James K. Galbraith: "Wachstum neu denken. Was die Wirtschaft aus den Krisen lernen muss"
Aus dem Englischen von Peter Stäuber
Rotpunkt Verlag Zürich, Mai 2016
304 Seiten
32,00 Euro
Konjunkturmotor hilft aus keiner Krise mehr
Wer auf Wachstum setzt, provoziert nur weitere Krisen. Denn alte ökonomische Modelle funktionierten nicht mehr, so der US-Ökonom James K. Galbraith. Weshalb sich die Wirtschaft – finanziert durch höhere Steuern – qualitativ wandeln müsse.
Auch wenn James K. Galbraith Europa ein eigenes Kapitel widmet, ändert das nichts daran: Es handelt sich um ein durch und durch amerikanisches Buch, das sich auch in den abschließenden Empfehlungen überwiegend an ein amerikanische Publikum wendet.
Nichtsdestotrotz haben deutsche Leser einen Nutzen davon. Erfahren sie doch, dass in es Amerika überhaupt verschiedene Schulen und Denkrichtungen unter den Ökonomen gibt, wovon in Deutschland und Europa kaum noch die Rede sein kann.
Hierzulande dominiert seit über einem Jahrzehnt die Angebotstheorie, wonach nur der niedrige Preis der Stimulus für mehr Wachstum sein kann, während staatliche Eingriffe wie Konjunkturprogramme, welche die Nachfrage fördern, als verpönt gelten. In der politischen Praxis sieht das zwar anders aus. Aber das wird dann gern als Abweichung vom Normalzustand beschrieben.
Finanzkrise kam, weil Wachstum ausblieb
Galbraith braucht lange, bis er zu seinen Kernthesen kommt. Dann aber gewinnt sein Buch an Qualität. Weil es deutlich macht, warum die Welt nach 2008 in die verheerende Finanzkrise gestürzt ist.
Es war der institutionalisierte Betrug der Banken und Finanzinstitute, die mit allerlei Tricks und Versprechen weltweit wertlose Immobilienkredite bis zur Unkenntlichkeit gehäckselt und gestückelt verkauft haben. Und sie konnten das, weil kein Aufseher auf der Welt wirklich einmal genauer hingesehen hätte. Befördert durch neue computergestützte Programme schien der Markt geradezu grenzenlos zu sein, obwohl er von Anfang an faul war.
Der Wirtschaftsprofessor an der University of Texas spricht vom Finanzbetrug als Lösung für ein politisches Problem: dem eigentlich fehlenden Wachstum, das durch Derivate und künstlich aufgeblähte weltweite Finanzgeschäfte übertüncht wurde.
Deregulierung versagte, weil alte Modelle nicht funktionieren
Möglich geworden war das alles dank der bewussten regulativen Vernachlässigung durch die Politik, die unter allen Umständen an den klassischen Wachstumsversprechen festhalten wollte - und das auch nach wie vor weiter will. Nur funktionieren in seiner Analyse die klassischen ökonomischen Modelle nicht mehr.
Galbraith spricht von einer Zeitenwende, die auf neue Antworten angewiesen ist. Trotz vorrübergehend niedriger Preise sei die Zeit der billigen Energie als Wachstumsmotor vorbei. Die Digitalisierung werde zu einer noch dramatischeren Veränderung der Arbeitswelt und damit zu weniger klassischer Beschäftigung führen.
Und der Fetisch der schwarzen Null im Staatshaushalt, wie er derzeit in Europa und besonders in Deutschland gepredigt wird, ist für ihn deshalb alles andere als vernünftig, weil er – siehe Griechenland, die Probleme geradezu potenziert anstatt sie zu lösen. Galbraith sagt es nüchtern: Die globale Dimension der Krise lässt nicht mehr national lösen.
Doch, was dann kommt, wirkt auf europäische Leser erstaunlich. James K. Galbraith wirbt – und nimmt dabei Anleihen bei den Ideen seines Vaters John Kenneth Galbraith - für institutionelle Reformen, die eine Art Basisökonomie und ein langsames aber stetiges Wachstum garantieren sollen.
Steuern müssen steigen, damit Wirtschaft sich wandelt
So will er das US-Militär abschaffen, weil dort zu viel Geld wirkungslos verbrannt werde und die militärische Vorherrschaft der USA ohnehin schon verloren gegangen sei. Er will die Finanzinstitute dezentralisieren, den Sozialstaat und die soziale Sicherung ausbauen, den Mindestlohn anheben und die Frühverrentung möglich machen.
Finanziert werden soll das vor allem durch höhere Steuern auf Kapitalerträge und durch eine Erbschaftssteuer, die den Namen auch verdient.
Kurz: nur ein qualitativer Wandel der Wirtschaft könne den Rahmen für stabile und einigermaßen gut bezahlte Jobs – etwa in sozialen Diensten - bieten.
Das alles klingt ehrenvoll und engagiert. Aber leider ist es wie so oft, wenn Ökonomen politisch werden. Sie vergessen einen Kernbestandteil ihres eigenen Geschäfts: Die Gier des Marktes, von der sich auch die Politik nur allzu oft treiben lässt.