Jazz-Legende Klaus Doldinger

"Ich hatte öfters blutende Lippen"

Der Jazzmusiker Klaus Doldinger am 25.02.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).
"Doldinger": Seinen 80. Geburtstag feiert Klaus Doldinger mit seinem 35. Album. © picture alliance / Maja Hitij
Klaus Doldinger im Gespräch mit Matthias Wegner |
Bald feiert er seinen 80. Geburtstag: Wir sprechen mit Jazz-Legende Klaus Doldinger über sein Lebenswerk und sein Geburtstagsalbum "Doldinger", das er mit seiner Band Passport und vielen namhaften Gästen und Wegbegleitern aufgenommen hat.
Einfach nur "Doldinger" hat Klaus Doldinger sein neues, insgesamt 35. Album genannt, das vergangenen Freitag erschienen ist. Eine klingende Rückschau bekannter Doldinger-Stücke, die er im Januar 2016 mit seinen aktuellen Bands Passport und Passport Classics neu aufgenommen hat. Eingeladen waren zu den Studiosessions auch Gäste und Weggefährten wie Helge Schneider, Udo Lindenberg oder Nils Landgren, aber auch Sasha, Max Mutzke oder Dominic Miller. Der große Aufwand hat auch seinen Grund: Am 12. Mai feiert er, der schon mal als der "erfolgreichste Jazzmusiker des Landes" (Jazz thing) bezeichnet wird, seinen 80. Geburtstag.
Matthias Wegner hat den Jubilar getroffen, um mit ihm unter anderem über das neue Album und das Geheimnis seines anhaltenden Erfolges zu sprechen.

Ein Auszug des Interviews im Wortlaut:
Matthias Wegner: Herr Doldinger, Sie haben ein neues Album vorgelegt, auf dem Sie zum großen Teil ältere Stücke von sich überarbeitet haben und neu interpretieren. War das auf gewisse Art und Weise überfällig?
Klaus Doldinger: Nein, das haben wir ja schon öfters gemacht. Nun war nur die Schwierigkeit hier, dass ich ja, was weiß ich, circa 350 Stücke für Passport allein schon komponiert habe, und vor allen Dingen habe ich auch mal überlegt, was würde der Band am meisten Spaß machen, welche Stücke zu spielen? Und damit ist dann diese Wahl zustande gekommen, und im Studio haben wir natürlich mehr aufgenommen, als auf der Platte zu hören ist. Ich habe dann die Stücke gewählt, wo die Spielfreude meines Erachtens noch am meisten spürbar wurde, was zwar eigentlich bei allen Stücken letztlich dann doch der Fall war, aber bei diesen Stücken ganz besonders, und am Ende war die Auswahl gar nicht schwierig. Wir haben drei Tage in der Besetzung der 70er-Jahre gespielt, also classic Passport mit Curt Cress, Wolfgang Schmid und dem Roberto di Gioia, und dann haben wir drei Tage lang aufgenommen mit der Passport-today-Besetzung und eben die Gäste. Wobei ich sagen muss, es gibt immer wieder Veranstalter, die wollen uns als instrumentale Gruppe natürlich gerne featuren, aber wünschen sich schon mal das eine oder andere Liedchen auch. Dann kommt man natürlich dazu, dass man sich Gäste einlädt, und diese Gäste habe ich jetzt hierbei berücksichtigt, die gelegentlich dabei sind. Unterm Strich waren es natürlich viel mehr Gäste im Laufe der Jahre, aber dann hätten wir eigentlich gleich ein Dreieralbum machen müssen.
Wegner: Über Helge Schneider haben wir schon kurz geredet, über einige andere Gäste reden wir vielleicht gleich noch. Was mich mal interessieren würde, Sie haben mit Passport jetzt mittlerweile schon 45 Jahre auf dem Buckel – diese Formation gibt es ja tatsächlich schon seit 1971 –, was ist das Geheimnis von dieser Band, warum existiert die tatsächlich noch immer, während sich ja viele, viele andere Bands schon lange aufgelöst haben aus der Zeit?

"Wir haben den Bogen nie überspannt"

