Ex-"Pulp"-Sänger Jarvis Cocker ist zurück
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Nach elf Jahren ist der frühere "Pulp"-Sänger Jarvis Cocker mit einem neuen Album zurück. Unseren Kritiker Joachim Hentschel hat "Beyond the Pale" positiv überrascht - auch wegen Cockers Stärke, über Musik Geschichten zu erzählen.
Bekannt wurde Jarvis Cocker als Sänger, Songwriter und Kopf der Band "Pulp", die neben Blur, Oasis und Suede in den 1990er-Jahren die Britpop-Szene beherrschten. Nach dem Ende von Pulp machte Cocker allein weiter und veröffentlichte 2006 und 2009 Soloalben, bevor es musikalisch relativ still um ihn wurde.
Doch am Freitag erscheint nach elf Jahren Pause ein neues Album von ihm. "JARV IS: Beyond the Pale".
Großer Geschichtenerzähler
Kritiker Joachim Hentschel hat "Beyond the Pale" positiv überrascht. "Denn ich fand, ehrlich gesagt, die Soloplatten, die Jarvis Cocker gemacht hat, nicht so wahnsinnig aufregend", sagt er. "Das war eher konventioneller Rock, fast ein bisschen Berufsjugendlichentum."
Zuletzt hat sich Cocker in England eher auf anderen Gebieten als Kulturschaffender etabliert: So hat er Radioreportagen produziert, bei der BBC eine Radiosendung moderiert und mit dem Pianisten Chilly Gonzales ein "kunst-kammer-musikalisches Projekt" gemacht.
"Deshalb war ich ziemlich überrascht, dass er mit sechs anderen Musikern die Band 'JARV IS' gegründet hat", sagt Hentschel.
Die Geschichte des Menschen
Cockers Stärke, das Geschichtenerzählen, komme auch hier zum Tragen, zum Beispiel im Song "Must I Evolve":
"Das ist tatsächlich etwas märchenhafter als die Stories, die er früher erzählt hat. Es geht um ein Paar, das im Zeitraffer das Auf und Ab einer Liebesbeziehung erlebt", so Hentschel. "Das wird als Parallele zur Evolution des Homo sapiens erzählt. Klingt ein bisschen absurd, aber ist genau deshalb interessant. Das Lustige dabei: Der Song wurde tatsächlich zu großen Teilen in einer Höhle aufgenommen."
Diese Live-Aufnahmen bildeten einen großen Teil der Platte, erklärt Hentschel. Der Song "House Music All Night Long" hingegen sei ein Stück weit prophetisch. Es geht es um eine Party, die zu Hause gefeiert wird. Das Album war aber lange vor der Coronapandemie fertig.
Cocker habe sich längst von seinen Popjahren emanzipiert, sagt Hentschel. Auf dem neuen Album dominierten eher düstere Themen: In Andeutungen gehe es um Klimawandel, Zukunftsangst, um den Verlust des Heiligen oder um Vereinsamung.
Die Welt besser machen
Aber erstaunlicherweise sei das eine Stärke der Platte. Denn Cocker sei immer am stärksten im Zwielicht, bei den leicht düsteren Geschichten wie auch schon bei Pulp.
Musikalisch sei das Album ziemlich seltsamer Kunstpop, sehr keyboardlastig und im mittleren Tempo, eher im britischen Progressive Rock verwurzelt und nichts zum Tanzen oder Mitsingen. Mit den alten Britpophymnen habe es nichts mehr zu tun.
Cocker beschwöre den Wert der menschlichen Kultur, der Kunst, der Musik und der Literatur, in dem er einen großen Bogen spanne von der Höhlenmalerei bis zur House Music und noch weiter. Denn: Mit seiner Musik wolle er die Welt besser machen, sagt Jarvis Cocker.