Jaroslav Rudiš über Zugreisen

"Es geht um viel mehr, als von Hamburg nach Berlin zu kommen"

12:03 Minuten
Ein Zug fährt am Abend aus dem Heidelberger Hauptbahnhof aus.
Eine Liebeserklärung an das Eisenbahnwesen sei sein neues Buch, sagt Jaroslav Rudiš. © picture alliance / Daniel Kubirski
Moderation: Frank Meyer |
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Jaroslav Rudiš ist leidenschaftlicher Eisenbahnfan. Er fährt auch mal 40 Stunden am Stück durch Deutschland und trifft dabei Menschen, die alles über Bahntunnel oder -brücken wissen. Derlei Geschichten hat er in seinem neuen Buch versammelt.
Als Junge träumte Jaroslav Rudiš davon, Lokführer zu werden. Doch wegen seiner dicken Brille ging das nicht. So musste er sozusagen den zweitbesten Beruf nehmen – und ist Schriftsteller geworden. Nun hat er beides zusammengebracht und ein Buch geschrieben mit dem Titel "Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen".
"Ich komme tatsächlich aus einer Eisenbahnfamilie", sagt der tschechische Schriftsteller Rudiš, der auch auf Deutsch schreibt. Er habe eben nicht auf die Lokführerschule gedurft. "Und so musste ich ins Gymnasium, dann später Germanistik und Geschichte studieren." Die Leidenschaft für die Eisenbahn, die sei ihm aber geblieben.
"Ich fahre gerne Zug. Fast lebe ich im Zug. Und ich mag Bahnhöfe, Bahnhofskneipen. Ich mag auch die Leute, die Reisenden und natürlich auch die Eisenbahner." Er komme gerne mit den Leuten ins Gespräch, die erzählten dann Geschichten. Und die habe er versucht, in diesem Buch unterzubringen. "Es ist schon eine Liebeserklärung sozusagen an das tolle Eisenbahnwesen."
Auch in seinem Werk schlage sich seine Begeisterung nieder: "Durch mein ganzes Werk fahren Züge, U-Bahnen, Straßenbahnen."

Besonderer Zustand nach 20 bis 25 Stunden

Sein aktuelles Werk inspiriert und beeinflusst hätten die Schriftsteller Bohumil Hrabal und Franz Kafka, erzählt Rudiš. Von Hrabal beispielsweise habe er gelernt, das Lustige und das Tragische zu verbinden, im besten Fall zum Tragikomischen.
Als leidenschaftlicher Bahnfahrer fährt Rudiš nicht nur von A nach B, sondern auch aus Freude am Zugfahren einfach in der Gegend herum. In seinem Buch erzählt er beispielsweise von der 40-Stunden-Tour mit einem ebenso eisenbahnverrückten Freund durch Deutschland.
"Das war wirklich eine Herausforderung. Das waren auch zwei Nächte – nicht im Nachtzug." Sie seien nicht im ICE gefahren, sondern möglichst viel mit Regionalbahnen und Regionalexpresszügen. "Sie kommen nach so 20 oder 25 Stunden in einen besonderen Zustand. Sie wissen nicht, wo Sie sind, wer Sie sind, ob Sie jetzt in Hamburg sind oder in Wladiwostok oder in Palermo Centrale." Das sei super: "Dieses Land, also Deutschland, in der Nacht, am Tage, am Nachmittag, im Berufsverkehr zu sehen, zu entdecken und die Geschichten zu sammeln." Er mache solche Sachen gerne, sagt Rudiš. Zum Beispiel sei er auch 32 Stunden durch Italien gefahren.

Tunnelmenschen und Brückenmenschen

In seinem Buch stellt Jaroslav Rudiš auch andere sehr leidenschaftliche Bahnfans vor, die zum Beispiel alle europäischen Bahntunnel in- und auswendig kennen, inklusive aller Abmessungen. Oder die sich auf Eisenbahnbrücken spezialisiert haben.
"Ich bin ein Eisenbahnmensch", erklärt Rudiš. "Und tatsächlich gibt es besondere Gattungen: die Tunnelmenschen, Brückenmenschen, Bahndammmenschen, Schottermenschen und Bahnansagenmenschen – also, die eine gewisse Spezialisierung haben." Diese Leute seien oft auch bei der Eisenbahn angestellt. Er kenne viele von ihnen und teile diese Leidenschaft. Weil: "Es geht uns wirklich um vielmehr, als von Hamburg nach Berlin zu kommen." Sondern, es gehe darum, was man erlebe, wem man begegne. "Es geht auch um die Umwege."
Sein Buch erzähle auch "die ganze Kulturgeschichte, die mit der Eisenbahn zusammenhängt".
(abr)

Jaroslav Rudiš: "Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen"
Piper Verlag, München 2021
252 Seiten, 15 Euro

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