig hat man wahrscheinlich sofort auf dem Schirm. Es gab aber noch deutlich mehr Bond-Darsteller und 50 Jahre James Bond im Kino ist natürlich auch ein Thema für die Historiker. Ein solcher ist Bodo Mrozek, mit ihm sprach ich und ich frug ihn: Welche Darsteller habe ich denn vergessen?
Bodo Mrozek: Also, George Lazenby halte ich auch für einen absolut unterschätzten Bond-Darsteller, der ja "Im Geheimdienst ihrer Majestät" – jetzt musste ich selber kurz überlegen – mitgespielt hat. Aber es gibt natürlich im Film "Casino Royale" gleich, glaube ich, elf oder zehn James-Bond-Darsteller, unter ihnen David Niven unter anderem.
Ricke: Timothy Dalton, Pierce Brosnan haben wir auch noch. Wäre denn insgesamt die Welt ohne James-Bond-Filme ärmer?
Mrozek: Wäre die Welt ärmer? Das ist eine schwere Frage. Sie wäre ganz sicherlich, was den Kalten Krieg angeht, um eine sehr populäre Ausgestaltung dieses Themas ärmer. Ob denn der Welt ohne James Bond, der ja lange Zeit als so eine Art El Dorado des Herrensitzes gegolten hat, wirklich was fehlen würde, das ist noch abzuwarten. Er ist ja jetzt gerade derzeit auch mal wieder in der Krise.
Ricke: James Bond im Kalten Krieg, das waren Konflikte, die konnte man holzschnittartig gleich gut verstehen. Aber jetzt, nach 50 Dienstjahren in Deutschland, dürfte ein Agent mit 50 Dienstjahren tatsächlich ohne Abschläge in Rente. Braucht es Bond auch noch in Zukunft?
Mrozek: Ja das ist eine Frage, die natürlich sich die Macher von James Bond überlegen müssen, an der sie auch immer wieder arbeiten. James Bond – er ist ja auch bekannt als ein Agent des Zeitgeistes – hat es immer wieder ganz gut verstanden, sich neu zu erfinden, und das macht James Bond natürlich jetzt auch für eine Beschäftigung in der Kulturwissenschaft zum Beispiel so interessant, weil er immer ganz vorne am Zeitgeist war.
Ob ihm das jetzt so gelingt, das wird man sehen. Er hat ja inzwischen auch einen weiblichen Chef bekommen. Er ist eben nicht mehr das, wie ich eben sagte, El Dorado für den Herrensitz. Lange Zeit waren diese Filme ja so ein bisschen ein Gentleman Club des Kalten Krieges, der sozusagen auch die vorfeministische Zeit noch repräsentiert hat, und man hat ihn ja jetzt eben mit Daniel Craig wieder völlig neu erfunden und versucht, so ein bisschen, ihn ins ernste Fach wechseln zu lassen und sozusagen auch diese ganzen alten Konnotationen abzustreifen.
Ricke: Aber vielleicht ist ja gerade diese vorfeministische Zeit so reizvoll. In den Jahren meiner Bond-Sozialisation habe ich James Bond immer um seine Frauen beneidet, das aber später im feministischen Zirkel, in der Kneipe und der Wohngemeinschaft heftig bestritten und mich sehr empört gegeben. Wie hat sich denn die Rolle der Frau bei James Bond in diesen Jahrzehnten entwickelt?
Mrozek: Frauen sind in den James-Bond-Filmen jetzt überhaupt neuerdings erst seit kurzem, vielleicht erst wirklich seit den Filmen mit Daniel Craig als eigenständige Charaktere zu entdecken. Vorher dienten Frauen ja ein bisschen so als Abziehbilder, als Pin-up-Girls sozusagen und eines der zentralen Motive des Bond-Filmes war auch immer die sexuelle Eroberung von nicht einer, sondern mehreren Frauen.
