Jaroslav Rudiš zum Tod von Karel Gott

Politisch wider Willen

10:44 Minuten
Der Sänger Karel Gott trägt einen Anzug und singt vor Studenten der Universität in Prag, die einen Streik abhalten.
Protestmusik mit Krawatte: Im Jahr 1989 unterstützte Karel Gott einen Streik von Studenten in Prag mit seiner Stimme. © Picture Alliance / dpa / CTK Photo / Michal Krumphanzl
Moderation: Susanne Burkhardt |
Audio herunterladen
Der gestorbene tschechische Sänger Karel Gott füllte mit seinen Konzerten die Hallen auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Der Schriftsteller Jaroslav Rudiš gedenkt des Musikers, der sich nie als politisch begriff – und doch "politisch gemacht" wurde.
Sein größter Hit in Deutschland war ohne Zweifel "Biene Maja" – Karel Gott ist vielen auch wegen Liedern wie "Einmal um die ganze Welt" oder "Babicka" bekannt. Kaum jemand, der den tschechischen Künstler nicht kennt. Noch im Juli feierte er seinen 80. Geburtstag – am 1. Oktober starb Karel Gott an den Folgen einer schweren Erkrankung.

Vielfältiger Musiker

Der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš hatte zum 80. Geburtstag Gotts eine Würdigung verfasst. Der Sänger sei ein "unglaublich talentierter Musiker, Künstler und Sänger" gewesen, sagt Rudiš. Was er aber noch spannender findet, sei die Rolle Gotts als "Verbindungsperson zwischen Ost und West". So habe er auch in der Zeit, als Europa noch geteilt war, viele Fans auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gehabt. Doch auch in Tschechien sei er sehr bedeutend, denn es gebe kaum einen Tschechen, der es weltweit so weit gebracht habe.
Als Sänger sei Gott musikalisch sehr vielfältig gewesen, unterstreicht Rudiš. "Ich schätze vor allem die Hits aus der Zeit des Prager Frühlings. Das ist eine Art Soundtrack. Er hat auch Rock’n’Roll, Schlager und Pop gemacht. Man findet nicht viele, die sich in so vielen Feldern versuchen." Als Beispiel für Gotts musikalisches Talent fällt dem Schriftsteller beispielsweise das melancholische Lied "Oči má sněhem zaváté" ein.

Unterstützung für die Opposition

Karel Gott habe sich nie als politischer Mensch gesehen, so Rudiš, das habe er auch immer wieder betont. Er habe nur gute Laune und Stimmung verbreiten wollen. Trotzdem sei er zu einem politischen Menschen gemacht worden. Beispielsweise in dem er Anfang der 70er-Jahre eine "Liaison" mit der sozialistischen Regierung eingegangen sei. Damit verbunden seien auch einige Privilegien gewesen, etwa ins Ausland reisen zu können.
Im Gegenzug wurde der Sänger 1977 "zum Gesicht einer Antikampagne" zur bürgerlichen Bewegung "Charter 77" um den Schriftsteller Václav Havel. Er habe dies wahrscheinlich getan, um weiterhin singen zu können und Repressionen zu umgehen, vermutet Rudiš.
Bekannt sei aber auch, dass Gott Oppositionelle heimlich unterstützt habe, sagt Rudiš. Außerdem habe er ein Lied über Jan Palach gesungen, der sich 1968 aus Protest gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag selbst verbrannte.

Von Havel auf die Seite gezogen

In der Zeit der Wende 1989 trat Karel Gott schließlich mit dem im Exil lebenden Liedermacher Karel Kryl gemeinsam auf – und sang bei einer im Fernsehen übertragenen Protestkundgebung in Prag die tschechische Hymne. Dies sei auf eine Initiative von Havel zurückgegangen, der Gott auf die Seite der Bürgerbewegung holte – als Zeichen, dass das alte Regime verloren habe, sagt Rudiš. "Das war für mich einer der wichtigsten Momente seiner Karriere."
Rudiš betont, dass Karel Gotts Lieder ihn sein ganzen Leben lang begleiteten. Man könnte heute noch das Radio in Tschechien anschalten "und in 30 Minuten taucht ein Karel-Gott-Lied auf". Daher glaubten viele, dass der Sänger für immer dableiben würde, erläutert Rudiš.
(rzr)
Mehr zum Thema