"Es gibt keine kollektive Erinnerung"
Knapp 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hat Kanzlerin Merkel den Japanern zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit geraten. Doch viele Japaner sehen sich bis heute als Opfer, sagt die Japanologin Gesine Foljanty-Jost - trotz grausamer Kriegsverbrechen.
Massaker an Zivilisten wie im chinesischen Nanking, hunderttausende missbrauchte "Trostfrauen" in Kriegsbordellen: Japanische Soldaten haben sich im Zweiten Weltkrieg zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Wie geht das Land - knapp 70 Jahre nach Kriegsende - mit der eigenen Vergangenheit um? Bei ihrem Besuch in Tokio kam Bundeskanzlerin Angela Merkel auch auf dieses heikle Thema zu sprechen - und verwies dabei auf die Erfahrungen Deutschlands. Sie ermutigte Japan und China, gemeinsam die Last des Krieges zu überwinden. Dazu müsse das Land sich der eigenen Vergangenheit stellen und diese aufarbeiten.
"Aufarbeitung aus Opferperspektive"
Doch nach Ansicht der Japanologin Gesine Foljanty-Jost stehen die Chancen dafür nicht gut. Denn in Japan gebe es bis heute "keinen gesellschaftlichen Konsens" mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg. "Es gibt keine wie in Deutschland eindeutige Sprechweise, wie der Krieg und die von Japanern zu verantwortenden Verbrechen zu bewerten sind", sagte Foljanty-Jost im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. "Ein ganz großer Unterschied ist sicherlich, das Japan das Land ist, das anders als Deutschland zwei Atombombenabwürfe erleben musste. Das hat dazu geführt, dass die Aufarbeitung ganz ausgeprägt aus der Opferperspektive erfolgt ist."
Zwar gebe es eine ganze Reihe von Initiativen, die sich aktiv mit der Vergangenheit auseinandersetzten. "Aber anders als in Deutschland sind das zivilgesellschaftliche Initiativen, sie kommen nicht aus dem politischen Raum", sagte die Japanologin. Auch der Besuch der Kanzlerin werde daran vermutlich nicht viel ändern.