Man hat James Bond deswegen ja oft auch eine Art von destruktiver Männlichkeit vorgeworfen und diese motivische Gegenüberstellung Bond und Frau ist eben eine ganz wichtige, machen das Thema aber auch so interessant für die, die eigentlich damit transportiert werden, denn mehr noch als ein kalter Krieger ist James Bond ja stets ein Hedonist gewesen und das ist es vielleicht auch, was die Filme lange Zeit so attraktiv gemacht hat. Sie sind sozusagen Projektionsflächen, Leinwände viel mehr der Pop-Kultur als eigentlich des politischen Systemkonflikts, aus dem sie ja ursprünglich einmal stammen.
Ricke: Wir haben hier also die hedonistische Darstellung in einer profeministischen Zeit im Bereich Bond und Frau. Wie ist es denn mit der Darstellung des Bösen, des personifizierten Bösen?
Mrozek: Ja das ist ein anderer Antagonismus. Der Literaturwissenschaftler Umberto Eco hat in einer frühen Analyse in den frühen 60er-Jahren ja einmal eine Handvoll Antagonismen festgemacht: Bond gegen Bösewicht, Bond gegen Frau, Bond gegen Sowjetwelt. Und die Bösewichter – das ist auch interessant – sind oftmals eben keine, die direkt dem politischen Systemkonflikt entstammen.
Die Bösewichter sind aber eher reiche Privatmänner, Superschurken, die mit Hilfe von technischer Überlegenheit und auch eines gewaltigen Vermögens in aller Regel die Welt komplett bedrohen. Und man hat hier eben stark den Eindruck, dass Ian Fleming, der Autor der Bond-Romane, dass ihm hier auch noch ein älterer Konflikt eigentlich die Schablone dafür liefert, und das sind eben Charaktere wie Hitler oder Stalin. Diese Bond-Bösewichte Blofeld und andere scheinen eigentlich eher aus dem Zeitalter der Extreme zu stammen, als aus dem Kalten Krieg.
Ricke: Das filmische Werk der James-Bond-Filme hat Filme in der ganzen Welt beeinflusst. Es gibt viele Bond-Klons. Ist so ein Kino- oder ein Fernsehfilm, der so ein bisschen bei James Bond klaut, ist das eigentlich ein Beweis der Einfallslosigkeit der Drehbuchautoren und Regisseure, oder vielleicht doch eine Referenz an eine besondere Strahlkraft?
Mrozek: Eher letzteres. Man muss auch sagen, dass nicht nur bei James Bond geklaut worden ist, sondern dass James Bond eigentlich auch schon geklaut hat, denn als Ian Fleming 1953 seinen ersten Roman geschrieben hat mit einem Superagenten, der die Dienstnummer 007 hat, da gab es in Frankreich bereits seit fünf Jahren einen ähnlichen Agenten, nämlich OSS 117, der seit 1949 große Erfolge feierte, von dem Autor Jean Bruce geschrieben wurde, und James Bond hat da eigentlich auch klare Anleihen schon an einem französischen Vorbild gemacht.
Ich glaube auch, dass man mit so Fragen nach Originalität hier gar nicht mehr weiter kommt. Das ist ein Merkmal der Pop-Kultur, dass hier voneinander ja gar nicht nur gestohlen wird, sondern es wird in gewisser Weise gecovert, und das Phänomen James Bond reicht weit über diesen Charakter, über die Bücher und über die Filme hinaus. Man hat ja in den 60er-Jahren von der Bonditis gesprochen, analog vielleicht zu der Beatlemania, die auch von England ausgehend in der Pop-Kultur über Europa schwappte und dann eigentlich auch über die ganze Welt, und die Bonditis, das Phänomen James Bond, umfasst eben auch viele andere Filme. Es gab mit James Coburn Verfilmungen in den USA, Dean Martin spielte Matt Helm, einen ähnlichen Agenten, und es reichte sogar bis in Deutschland. Man hat auch in der Bundesrepublik und sogar in der DDR das Spionage-Genre belebt.
