Jazzmusiker und Cartoonzeichner
Volker Kriegel, im Juni 2003 gestorben, begeisterte nicht nur als Jazzmusiker, sondern brillierte auch als Zeichner und fesselte als Erzähler. Seine Zeichnungen sind neben denen des Cartoonisten papan im Wilhelm-Busch-Museum Hannover zu sehen.
Nein, er war kein Jazz-Musiker, der nebenher noch zeichnete, er brachte es vielmehr in beiden Disziplinen zur Virtuosität und wurde so von den Musen geradezu verwöhnt. Streng genommen präsentierte er sich sogar als Dreifachbegabung, denn er glänzte auch als Erzähler.
In den frühen Achtzigern fabulierte er z.B. über einen König, der den Rock ’n Roll über alles liebt, aber kein rechtes Gefühl für den Rhythmus hat. An der Gitarre gerät ihm die Pause zwischen "I can’t get no” und "satisfaction” viel zu lang. Aber ein guter Musiker wird aus dem König doch noch, und nach einem umjubelten Konzert ruft er sogar die Republik aus. Kriegels Illustrationen zur eigenen Geschichte hängen jetzt im Wilhelm-Busch-Museum.
Einst hatte er bei Adorno und Habermas Soziologie studiert und sich dann mit Cartoons Geld verdient, noch bevor er als Musiker Karriere machte und zum Mitbegründer des United Jazz- und Rockensembles wurde. Bei einem Besuch in Hannover beschrieb er einmal das Zusammenspiel seiner Talente:
"Diesen Gegensatz zwischen der stillen einsamen Tätigkeit und dem lauten Musizieren vor vielen Leuten habe ich immer als angenehm gefunden, nämlich als eine Art Ergänzung. Deshalb war es immer sehr schön, nach einer ausgedehnten Tournee nach Hause zu kommen und mit der Zeichnerei den inneren Frieden zu finden."
Weder Jazzmusiker noch Cartoonzeichner hätten einen festen Platz im öffentlichen Kulturbetrieb, so klagte Kriegel, sie bewegten sich zwischen den Stühlen von U- und E-Kunst.
Mit humorvollen Zeichnungen, bissigen Porträts von Dichtern und Philosophen, mit Buchumschlägen und anderen Illustrationen wurde er bekannt. Für den Haffmans-Verlag erfand er den Raben als Hauspatron und sein Hunderatgeber wurde sogar in andere Sprachen übersetzt. Kriegel rechnete sich selbst zum "Dunstkreis” der Neuen Frankfurter Schule:
"Was meine Zeichnungen angeht, so unterscheiden sie sich von den Werken dieser Gruppe dadurch, dass bei mir vielleicht dieses satirisch-zeitkritische Element fehlt. Ich mache komische Zeichnungen, die sich in einem ironisch-poetischen Bereich bewegen, aber sie sind nicht auf politische Ereignisse, auf den Zeitgeist oder irgendwelche Trends bezogen."
Im Mittelpunkt der hannoverschen Schau stehen die Bilderbücher Kriegels, die erst in seinen letzten Lebensjahren erschienen. So machte er 1999 das junge Publikum mit Olaf dem Elch bekannt, dessen Geweih an einem Baum entzweigeht. Aber mit der abgebrochenen Schaufel kann das Vieh immerhin paddeln, fischen, Ski laufen und Federball spielen. Und der Weihnachtsmann mit nur einem Auge wird zu Olafs bestem Freund.
Kriegel schickte die beiden dann auf weitere Abenteuer und schuf 2002 noch eine andere skurrile Figur: Erwin, den musikalischen Nasenbären, der sein langes Riechorgan als Tröte nutzt und von einem Tierstimmenforscher für Konzerte entdeckt wird.
All diese Bilderbuchzeichnungen prägt der famose Strich Kriegels: klare Umrisslinien, locker und prägnant sind die Szenen dargestellt. Dazu kommen wunderbare Aquarellfarben. Gisela Vetter-Liebenow vom Wilhelm-Busch-Museum:
"Auch in dem Zeichner steckt sehr viel von dem Musiker, der nach dem Wohlklang sucht, der die Feder zu dem perfektionsreichen Instrument machen will, das er sich vorstellt. Er will die schönsten Klänge zaubern, und auch in seinen Worten genießt er es, alles auszuschöpfen, was Sprache kann."
Ein paar Entwürfe für Bücher z.B. von Julian Barnes stoßen in der Schau die Tür doch noch ein wenig weiter auf und lassen den Blick über das Bilderbuch-Universum hinausgehen. Gern hätte man - wie bei der Übersichtsausstellung Kriegels vor sieben Jahren an dieser Stelle - noch andere Facetten aus seinem Kosmos gesehen. Aber das kann ja wieder kommen, denn das Museum hat, mitfinanziert durch Bundesmittel, den Nachlass des Künstlers mit rund 700 Werken erworben.