Doldinger: Na ja, ich muss sagen, wir haben den Bogen nie überspannt. Man hört natürlich immer wieder von Popgruppen, die ohne Ende auf Tour sind und dann völlig entnervt irgendwann mal hinschmeißen. Ich habe mir das eigentlich immer so gehalten, dass wir gut damit leben können. Wir haben im Jahr manchmal natürlich auch bis 60, 70 Veranstaltungen gespielt, aber heute ist es eher so bei 30, 40 Veranstaltungen. Das reicht auch völlig. Wenn man viele andere Dinge nebenbei noch machen kann, ist es sogar eher ganz gut dazu angetan, dass die Spielfreude auch erhalten bleibt und man das nicht so als Last empfindet.
Wegner: Sie werden in Kürze 80 Jahre alt, da kann man ja schon mal so ein bisschen zurückblicken. Sie spielen noch immer sehr kraftvoll auf jeden Fall, sehr vital – wie halten Sie sich eigentlich fit?
Doldinger: Wenn ich das mal wüsste! Ich bin nun nicht gerade der Inbegriff des gesunden Menschen. Ich würde sagen, bei mir entscheidend war natürlich eine relativ geradlinige Ausrichtung. Ich bin geborener Stier und habe vielleicht deswegen im Erbgut schon einiges, was mir dazu verholfen hat, eine positive Lebenseinstellung zu haben, dann aber auch meine Frau, die ich schon Mitte der 50er-Jahre kennenlernte – über die Musik natürlich –, 1960 haben wir geheiratet, und dass wir eben ein ausgeglichenes, glückliches Familienleben hatten. Das klingt natürlich so ganz leicht, weil man das mit wenigen Worten umschreiben kann, aber dass dahinter natürlich auch eine Menge an Investition, sagen wir mal, an gutem Willen und positiver Lebenseinstellung, die eben auch nicht aus dem Nichts heraus entsteht, sondern woran man natürlich arbeitet. Also das ist so leicht mit wenigen Worten natürlich zu umschreiben. Die Geschichte an sich wäre vielleicht sogar abendfüllend.
Wegner: Sie haben einen sehr persönlichen Sound auf Ihrem Instrument, also auch mit Ihren Bands, aber vor allem auch auf Ihrem Instrument. Schon nach wenigen Tönen kann man Sie sehr schnell identifizieren. Wie schwer war es dann, diesen persönlichen Sound zu entwickeln oder war der einfach da?

"Ich bin atmungstechnisch nicht der ganz große Weltmeister"

Doldinger: Na ja, da würde ich mal sagen, die frühe Erfahrung, Musiker, andere Kollegen dann live zu erleben und mit welcher Hingabe die da musizieren, das hat bei mir natürlich auch Spuren hinterlassen, aber auch dann die eigene innere Substanz, die einen dazu befähigt, dann auch das auf sich zu nehmen. Sagen wir mal, ein Instrument wie Saxophon zu spielen ist nicht ganz leicht, also es erfordert gewisse physische Hingabe und, sagen wir mal, die frühen Jahre, werde ich nie vergessen, dass ich da öfters blutende Lippen hatte. Dann bin ich auch nicht atmungstechnisch der ganz große Weltmeister, sondern war sehr oft erkältet. Das gipfelte dann 1981 in einer sehr schweren Lungenentzündung, die mich fast das Leben gekostet hätte, aber in einem Jahr, wo ich so viel gearbeitet hatte, dass ich keinen einzigen Tag im Bett verbleiben durfte.
Wegner: Auf dem neuen Album und auch bei dem Geburtstagskonzert ist auch der Sänger und frühere Schlagzeuger Udo Lindenberg mit dabei. Der hat ja ganz früh mit Ihnen zusammen gespielt, und seitdem sind ja viele Jahre vergangen. Gab es denn eigentlich über die Jahrzehnte, kann man ja sagen, Austausch, Kontakt immer zu Udo, oder wie kann man Ihr Verhältnis beschreiben?

"Udo hatte immer so einen emotionalen Kick drauf"

Doldinger: Na ja, der Udo ist natürlich ein ganz besonderer Typ, der sehr herausragt natürlich aus dem Riesengremium von anderen Leuten, mit denen ich im Laufe der Jahre musiziert habe. Udo war im Grunde genommen zunächst mal ein ganz einfacher Junge, der kam aus Gronau und trommelte hervorragend. Dann habe ich ihn mal singen gehört so einfach zum Spaß, dann haben wir auch auf diesem "Motherhood"-Album ja auch mal Vokalnummern aufgenommen, eine haben wir oder zwei sogar zusammen geschrieben, und mir hat das gut gefallen. Der Udo hatte immer so einen emotionalen Kick drauf, der also abstrakt, mir irrational gelegentlich auch vorkam und der mir so Spaß gemacht hat, irgendwie so eine Leichtigkeit von der Seele her, die man bei vielen anderen Menschen so nicht vorfindet. Na gut, da hatte er mir eben als Typ sehr zugesagt, und dann seine Art zu trommeln war auch einzigartig. Dass er diesen Weg gehen würde, wie er ihn später gegangen ist, hätte ich natürlich nicht vorausahnen können.
Ich hätte natürlich gesagt, ja, Junge, mach das so, mach das so, aber dazu ist es dann gar nicht gekommen. Er stieg dann aus, und dann haben wir mehr oder minder auch Kontakt verloren miteinander, aber so ein paar Jahre später haben wir uns natürlich dann wiedergetroffen, und dann mussten wir beide feststellen, dass wir uns nach wie vor eigentlich sehr zugetan sind. Das ist so eine emotionale Sache, die man mit Worten eigentlich kaum umschreiben kann. Dass sich das dann bis heute gehalten hat, das ist wunderbar und ist eigentlich wahrscheinlich seiner und meiner inneren Befindlichkeit zu verdanken, dass man – er ist ja nun auch Stier, wird ja jetzt 70 am 17. Mai, also werde am 12. Mai nun mal 80 –, das sind sicherlich Umstände, die dazu beigetragen haben, dass wir uns eigentlich lebenslang gut verstanden haben.
Wegner: Klaus Doldinger, vielen Dank für das Gespräch! Alles, alles Gute für Sie!
Doldinger: Danke, gleichfalls! Auch alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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