James Lee Burke: "Mississippi Jam"
Roman. Deutsch von Jürgen Bürger
Pendragon, Bielefeld 2016
588 Seiten, 17,90 Euro
Auge um Auge
Ein knallharter Cop, ein fieser Nazi und ein U-Boot - dies sind nur drei Zutaten von James Lee Burkes Krimi "Mississippi Jam". In den USA war der Roman bereits Anfang der 90er-Jahre erschienen. Deutsche Burke-Fans können sich erst jetzt über robuste Action freuen.
James Lee Burke gehört zu den wuchtigsten Epikern der amerikanischen Literatur. Bei uns war er aufgrund einer unglücklichen Publikationsgeschichte aus dem Bewusstsein verschwunden, bis der Heyne Verlag vor ein paar Jahren damit begann, sein Spätwerk zu veröffentlichen.
International Furore machte Burke jedoch seit 1987 mit seiner Romanserie um den Ex-Cop des New Orleans Police Departements, Dave Robicheaux. Ausgelassen hatte man auf dem deutschsprachigen Markt damals "Mississippi Jam" aus dem Jahr 1994, ein Buch, das der Pendragon Verlag erst jetzt nachschiebt.
Man darf vermuten, dass das Thema des Romans in den frühen 1990ern als "riskant" galt: Es geht um die Neo-Nazi-Szene in den USA und nebenher über ihre Vernetzung auch mit dem deutschen einschlägigen Milieu.
Im Zweiten Weltkrieg war eines der deutschen U-Boote, die, historisch korrekt, vor der Küste Louisianas operierten, dort gesunken. Jetzt wird es zum Objekt der Begierde für allerlei schräge Figuren, darunter ein jüdischer Gangster mit dem unwahrscheinlichen Namen Hippo Bimstine, der fiese Nazi Buchalter, eine obskure Nonne, die Mafia und ein irrer Wanderprediger.
Robicheaux, der Ex-Alkoholiker, der inzwischen als Provinz-Sheriff arbeitet, weiß ungefähr, wo das U-Boot liegt und findet sich zwischen den Fronten wieder.
Mit Obszönitäten gespickte Dialogen
Die Angelegenheit wird blutig, denn Gewalt ist ein permanenter Faktor in Burkes Werk. Sowohl physische als auch verbale Gewalt, die sich in großartigen, aggressiven, mit Sottisen und Obszönitäten gespickten Dialogen äußert, die Jürgen Bürgers Übersetzung sehr schön akzentuiert.
Kontrapunktiert wird diese Gewalt durch die Zartheit und Poesie der Naturbeschreibungen, die Burke immer wieder einflicht und die auch zu den Basis-Komponenten seines Gesamtwerks zählen. Kaum jemand beschreibt die Farben, Gerüche, Geräusche und Stimmungen der Bayous, des Deltas und der Atlantikküste so virtuos und eindringlich wie Burke. Natur ist Trost, Hoffnung, Utopie. Das erinnert schon fast an die deutsche Romantik eines Joseph von Eichendorff, in dem die Natur als "Zweites Buch Gottes" für die Offenbarung von Transzendenz steht.
Wobei Burkes Ausflüge ins Religiös-Metaphysische eher alttestamentarisch, zornig sind – Auge um Auge, stets Schuld und Sühne und die letzten Dinge flammend ins Feld führend.
Hart am Wahnsinn angesiedelte Figuren
Dennoch ist "Mississippi Jam" ein ganz und gar weltlicher Roman, mit eindrücklichen, oft hart am Wahnsinn angesiedelten Figuren, wie Robicheaux´ Kumpel Clete Purcel, der unter anderem das Anwesen eines Mafia-Bosses mit der Planierraube plattmacht.
Robuste Action, aktuelle Bezüge wie auf den immer noch grassierenden Rassismus und auf das Widererstarken faschistischer Strömungen, und ein faszinierend anti-touristisch, anti-folkloristisches Bild von New Orleans, das Big Easy als Big Sleazy, also als heruntergekommen und widerlich, aber sehr genau porträtiert, machen die großen Qualitäten des Buchs aus.
Gut, dass mit "Mississippi Jam" ein wichtiger Baustein für das große, kritische Südstaaten-Gesamt-Epos von Burke endlich auch bei uns vorliegt.