Wer nach dieser Kriegel-Hommage in die erste Etage steigt, trifft auf die eindrucksvolle Ausstellung papans, der in Deutschland schon zu den Klassikern des Illustrierten - Cartoons zählt. Populär wurde er durch seine Bildergeschichten "Der undressierte Mann” im "Stern”, doch längst arbeitet er für sehr unterschiedliche Zeitschriften und legt seine Witzbilder in knallbunten Tönen an. Seine immer etwas ungelenk wirkenden Zeichnungen mit den breiten Figuren und den kalauerhaften Pointen sind zur unverwechselbaren Handschrift geworden.
So beklagen sich Touristen auf dem berühmten Turm in Pisa, dass an diesem Tage wirklich alles schief gehe. Eine Frau denkt, Männer gebe es wie Sand am Meer, und tatsächlich: um sie herum wachsen Köpfe auf dem Strand. Und ein Schornsteinfeger versichert den Menschen in den umliegenden Häusern, auch ihm gehe es dreckig.
Künstler wie papan arbeiten in einem anstrengenden Gewerbe: immer wieder müssen sie den Illustrierten Futter geben, Redewendungen bildlich umsetzen und bizarre Figuren zu Papier bringen. Da kann die Arbeit zur Routine werden, auf Kosten der Ideen.
Papan: "Auf Ideen komme ich in jedem Fall, weil ich permanent neugierig bin, etwas entdecke und beschreiben mag, aus Lust. Was aber stimmt: das Abenteuer fällt mittlerweile weg. Ganz am Anfang - ich habe das Zeichnen ja nicht gelernt - war es abenteuerlich, überhaupt eine Zeichnung hinzukriegen. Jetzt wird es zur Routine. Und aus der Langeweile heraus fertige ich jetzt lieber Objekte: Holzfiguren, wie sie hier an der Decke schweben oder bemalte Steine."
Papan sucht nach neuen Spielräumen. Demnächst will er eine eigene Galerie eröffnen, um mit seinem Publikum direkt ins Gespräch kommen. Besonders gern schreibt er inzwischen Prosageschichten, die er von Kollegen illustrieren lässt.
"Auch ein Theaterstück würde ich gerne schreiben. Einen Roman lieber nicht - das halte ich nicht durch."
So ist auch papan eine Mehrfachbegabung. Seine Ausstellung und die Cartoons von Volker Kriegel - zwei künstlerisch höchst unterschiedliche Welten unter einem Dach.
Service:
Die Ausstellung von Volker Kriegel heißt: "Olaf, Erwin und Freunde". Das Wilhelm-Busch-Museum hat kürzlich den Nachlass 2003 gestorbenen Künstlers erworben. Die Schau von Papan (Kürzel für Manfred von Papen) heißt: "Ich brauche Erotik, Geld und andere Illusionen!". Beide sind bis zum 5. März im Wilhelm-Busch-Museum Hannover zu sehen.
In den frühen Achtzigern fabulierte er z.B. über einen König, der den Rock ’n Roll über alles liebt, aber kein rechtes Gefühl für den Rhythmus hat. An der Gitarre gerät ihm die Pause zwischen "I can’t get no” und "satisfaction” viel zu lang. Aber ein guter Musiker wird aus dem König doch noch, und nach einem umjubelten Konzert ruft er sogar die Republik aus. Kriegels Illustrationen zur eigenen Geschichte hängen jetzt im Wilhelm-Busch-Museum.
Einst hatte er bei Adorno und Habermas Soziologie studiert und sich dann mit Cartoons Geld verdient, noch bevor er als Musiker Karriere machte und zum Mitbegründer des United Jazz- und Rockensembles wurde. Bei einem Besuch in Hannover beschrieb er einmal das Zusammenspiel seiner Talente:
"Diesen Gegensatz zwischen der stillen einsamen Tätigkeit und dem lauten Musizieren vor vielen Leuten habe ich immer als angenehm gefunden, nämlich als eine Art Ergänzung. Deshalb war es immer sehr schön, nach einer ausgedehnten Tournee nach Hause zu kommen und mit der Zeichnerei den inneren Frieden zu finden."
Weder Jazzmusiker noch Cartoonzeichner hätten einen festen Platz im öffentlichen Kulturbetrieb, so klagte Kriegel, sie bewegten sich zwischen den Stühlen von U- und E-Kunst.
Mit humorvollen Zeichnungen, bissigen Porträts von Dichtern und Philosophen, mit Buchumschlägen und anderen Illustrationen wurde er bekannt. Für den Haffmans-Verlag erfand er den Raben als Hauspatron und sein Hunderatgeber wurde sogar in andere Sprachen übersetzt. Kriegel rechnete sich selbst zum "Dunstkreis” der Neuen Frankfurter Schule:
"Was meine Zeichnungen angeht, so unterscheiden sie sich von den Werken dieser Gruppe dadurch, dass bei mir vielleicht dieses satirisch-zeitkritische Element fehlt. Ich mache komische Zeichnungen, die sich in einem ironisch-poetischen Bereich bewegen, aber sie sind nicht auf politische Ereignisse, auf den Zeitgeist oder irgendwelche Trends bezogen."
