"Trumps Sieg brach mir das Herz"
Nach der politischen Niederlage 2016 hat die New Yorker Jazz-Sängerin Indra Rios-Moore wieder Hoffnung geschöpft: "Schwarze Menschen haben schon viel Schlimmeres erlebt." Ihr neues Album heißt "Carry my heart" und sucht nach positiven Gefühlen in einem düsteren Kontext.
Andreas Müller: Musik von Indra Rias Moore, aus ihrer neuen Platte "Carry my heart" und jetzt ist sie hier bei mir im Studio. Hallo und willkommen zur Sendung!
Indra Rios-Moore: Hallo! Danke, dass ich hier sein darf!
Andreas Müller: In den Infos zur Platte und auch in den Liner Notes beschreiben Sie den Schock am Tag nach der US-Wahl, das ist so zwischen Agonie und Lähmung. Das hat das Repertoire auf Ihrem neuen Album offenbar sehr beeinflusst. Können Sie uns nochmal erklären inwiefern?
Indra Rios-Moore: Normalerweise bin ich kein großer Stratege, wenn es um Musik geht, ich tue, was mir natürlich erscheint. Bei meinem Album "Heartland" wählte ich auch Songs, die mir so durch den Kopf gingen, Songs, die mir helfen würden, durch den Tag zu kommen. In diesem Fall war es in etwa ähnlich: Als ich den Plan hatte, dieses Up-Tempo-Album zu machen, das mehr werden sollte wie "Little black train" aus dem letzten Album, war ich viel stärker von anderen Themen angezogen, die für mich eine aufbauende Message hatten und zu den unterbewussten Gedanken passten, die ich hatte.
Überraschende Auswahl
Diese Gedanken formten dann irgendwie einen Bogen, der mir erst bewusst wurde, als ich alle Songs aufgelistet hatte. Und es gab ein paar Songs, die ich sehr bewusst ausgewählt hatte, bei denen ich dachte: "Das könnte nicht rechtzeitiger kommen." Songs wie "Any major Dude" von Steely Dan, "Keep on pushing" von Curtis Mayfield und merkwürdigerweise der Songs "Be mine" von Robyn, ein Song den ich schon sehr lange liebe, aber ich fing an, ihn anders zu singen, also an einen schlechten Partner oder auch an "Uncle Sam", also wie es wäre, wenn dein Land ein echt schlechter Freund wäre.
Andreas Müller: Ehrlich gesagt hat mich die Auswahl dann aber doch überrascht, auch der Ton dieser Platte, ich hatte eher Aggression und Kampfansagen erwartet. Insbesondere wenn ich an den New Yorker Jazz der frühen 60er Jahre denke, in dem Ihr Vater ja auch als Bassist eine Rolle spielte, also ich denke an Archie Shepp, New York Contemporary Five und andere – und dann kommt sowas dabei raus.
Indra Rios-Moore: Ich versuchte eine Herangehensweise, die man eher bei Spirituellen finden würde. Denkt man daran, was schwarze Amerikaner in den Vereinigten Staaten durchleiden mussten und was dann die Bürgerrechtsbewegung inspiriert hat, besonders wie bei Curtis Mayfields' Liedern wie "People get Ready" oder "Keep on pushing". Es geht um die Hoffnung, die nach der Niederlage kommt. Die Sklaven hatte keine andere Wahl, als die Hoffnung am Leben zu halten. Das war das, woran sie sich festhielten, und ich bin definitiv davon beeinflusst. Also einen Song als eine Geschichte über seine Emotionen in Bezug auf den Kontext, in dem man sich gerade befindet. Und wie komme ich aus dieser Situation, aus diesem Kontext wieder heraus. Für mich ist das Liebe, Musik, Positivität, Freundlichkeit und sich an all diese guten Sachen zu erinnern, die dich umfassen.
