Japanischer Tempellauf

Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom hat sich auf einen der anspruchsvollsten Pilgerwege Japans begeben. Seine Eindrücke von der Saigoku-Wallfahrt beschreibt er mit subtiler Komik. Einzutauchen in die Magie der Orte vermag er aber nur selten.
Ein bisschen enttäuscht ist der Reisende schon. Immerhin hat Japans großer Dichter Basho hier sein berühmtestes Haiku verfasst:

"Ein uralter Teich
Ein Frosch springt hinein
Dann das Geräusch von Wasser"


Doch als Cees Nooteboom Teich und Tempel besucht, an denen das Gedicht entstand, findet er dort nichts Erhabenes. Statt Überwältigung empfindet er Ernüchterung und hadert: "Ist das wahr? Nächste Frage: Spielt es eine Rolle? Nein, es spielt keine Rolle. Natürlich ist dies der Teich."

Iwama-Dera unweit Kyotos ist der Schauplatz dieses inneren Kampfes. Es ist nicht der einzige Ort, an dem die Vorstellungen des niederländischen Autors mit der Wirklichkeit kollidieren. 33 Tempel hat Cees Nooteboom über Jahre hinweg besucht – unterwegs auf einem der anspruchsvollsten Pilgerwege Japans, der Saigoku-Wallfahrt. Er reiste mit Bus und Bahn, per Schiff und Auto und über weite Strecken zu Fuß; mal alleine, mal in Begleitung seiner Frau, der Fotografin Simone Sassen.

Ein Buch hat Nooteboom zum Pilgern gebracht
Neugier, die Empfehlung eines Freundes und vor allem ein Buch haben Cees Nooteboom zu dieser Pilgerreise veranlasst: "Die Geschichte vom Prinzen Genji". Den über 1000 Jahre alten Klassiker der japanischen Literaturgeschichte mit vielen Bezügen zu dem damals schon bestehenden Saigoku-Weg nimmt der Niederländer tatsächlich öfter zur Hand als aktuelle Reiseführer. Er selbst bezeichnet sich gar "als Reisender in einem Buch", und seine Wallfahrt führt ihn gleichermaßen zu den Stätten des Buddhismus wie zu den Helden der Literatur.

Dem Heiligen und Schöngeistigen gehen allerdings strapaziöse Anreisen voraus, die Nooteboom mit subtiler Komik beschreibt. Jede einzelne Bus- oder Bahnfahrt wird ihm – des Japanischen unkundig – zum Glücksspiel. Selten erreicht er ein Ziel auf Anhieb, die letzten Meter zu Fuß enden regelmäßig im Dickicht und Hinweisschilder führen treffsicher in die Irre.

Dennoch kommt der Pilger immer an. In jeweils einem eigenen Kapitel porträtiert Nooteboom die 33 Tempel. Wie beiläufig referiert er dabei über die Geschichte des Buddhismus, über Gelehrte und Mönche oder Kannon, die Göttin des Mitgefühls. Auch ungewöhnliche Zeremonien schildert der Autor: beispielsweise ein Gebet für die Seelenruhe der verlorenen Post.

Wirklich einzutauchen in die Magie der Orte, vermag Nooteboom allerdings nur selten. So treffend er das moderne, hektisch grelle Japan beschreibt, so distanziert blickt er auf die buddhistische Welt. Zu schnell eilt er weiter, zu wenig Raum bekommen die einzelnen Tempel.

Starke erzählerische Momente, wenig Tiefe
Die Literatur ist das Nooteboom vertrautere Gelände. Tatsächlich gelingen dem Autor starke erzählerische Momente, wenn er aus der Geschichte des Prinzen Genji zitiert, der Jahrhunderte zuvor am gleichen Ort wandelte. Dennoch hätte man sich auch hier mehr Tiefe und Kontext gewünscht.

So überwiegt nach der Lektüre ein zwiespältiges Gefühl, weil Nooteboom doch nur leise Ahnungen von Japans berühmter Wallfahrt und seinem großen mittelalterlichen Roman vermittelt. Gerne wüsste man mehr darüber - von eben diesem Autor.

Besprochen von Eva Hepper

Cees Nooteboom: Saigoku. Auf Japans Pilgerweg der 33 Tempel.
Mit Fotografien von Simone Sassen
Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen
Schirmer/Mosel Verlag, München 2013
180 Seiten, 39,80 Euro
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