Die talentierte Frau an seiner Seite
05:54 Minuten
Lil Hardin Armstrong war nicht nur die Ehefrau von Louis Armstrong, sondern selbst eine bemerkenswerte Jazzmusikerin. Sie hatte in Chicagos Szene schon Fuß gefasst, als Louis noch ein Neuling war. Vor 50 Jahren starb die Frau, die Jazzgeschichte schrieb.
Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Als Lil Hardin Anfang der 1920er Jahre im "Dreamland" in Chicago ein erstes Mal auf Louis Armstrong traf, war sie nicht gerade beeindruckt. Seine pummelige Erscheinung, die Kleider, seine Frisur: Das alles passte der jungen Frau aus Memphis so gar nicht.
Sie selbst hatte in Chicago bereits Fuß gefasst, sie war ein paar Jahre älter als der Neuling aus New Orleans und bezeichnete sich selbstbewusst als "Hot Miss Lil". An eine Hochzeit dachte die Pianistin in diesem Moment wohl kaum und doch würde sie nur wenige Jahre später als Lil Hardin Armstrong neue Maßstäbe setzen.
Ihre Mutter holte sie nachts nach dem Auftritt ab
Ihr Job in einem Musikgeschäft erwies sich für Lil Hardin als Sprungbrett. Hier lernte sie mehr Musik kennen und begegnete Gleichgesinnten. Mit etwa Anfang 20 wurde sie als Pianistin der New Orleans Creole Jazz Band engagiert – als einzige Frau in einem ansonsten männlich besetzten Ensemble.
Ihre Mutter, Dempsey, erklärte sich nur widerwillig einverstanden, berichtete Armstrong: "Wir spielten von neun bis ein Uhr morgens. Und von neun bis etwa zehn Minuten vor eins war ich die Hot Miss Lil. Um kurz vor eins tauchte dann meine Mutter in der Tür auf. Ich sagte zu ihr: Kannst du nicht unten warten? Es sollten nicht alle wissen, dass sie mich abholen kommt, nachdem ich die ganze Nacht performt hatte!"
Die Begegnung mit "Little Louis"
Als Instrumentalistin war Lil Hardin eine Seltenheit im Jazz der damaligen Zeit. Zwar spielte sie keine virtuosen Soli, dafür aber energische Rhythmen. Den Kornettisten Joe "King" Oliver konnte sie überzeugen und dieser lud sie ein, die Pianistin seiner "Creole Jazz Band" zu werden. 1922 wurde neben Joe Oliver selbst ein weiterer Kornettist Teil der Gruppe. Ein junger Mann aus New Orleans mit dem Spitznamen "Little Louis".
Lil Hardin und Louis Armstrong waren zumindest eine Zeit lang unzertrennlich. Sie waren nicht nur ein Paar, sondern spielten auch in derselben sehr erfolgreichen Band. 1924 heirateten die beiden, aber eine Sache störte die neue Mrs. Armstrong in ihrem Glück. Sie wollte nicht akzeptieren, dass Louis Armstrong als zweiter Kornettist im Schatten seines großen Idols "King" Oliver spielte.
"Ich sagte zu Louis: Schau mal, wir sind nun verheiratet. Ich möchte nicht, dass du die zweite Trompete spielst. Du solltest an erster Stelle spielen! Er meinte: Die erste Trompete – wo soll ich denn die erste Trompete spielen! Ich erklärte ihm, dass er die Band von Joe verlassen müsse, um einen neuen Job zu finden. Das hat ihm überhaupt nicht gefallen! Es gab nur eine Option. Er konnte nicht gleichzeitig mit mir und mit Joe verheiratet sein. Also kündigte er. Als er fragte, was ich tun würde, sagte ich: Ich bleibe in der Band! Jemand von uns muss ja arbeiten!"
Kluge Managerin ihres Mannes
Das Vorhaben funktionierte. Lil Hardin Armstrong war eine kluge Geschäftsfrau. Um Louis Armstrong zum ersten Trompeter zu machen, stellte sie sogar eine eigene Band zusammen. Ab 1925 verhalf sie ihm dann als Komponistin und Pianistin zu Studioaufnahmen mit den "Hot Five" und "Hot Seven" und sie wurde seine persönliche Managerin.
Während es für die "Hot Five" gut lief, bröckelte die Ehe. In "Lonesome Blues", einer Komposition von Lil Hardin Armstrong, singt der Star-Trompeter von der Einsamkeit seiner Ehefrau.
Nach der Trennung von Louis Armstrong konzentrierte sich Lil auf ihre eigene Karriere. Sie leitete verschiedene Bands, unter anderem ihr "Swing Orchestra", mit dem sie auch Studioaufnahmen machte. In ihren Texten blieb sie oft transparent und thematisierte den Verlust ihrer großen Liebe.
Eine beeindruckende Laufbahn
1938 wurde die Ehe von Lil und Louis Armstrong geschieden. Lil Hardin Armstrong konnte zu diesem Zeitpunkt zwei Universitätsabschlüsse vorweisen und hatte eine beeindruckende Laufbahn als Musikerin hinter sich.
Jetzt verfolgte sie neue Ziele: Sie eröffnete ein Restaurant, wurde Mode-Designerin und unterrichtete Musik und Französisch. Wieder zeigte sie den Mut, ihre Ideen in handfeste Pläne zu verwandeln. Eben diese Eigenschaft, gekoppelt an eine gewisse Kompromisslosigkeit, machte Lil Hardin Armstrong im Chicago der 20er-Jahre zu einer Wegbereiterin.
Sie formte den frühen Jazz durch ihre Kompositionen, ihre Studioaufnahmen und nicht zuletzt ihren festen Glauben daran, dass in dem jungen Louis Armstrong der für sie "beste Trompeter der Welt" schlummerte.