Jazz-Musikerin Rhoda Scott

Die Lady an der Hammondorgel

Rhoda Scott, Auftritt in Wien
An der Orgel gibt Rhoda Scott alles (hier bei einem Auftritt in Wien). © picture alliance / dpa /Juste Philippe
Von Martina Zimmermann |
Die Amerikanerin und Wahl-Französin Rhoda Scott ist eine der wichtigsten Organistinnen, die es je im Jazz gegeben hat. Bis heute ist die 78-Jährige aktiv und hat mit ihrer Frauen-Band – übrigens eine Ausnahmeerscheinung in der Jazz-Szene - gerade ein neues Album veröffentlicht.
Rhoda Scott legt einfach los... und ihre Musik groovt. Großzügig lässt sie ihren Musikerinnen vom Lady Quartett Raum, für Soli wie für deren Eigenkompositionen. Die Stimmung ist enthusiastisch, die Atmosphäre ist von fröhlicher Spiritualität. Vielleicht liegt es daran, dass Rhoda Scott schon mit sieben die Orgel in der Kirche ihres Vaters in New Jersey spielte. Gospel, Blues, Klassik oder Jazz - sie ist in allen Genres zuhause.

"Meine Eltern lieben Musik. Wenn Leute in der Kirche meinten, Jazz sei Teufelsmusik, so war mein Vater der Ansicht, dass alles was ich spielte, wundervoll war. Er sagte immer, wenn meine Tochter immer in meiner Kirche spielen könnte, wäre meine Kirche immer voll. Aber er wusste, ich musste arbeiten und Geld verdienen in den Bars. Wenn ich dort spielte, musste ich Aufmerksamkeit erregen, sonst sitzen die Kunden da und schlafen ein. Der Besitzer der Bar sagte: Ich mag gerne wenn du hier auftrittst, denn dann trinken sie besonders viel."

Ausbildung in Paris bei Nadia Boulanger

An der Hamondorgel wurde die hervorragende Musikerin zur Legende. Ihre klassische Ausbildung brachte sie in den 1960er Jahren nach Frankreich zu Nadia Boulanger, die in den USA berühmt war, seit Bernstein, Copeland oder John Cage bei der Französin studiert hatten. 1969 ließ sich Rhoda Scott dann endgültig in Frankreich nieder:
"Ich traf jemanden, der mein Ehemann wurde: Der singende Kellner, Raoul Saint-Yves. Er erklärte mir vieles in Paris und er gab mir auch viele Ratschläge für meine Karriere. Vorher spielte ich irgendwo, um Geld zu verdienen und auf die Schule zu gehen. Ich wollte eigentlich mal unterrichten. Doch dann sagte ich mir, unterrichten kann ich auch noch mit 60. Heute habe ich die Gelegenheit vor einem breiten Publikum zu spielen, komme im Radio und im Fernsehen. So entschied ich, mich von dieser Strömung treiben zu lassen."

In Frankreichs Jazzszene sind Frauen selten

Nur fünf Prozent der Instrumentalisten im Jazz sind in Frankreich Frauen, lange Zeit war Rhoda Scott fast die Einzige. Aber weil sie auch Stevie Wonder spielte oder Bernsteins "West Side Story", wurde sie in der Pariser Jazz-Szene lange nicht anerkannt. Erst 2011 fand sie Eingang ins "Wörterbuch des Jazz":
"Ich spielte ‚Hello Dolly‘. Louis Armstrong sang ‚Hello Dolly‘. Aber wenn ich es spielte, war es kein Jazz. Ich verstand das nicht und suchte lange nach meinem Stil. Bis ich mir sagte, ich spiele, was ich will und kümmere mich nicht darum, was es ist. Aber wenn du heute die Programme der Jazzfestivals anschaust, siehst du da jede Art von Musik. Jazz ist heute viel freier, was das Repertoire angeht."
Vielleicht war ja auch Neid dabei. Trotz aller Kritik seitens der männlichen Musiker und Spezialisten war Rhoda Scott berühmt und spielte mit Ray Charles, George Benson, Ella Fitzgerald und Kenny Clarke.

"Die meisten Musiker waren in mich verliebt"

"Die meisten Musiker waren in mich verliebt. Manche sagten es, andere nicht. 20 Jahre später sagten die dann, ich war so in dich verliebt, als wir miteinander gespielt haben. Und ich wusste das nicht einmal!"
Immer noch setzt sich die Künstlerin mit den geflochtenen Zöpfchen barfuß an die Orgel. So hat sie in der Kirche angefangen, um die Holzpedale nicht abzunutzen. Und so fühlt sie sich bis heute wohl:
"Ich spielte mein Leben lang die Hammondorgel, die Hammond B3. Es war die erste Orgel, die ich in meines Vaters Kirche sah und es ist genau dieselbe, die ich heute noch spiele. Ich habe eine Vintage Orgel, die 1965 gebaut wurde. Nun spielt darauf eine Vintage-Person!"
Auch wenn sie bald 79 Jahre alt wird und viel erlebt hat: Memoiren will sie nicht schreiben.
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