Ricke: Der Historiker Bodo Mrozek – heute vor 50 Jahren kam der erste James-Bond-Film in die Kinos. Ich danke Ihnen ganz herzlich.
Mrozek: Nichts zu danken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bodo Mrozek: Also, George Lazenby halte ich auch für einen absolut unterschätzten Bond-Darsteller, der ja "Im Geheimdienst ihrer Majestät" – jetzt musste ich selber kurz überlegen – mitgespielt hat. Aber es gibt natürlich im Film "Casino Royale" gleich, glaube ich, elf oder zehn James-Bond-Darsteller, unter ihnen David Niven unter anderem.
Ricke: Timothy Dalton, Pierce Brosnan haben wir auch noch. Wäre denn insgesamt die Welt ohne James-Bond-Filme ärmer?
Mrozek: Wäre die Welt ärmer? Das ist eine schwere Frage. Sie wäre ganz sicherlich, was den Kalten Krieg angeht, um eine sehr populäre Ausgestaltung dieses Themas ärmer. Ob denn der Welt ohne James Bond, der ja lange Zeit als so eine Art El Dorado des Herrensitzes gegolten hat, wirklich was fehlen würde, das ist noch abzuwarten. Er ist ja jetzt gerade derzeit auch mal wieder in der Krise.
Ricke: James Bond im Kalten Krieg, das waren Konflikte, die konnte man holzschnittartig gleich gut verstehen. Aber jetzt, nach 50 Dienstjahren in Deutschland, dürfte ein Agent mit 50 Dienstjahren tatsächlich ohne Abschläge in Rente. Braucht es Bond auch noch in Zukunft?
Mrozek: Ja das ist eine Frage, die natürlich sich die Macher von James Bond überlegen müssen, an der sie auch immer wieder arbeiten. James Bond – er ist ja auch bekannt als ein Agent des Zeitgeistes – hat es immer wieder ganz gut verstanden, sich neu zu erfinden, und das macht James Bond natürlich jetzt auch für eine Beschäftigung in der Kulturwissenschaft zum Beispiel so interessant, weil er immer ganz vorne am Zeitgeist war.
Ob ihm das jetzt so gelingt, das wird man sehen. Er hat ja inzwischen auch einen weiblichen Chef bekommen. Er ist eben nicht mehr das, wie ich eben sagte, El Dorado für den Herrensitz. Lange Zeit waren diese Filme ja so ein bisschen ein Gentleman Club des Kalten Krieges, der sozusagen auch die vorfeministische Zeit noch repräsentiert hat, und man hat ihn ja jetzt eben mit Daniel Craig wieder völlig neu erfunden und versucht, so ein bisschen, ihn ins ernste Fach wechseln zu lassen und sozusagen auch diese ganzen alten Konnotationen abzustreifen.
Ricke: Aber vielleicht ist ja gerade diese vorfeministische Zeit so reizvoll. In den Jahren meiner Bond-Sozialisation habe ich James Bond immer um seine Frauen beneidet, das aber später im feministischen Zirkel, in der Kneipe und der Wohngemeinschaft heftig bestritten und mich sehr empört gegeben. Wie hat sich denn die Rolle der Frau bei James Bond in diesen Jahrzehnten entwickelt?
Mrozek: Frauen sind in den James-Bond-Filmen jetzt überhaupt neuerdings erst seit kurzem, vielleicht erst wirklich seit den Filmen mit Daniel Craig als eigenständige Charaktere zu entdecken. Vorher dienten Frauen ja ein bisschen so als Abziehbilder, als Pin-up-Girls sozusagen und eines der zentralen Motive des Bond-Filmes war auch immer die sexuelle Eroberung von nicht einer, sondern mehreren Frauen.
