James Cook und der Venustransit

Wie die Venus den Astronomen beim Rechnen half

Captain James Cook (1728-1779), porträtiert von Nathaniel Dance (1735 -1811)
James Cook brachte den Astronomen Charles Green zur Beobachtung des Venustransits nach Tahiti. © imago/United Archives International
Von Dirk Lorenzen |
Dass die Erde und die übrigen Planeten um die Sonne kreisen, wissen die Astronomen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts. Doch wie groß das Sonnensystem ist, hat sich erst vor 250 Jahren bei der Expedition von James Cook nach Tahiti geklärt.
Ende August 1768 verließ das Segelschiff "Endeavour" den Hafen von Plymouth im Süden Englands. Ziel war die Südsee, und das Kommando lag in den Händen eines gewissen James Cook. Der damals noch unbekannte Kapitän sollte den königlichen Astronomen Charles Green nach Tahiti bringen, um zu beobachten, wie unser Nachbarplanet Venus genau zwischen der Erde und der Sonne hindurch zieht.
Tatsächlich bekam die Reisegruppe am 3. Juni 1769 das himmlische Schauspiel zu Gesicht, notierte James Cook im Logbuch:
"Den ganzen Tag zeigte sich keine Wolke und die Luft war völlig klar, sodass Mister Green und ich jeden erdenklichen Vorteil hatten bei der Beobachtung der ganzen Passage des Planeten Venus über die Scheibe der Sonne."
Noch heute zeugt "Point Venus" an der Nordspitze Tahitis von dieser Expedition, bei der James Cook später noch die Inselnatur Neuseelands entdeckte und die Ostküste Australiens kartierte. Der berühmte Astronom Edmond Halley hatte gut 50 Jahre zuvor erkannt, dass sich mit Hilfe eines Venusdurchgangs der Abstand der Erde von der Sonne berechnen lässt.

Astronomen mit Reisefieber

"Was sollte es wohl Schwereres geben, als die Bestimmung der Entfernung der Sonne von der Erde? Und doch ist sie eine der leichtesten Aufgaben, wenn man nur einige diesem Zwecke angemessene Beobachtungen vorausschickt."
Die relativen Abstände der Planeten waren seit Johannes Kepler bekannt – seit 1618 wissen die Astronomen, dass Mars knapp doppelt so weit von der Sonne entfernt ist wie die Erde, Jupiter etwa fünf Mal so weit und so weiter, erklärt Rahlf Hansen, Experte für Astronomiegeschichte in Hamburg:
"Man braucht aber, da man nur die Verhältnisse hat, eine Entfernung sicher. Wenn man an verschiedenen Orten ist, kann man sehen, wie die Venus über die Sonnenscheibe wandert. Aber abhängig von der Breite passiert das woanders auf der Sonne. Und wenn man das genau vermisst, kann man tatsächlich die Entfernung der Venus genau bestimmen und damit hat man dann alle Entfernungen im Sonnensystem geeicht."
Doch die Astronomen brauchten Geduld, denn Venustransite gehören zu den seltensten regelmäßig wiederkehrenden Ereignissen am Himmel. Halley war beim Transit 1769 bereits seit Jahrzehnten tot. Seine Nachfolger packte das Reisefieber. Notgedrungen: Denn von Mitteleuropa aus war der Lauf der Venus über die Sonne nicht zu verfolgen. Nicht alle Reisen waren so vom Erfolg gekrönt wie die von Charles Green nach Tahiti, berichtet der sehr an Astronomie interessierte Schriftsteller Arno Schmidt:
"Pierre Antoine Véron war 1768 in die Südsee gestartet. Er kam, aufgehalten durch widrige Winde zu spät, und starb bald darauf fern der Heimat an gebrochenem Herzen. Guillaume Le Gentil stand in Indien unter feindselig-dicken Wolken. Jean-Baptiste Chappé vollbrachte in Kalifornien zwar seine Aufgabe, erlag aber vier Wochen später einer Typhus-Erkrankung."

Europa war aufs Erhabenste einig

Auch Charles Green überlebte die Expedition mit James Cook nicht. Eineinhalb Jahre nach dem Venusdurchgang starb er – noch auf der Heimreise – an Malaria. Doch auch seine Daten flossen ein in das große Werk vieler Astronomen Europas: Die Auswertung der Beobachtungen einige Jahre nach dem Ereignis ergab als Abstand der Erde von der Sonne 153 Millionen Kilometer. Dieser Wert liegt nur zwei Prozent zu hoch.
"Acht Jahre vorher noch, beim Venustransit von 1761, hatten sie nicht Fernrohre, sondern Kanonen aufeinander gerichtet, diese Russen, Preußen, Engländer, Österreicher, Franzosen – und bald danach begannen sie wieder das alte blutige Spiel!"
So beschrieb es Arno Schmidt in seiner historischen Skizze "Das schönere Europa: Zur Erinnerung an die erste große wissenschaftliche Gemeinschaftsleistung unseres Kontinents".
"Aber einmal wenigstens war Europa doch, und aufs Erhabenste, einig gewesen: 1769, am dritten Juni!"
Seit dem historischen Transit ist die Venus erst weitere vier Mal vor der Sonne entlanggezogen, zuletzt 2012. Zum nächsten Schauspiel dieser Art kommt es erst wieder im Jahr 2117.
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