"Musik ist für viele Menschen Verbundenheit"
Diese guten Sachen sind immer noch präsent, auch inmitten etwas sehr Düsterem. Ich meine, wir sind gerade in einer sehr düsteren Zeit in den Vereinigten Staaten. Aber Musik ist für viele Menschen Verbundenheit und Hoffnung. Aggressive Musik hat auf jeden Fall seinen Platz, ich selbst höre auch viel davon – einer meiner Lieblingssongs ist PJ Harvey's "Rid of me", das ist die Musik, die ich höre, wenn ich extrem wütend bin. Aber mit meiner Stimme – ich kann so viel up tempo singen wie ich will – aber unter der Dusche singe ich Balladen, das ist, wie ich meine Emotionen ausdrücke.
Andreas Müller: Das führt mich gedanklich zurück in bestimmte Zeiten, es gibt ja diesen Spruch von den Blues-Sängern "Lachen um nicht weinen zu müssen" und in den Liner Notes beschreiben Sie, wie Sie am Abend nach der Wahl beim Dinner sind, und das Wetter ist schlecht, und sie sind sehr schlecht gelaunt und traurig und kommen raus und dann kommt ein Mann an und nimmt sie und sagt "Hey don't look so sad sweetheart" – wir haben schon schlimmere Sachen erlebt. Das nehmen Sie als positive Energie. Ich fand das unglaublich traurig.
"Ich war nicht unbedingt überrascht"
Indra Rios-Moore: Aber schwarze Menschen haben schon viel Schlimmeres erlebt, und komischerweise war ich nicht unbedingt überrascht, dass Trump gewonnen hat. Eine der klügsten Menschen, die ich kenne, ist diese gebildete Journalistin, die für "The Nation" arbeitet und – am Tag vor der Wahl war ich in New York und ich fuhr nach Hause, um abstimmen zu gehen – sie sagte mir "Indra, sie muss gewinnen" und ich sagte "Esther, sie wird nicht gewinnen" sie meinte dann, wie ich so etwas sagen könnte und ich meinte: "Wir haben sooo viel Dreck unter den Teppich gekehrt und wir haben unsere Arbeit nicht getan."
In Connecticut habe ich viele Trump-Plakate gesehen. Da war mir klar, dass er den Wind im Rücken hat, also war ich nicht unbedingt überrascht, aber es hat mir das Herz gebrochen. Und als ich diesen Mann vor dem Restaurant traf, weinte ich, weil er ein älterer schwarzer Mann war, der mir sagte "ich habe Schlimmeres als das erlebt" und er hat Recht. Was wir jetzt sehen, die Politisierung und Generalisierung, war schon lange eine Unterströmung.
"Ich werde immer eine Amerikanerin sein"
Andreas Müller: Indra Rios-Moore ist hier zu Gast, wir wollen eigentlich über ihr Album sprechen – "Carry My Heart" – aber wir sprechen eigentlich über den Hallraum dahinter, und ich glaube es hat auch sehr viel damit zu tun, was auf dieser Platte zu hören ist. Sie sind ja zwischen den Kontinenten gewandelt, haben mehrere Jahre in Dänemark gelebt, dann wieder drei Jahre in den USA und seit September vergangenen Jahres sind Sie in Barcelona. Fühlen Sie sich irgendwie heimatlos, sind Sie vielleicht auch ganz froh, gerade nicht in den USA leben zu müssen, oder hat das ganz andere Gründe?
Indra Rios-Moore: Sie sprechen da einen Gedanken an, den ich schon eine Weile habe. Wo ist meine Heimat eigentlich? Und für mich ist meine Heimat dort, wo meine Familie ist und ich nehme meine Familie überall hin mit. Also ich fühle mich ein Stück weit wie ein Weltbürger, aber ich werde immer eine Amerikanerin sein und ich werde auch immer eine New Yorkerin sein, das ist, was ich bin. Und New York ist wirklich ein besonderer, anderer Ort. Ich komme aus einer multikulturellen Heimat, daher kann ich mit sehr verschiedenen Leuten klarkommen, und ich habe nicht diese Vorurteile, die viele Menschen haben.