Jan Peter Bremer: "Der junge Doktorand"

Eine Kreuzung aus Thomas Bernhard und Loriot

05:41 Minuten
Das Buchcover zeigt eine geschnitzte Figur mit zwei Kofferhälften auf Rädern. Im Rücken steckt ein Aufziehschlüssel.
Der junge Doktorand soll Abwechslung ins Leben eines Künstlers und seiner Frau bringen - doch er ist alles andere als der ersehnte Heilsbringer. © Berlin Verlag / Deutschlandradio
Von Nico Bleutge |
Audio herunterladen
Ein Missverständnis führt einen jungen Doktoranden zu dem Maler Günter Greilach und dessen Frau. Beide haben sich in ihrem abgeschiedenen Leben eingerichtet. Jan Peter Bremer erzählt in seinem Roman vom Verhältnis zwischen Stillstand und Aufbruch.
"Mein lieber Freund", heißt es in einem früheren Buch von Jan Peter Bremer, "mir will es nicht gelingen, meinem Sohn länger zuzuhören, zumal es immer dieselbe Geschichte ist, die er vorträgt."
Ein bisschen trifft diese Behauptung auch auf Bremer selbst zu. Meist leben seine Protagonisten an einsamen Orten – ein Bergdorf, ein abgelegenes Haus – und kreisen ganz in ihren Gedanken, räsonieren über das Alleinsein oder die Kunst, zelebrieren die eigene Unzufriedenheit.
Doch anders als der Vater seinem Sohn folgt man als Leser Bremer immer wieder mit Vergnügen, denn er denkt sich fortwährend neue sprachliche Formen aus. Und so sehr sich seine Charaktere ähneln, so unterschiedlich sind die Lebenswelten, die sich in ihren Gedanken spiegeln: Die Enge der Kleinstadt findet hier genauso ihren Platz wie die soziale Realität der Großstadt.

Große Erwartungen an einen Doktoranden

In seinem neuen Buch bringt Jan Peter Bremer diese beiden Welten zusammen. Wie schon in seinem letzten Roman "Der amerikanische Investor" hält er sich ganz an die Perspektive der Figuren. Nur dass es sich diesmal nicht nur um eine Sichtweise handelt, sondern um gleich drei.
Günter Greilach ist Maler, erfolglos, aber weder in seinem Schaffen noch anderweitig verstummt. Gemeinsam mit seiner Frau Natascha hat er sich vor vielen Jahren in eine Mühle am Rand eines Städtchens zurückgezogen. Beide warten seit Monaten auf die Ankunft des titelgebenden Doktoranden.
Doch dieser Florian ist von außen betrachtet alles andere als der ersehnte Heilsbringer, vielmehr ein etwas redefauler junger Mann in Kapuzenpulli, der alle fünf Minuten auf sein Smartphone blickt.
"Er fühlte", lesen wir einmal über den Maler, "wie die Gedanken mit der gleichen Schwerelosigkeit, mit der sie sich gerade noch seiner bemächtigt hatten, nun wieder seinem Kopf entglitten."
Diese Bewegung kann man als Leser direkt nachvollziehen. Der Maler und seine Frau interessieren sich nur für sich selbst, alles, was ihnen begegnet, wird in den eigenen Gedankenstrom eingespeist.
Dabei merken sie gar nicht, wie sehr sie die Impulse von außen benötigen und immerzu herbeisehnen. Den jungen Doktoranden zum Beispiel, der Natascha eine Abwechslung im Alltag des Mühlen- und Kleinstadtlebens bringen soll.

Vorurteile verdunkeln die Wahrnehmung

Günter wiederum erhofft sich von Florians Arbeit jene öffentliche Anerkennung als Künstler, die ihm vermutlich sein ganzes Leben lang versagt geblieben ist. Florian allerdings ist nur durch ein doppeltes Missverständnis zu den Greilachs gekommen. Es sei hier nicht verraten.
Im Gegensatz zu den Greilachs ist er nach außen gerichtet und hat gerade seine Erfüllung gefunden: Er engagiert sich in Berlin für Geflüchtete, ist begeistert davon, etwas für andere Menschen tun zu können.
Aus diesem mehrfachen Aneinandervorbeireden der Figuren gewinnt der Roman einen Großteil seiner komischen Energie. An manchen Stellen klingt es, als habe man Thomas Bernhard mit Loriot gekreuzt.
Trotzdem (oder gerade deswegen) hat das Buch auch seine ernste Schicht: Es erzählt etwas vom Verhältnis von Eigenem und Fremdem. Und es zeigt, wie sehr Vorurteile die Wahrnehmung verdunkeln können und was, andererseits, Empathie wäre.
Vielleicht hätte Jan Peter Bremer zwischen diesen beiden Sphären noch etwas genauer vermitteln können. Dennoch hört man seinen Figuren auch diesmal gerne zu.

Jan Peter Bremer: Der junge Doktorand
Berlin Verlag, Berlin 2019
174 Seiten, 20 Euro

Mehr zum Thema