James McBride: Kill 'Em and Leave. Searching for James Brown and the American Soul
Spiegel & Grau
256 Seiten, je nach Ausgabe 15-20 Dollar
James-Brown-Biografie aus Sicht eines Fans
James Brown ist der Mann der Spitznamen: "Mr. Dynamite", "The Hardest Working Man in Show Business", "Soul Brother Number One", "Godfather of Soul". "Kill Em´or Leave" heißt eine neue Biografie von James McBride. Missverstanden und einsam sei Brown gewesen, so der Autor.
Der Schein muss gewahrt werden. "Come important – Leave important". Die Botschaft zieht sich durch das Leben des schwarzen Musikers James Brown, geboren am 3. Mai 1933 im ländlichen South Carolina, Browns Karriere wurde oft beschrieben. Für James McBride nie komplett, niemals frei von Vorurteilen, zum Teil geprägt von Rassismus.
"Wenn Du diese Biografien liest, dann findest Du meist nur raus, wie der Typ gestorben ist. Ich wollte mehr wissen. Je mehr ich herausfand, desto mehr mochte ich ihn. Er fühlte sich missverstanden und er fühlte sich einsam."
McBride begibt sich auf Spurensuche: Er findet Freunde, Verwandte, Geschäftspartner, Musiker – Menschen, die von einem Künstler mit unterschiedlichsten Facetten berichten.
Ein Junge, dessen Mutter ihn und den Vater verließ; der nie die High School beendete; der Zeit im Jugendgefängnis verbrachte.
Ein Junge, der als Mann eine Lehre zieht, "Kill Em' and Leave" – die zweite Botschaft im Leben des James Brown und der Titel dieses Buches.
Frei übersetzt: "Erschlage sie mit Deiner Show, und dann hau‘ ab."
Diese Biografie lässt sich auch wie ein Beschreibung jenes rassistischen Amerika lesen, dass immer wieder sein hässliches Gesicht zeigt.
Zitat: Alle wissen: nur ein falscher Schritt in der Welt der Weißen kann Dich sehr schnell vernichten – diese Angst ist wie eine Zeitbombe. Jeder große schwarze Künstler hat sie in der Tasche, von Miles Davis bis Jay Z.
… Und ihr Ticken kontrolliert Dein Leben. Miles Davis und James Brown waren sich sehr ähnlich. Beide galten als reizbar und extrovertiert. Unter der harten Schale verbarg sich bei Beiden ein weicher Kern: freundlich, loyal, sensibel.
Es galt, die Angst zu ignorieren, die das Ticken der Zeitbombe hinterließ. Sie griffen zu Tricks und Täuschungen, um "cool" zu wirken. Innerlich hat sie das zerstört. (S. 10)
Die Bewunderung für den Sänger, die offenkundig im Hause McBride Familientradition war, öffnet dem Autor Türen; zwei weitere Fakten kommen hinzu: McBride ist ebenfalls Musiker, und er ist Afro-Amerikaner. Er schreibt aus der Perspektive eines Fans.
"We loved James Brown in my house… His whole persona was so funny… he made up words – "Gimme that" – he was a complete original."
"Searching for James Brown and the American Soul" – der Untertitel verrät viel über die Intention dieses Buches. Am Beispiel Browns erklärt McBride die Geschichte der Südstaaten, eine Geschichte, die nicht zuletzt von der hier gespielten Musik geprägt ist.
Und er ergreift Partei:
Zitat: Warum kümmert sich eine der reichsten Nationen der Welt nicht um die, die etliche unserer wichtigsten kulturellen und ökonomischen Exporte schufen? Es gibt Renten für klassische Musiker – auch die sind nicht hoch, aber wo liegt der Unterschied zwischen Jemanden, der die Musik eines Typen aus Wien im Jahr 1755 spielt, und dem, der sich der Musik eines Typen aus Toccoa, Georgia im Jahr 1955 widmet?
Die Musik hat doch immer die gleichen Wurzeln: Schmerz, Leid, Freude – das Leben. (S.97)
"Er tat alles, um den Schein zu wahren."
James Brown sprach Jeden mit "Mister" oder "Miss" an, sogar die kleinste Hilfskraft. Nach jeder Show saß er stundenlang unter dem Fön, damit man ihn nicht unfrisiert erlebte. "Er tat alles", schreibt McBride, "um den Schein zu wahren."
Brown hatte kein Interesse, nach seiner Show die üblichen Hände zu schütteln und sich mit Politikern und Promis ablichten zu lassen, die eine Schlagzeile brauchten.
"Kill Em and leave".
"Gib Dir keine Blöße" – besser lässt sich die Philosophie des Mr. Dynamite nicht zusammenfassen.
Um diesen Schein zu wahren, konnte er sehr unangenehm werden. Vor allem gegenüber seiner Band.
Zitat: Er bestrafte seine Musiker wegen Kleinigkeiten – ein verpasster Ton, ein fehlender Schlips, ein offener Schuh. Er war rechthaberisch. Er schlief mit seinen Sängerinnen. Er war ein Meister der Manipulation. Er forderte endlose Proben, manchmal direkt nach einem Konzert, bis in den frühen Morgen. Nur um zu zeigen, wer der Boss ist. Seine Stimmungen waren unberechenbar. Brown reiste im Privatflugzeug, seine Band fuhr mit dem Bus. Im Bus hatte er Spione, die berichteten, wenn einer der Musiker sich despektierlich über den Chef äußerte. (S.149)
Was bleibt? Sicher Browns unsterbliche Musik, eine Musik, die wie McBride sagt, indes nicht Wertschätzung erfahre, die ihr zusteht.
"Er hat diese Genres erfunden, in denen Zeitschriften wie Billboard oder Rolling Stone nun ihre Hitlisten ablegen. Er steht für jene afro-amerikanischen Musiker, denen ihr Platz in der Geschichte verwehrt wurde."
James Brown starb am 25. Dezember 2006 in Atlanta.
Eine letzte Geschichte muss erzählt werden. Vor seinem Tod verfügte Brown, das sein Vermögen – auf eine zweistellige Millionensumme geschätzt – unterprivilegierten Kindern in South Carolina und Georgia zu kommen sollten. Bis heute erhielten diese Kids keinen Cent.
Statt dessen streiten sich Browns diverse Ex-Frauen, eine Witwe sowie etliche anerkannten sowie nicht anerkannte Nachfahren um den Nachlass. Bislang mit 47 Klagen, 4000 Seiten umfassenden Gutachten und circa neunzig Anwälten.
Ende offen.
Es wäre schön, dieses wichtige Buch bald auch auf deutsch lesen zu können. Nicht nur James Brown-Fans würden davon profitieren.