Im Mittelpunkt der hannoverschen Schau stehen die Bilderbücher Kriegels, die erst in seinen letzten Lebensjahren erschienen. So machte er 1999 das junge Publikum mit Olaf dem Elch bekannt, dessen Geweih an einem Baum entzweigeht. Aber mit der abgebrochenen Schaufel kann das Vieh immerhin paddeln, fischen, Ski laufen und Federball spielen. Und der Weihnachtsmann mit nur einem Auge wird zu Olafs bestem Freund.
Kriegel schickte die beiden dann auf weitere Abenteuer und schuf 2002 noch eine andere skurrile Figur: Erwin, den musikalischen Nasenbären, der sein langes Riechorgan als Tröte nutzt und von einem Tierstimmenforscher für Konzerte entdeckt wird.
All diese Bilderbuchzeichnungen prägt der famose Strich Kriegels: klare Umrisslinien, locker und prägnant sind die Szenen dargestellt. Dazu kommen wunderbare Aquarellfarben. Gisela Vetter-Liebenow vom Wilhelm-Busch-Museum:
"Auch in dem Zeichner steckt sehr viel von dem Musiker, der nach dem Wohlklang sucht, der die Feder zu dem perfektionsreichen Instrument machen will, das er sich vorstellt. Er will die schönsten Klänge zaubern, und auch in seinen Worten genießt er es, alles auszuschöpfen, was Sprache kann."
Ein paar Entwürfe für Bücher z.B. von Julian Barnes stoßen in der Schau die Tür doch noch ein wenig weiter auf und lassen den Blick über das Bilderbuch-Universum hinausgehen. Gern hätte man - wie bei der Übersichtsausstellung Kriegels vor sieben Jahren an dieser Stelle - noch andere Facetten aus seinem Kosmos gesehen. Aber das kann ja wieder kommen, denn das Museum hat, mitfinanziert durch Bundesmittel, den Nachlass des Künstlers mit rund 700 Werken erworben.
Wer nach dieser Kriegel-Hommage in die erste Etage steigt, trifft auf die eindrucksvolle Ausstellung papans, der in Deutschland schon zu den Klassikern des Illustrierten - Cartoons zählt. Populär wurde er durch seine Bildergeschichten "Der undressierte Mann” im "Stern”, doch längst arbeitet er für sehr unterschiedliche Zeitschriften und legt seine Witzbilder in knallbunten Tönen an. Seine immer etwas ungelenk wirkenden Zeichnungen mit den breiten Figuren und den kalauerhaften Pointen sind zur unverwechselbaren Handschrift geworden.
So beklagen sich Touristen auf dem berühmten Turm in Pisa, dass an diesem Tage wirklich alles schief gehe. Eine Frau denkt, Männer gebe es wie Sand am Meer, und tatsächlich: um sie herum wachsen Köpfe auf dem Strand. Und ein Schornsteinfeger versichert den Menschen in den umliegenden Häusern, auch ihm gehe es dreckig.
Künstler wie papan arbeiten in einem anstrengenden Gewerbe: immer wieder müssen sie den Illustrierten Futter geben, Redewendungen bildlich umsetzen und bizarre Figuren zu Papier bringen. Da kann die Arbeit zur Routine werden, auf Kosten der Ideen.
Papan: "Auf Ideen komme ich in jedem Fall, weil ich permanent neugierig bin, etwas entdecke und beschreiben mag, aus Lust. Was aber stimmt: das Abenteuer fällt mittlerweile weg. Ganz am Anfang - ich habe das Zeichnen ja nicht gelernt - war es abenteuerlich, überhaupt eine Zeichnung hinzukriegen. Jetzt wird es zur Routine. Und aus der Langeweile heraus fertige ich jetzt lieber Objekte: Holzfiguren, wie sie hier an der Decke schweben oder bemalte Steine."
Papan sucht nach neuen Spielräumen. Demnächst will er eine eigene Galerie eröffnen, um mit seinem Publikum direkt ins Gespräch kommen. Besonders gern schreibt er inzwischen Prosageschichten, die er von Kollegen illustrieren lässt.
"Auch ein Theaterstück würde ich gerne schreiben. Einen Roman lieber nicht - das halte ich nicht durch."
So ist auch papan eine Mehrfachbegabung. Seine Ausstellung und die Cartoons von Volker Kriegel - zwei künstlerisch höchst unterschiedliche Welten unter einem Dach.
Service:
Die Ausstellung von Volker Kriegel heißt: "Olaf, Erwin und Freunde". Das Wilhelm-Busch-Museum hat kürzlich den Nachlass 2003 gestorbenen Künstlers erworben. Die Schau von Papan (Kürzel für Manfred von Papen) heißt: "Ich brauche Erotik, Geld und andere Illusionen!". Beide sind bis zum 5. März im Wilhelm-Busch-Museum Hannover zu sehen.