Man hat James Bond deswegen ja oft auch eine Art von destruktiver Männlichkeit vorgeworfen und diese motivische Gegenüberstellung Bond und Frau ist eben eine ganz wichtige, machen das Thema aber auch so interessant für die, die eigentlich damit transportiert werden, denn mehr noch als ein kalter Krieger ist James Bond ja stets ein Hedonist gewesen und das ist es vielleicht auch, was die Filme lange Zeit so attraktiv gemacht hat. Sie sind sozusagen Projektionsflächen, Leinwände viel mehr der Pop-Kultur als eigentlich des politischen Systemkonflikts, aus dem sie ja ursprünglich einmal stammen.
Ricke: Wir haben hier also die hedonistische Darstellung in einer profeministischen Zeit im Bereich Bond und Frau. Wie ist es denn mit der Darstellung des Bösen, des personifizierten Bösen?
Mrozek: Ja das ist ein anderer Antagonismus. Der Literaturwissenschaftler Umberto Eco hat in einer frühen Analyse in den frühen 60er-Jahren ja einmal eine Handvoll Antagonismen festgemacht: Bond gegen Bösewicht, Bond gegen Frau, Bond gegen Sowjetwelt. Und die Bösewichter – das ist auch interessant – sind oftmals eben keine, die direkt dem politischen Systemkonflikt entstammen.
Die Bösewichter sind aber eher reiche Privatmänner, Superschurken, die mit Hilfe von technischer Überlegenheit und auch eines gewaltigen Vermögens in aller Regel die Welt komplett bedrohen. Und man hat hier eben stark den Eindruck, dass Ian Fleming, der Autor der Bond-Romane, dass ihm hier auch noch ein älterer Konflikt eigentlich die Schablone dafür liefert, und das sind eben Charaktere wie Hitler oder Stalin. Diese Bond-Bösewichte Blofeld und andere scheinen eigentlich eher aus dem Zeitalter der Extreme zu stammen, als aus dem Kalten Krieg.
Ricke: Das filmische Werk der James-Bond-Filme hat Filme in der ganzen Welt beeinflusst. Es gibt viele Bond-Klons. Ist so ein Kino- oder ein Fernsehfilm, der so ein bisschen bei James Bond klaut, ist das eigentlich ein Beweis der Einfallslosigkeit der Drehbuchautoren und Regisseure, oder vielleicht doch eine Referenz an eine besondere Strahlkraft?
Mrozek: Eher letzteres. Man muss auch sagen, dass nicht nur bei James Bond geklaut worden ist, sondern dass James Bond eigentlich auch schon geklaut hat, denn als Ian Fleming 1953 seinen ersten Roman geschrieben hat mit einem Superagenten, der die Dienstnummer 007 hat, da gab es in Frankreich bereits seit fünf Jahren einen ähnlichen Agenten, nämlich OSS 117, der seit 1949 große Erfolge feierte, von dem Autor Jean Bruce geschrieben wurde, und James Bond hat da eigentlich auch klare Anleihen schon an einem französischen Vorbild gemacht.
Ich glaube auch, dass man mit so Fragen nach Originalität hier gar nicht mehr weiter kommt. Das ist ein Merkmal der Pop-Kultur, dass hier voneinander ja gar nicht nur gestohlen wird, sondern es wird in gewisser Weise gecovert, und das Phänomen James Bond reicht weit über diesen Charakter, über die Bücher und über die Filme hinaus. Man hat ja in den 60er-Jahren von der Bonditis gesprochen, analog vielleicht zu der Beatlemania, die auch von England ausgehend in der Pop-Kultur über Europa schwappte und dann eigentlich auch über die ganze Welt, und die Bonditis, das Phänomen James Bond, umfasst eben auch viele andere Filme. Es gab mit James Coburn Verfilmungen in den USA, Dean Martin spielte Matt Helm, einen ähnlichen Agenten, und es reichte sogar bis in Deutschland. Man hat auch in der Bundesrepublik und sogar in der DDR das Spionage-Genre belebt.
Ricke: Der Historiker Bodo Mrozek – heute vor 50 Jahren kam der erste James-Bond-Film in die Kinos. Ich danke Ihnen ganz herzlich.
Mrozek: Nichts zu danken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.