Ein Traumhaus zum Komponieren und Radio hören
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40 Kilometer nördlich von Helsinki liegt die Stadt Järvenpää: Hier entstand um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Künstlerkolonie, die auch den Komponisten Jean Sibelius anzog. Mehr als 50 Jahre lang blieb das Haus namens "Ainola" seine Heimat.
Jean Sibelius war Anfang des 20. Jahrhunderts ein international anerkannter Komponist. Eine großzügige Staatspension befreite ihn von Geldsorgen. Bis zu seinem 40. Lebensjahr lebte er mit Frau und Töchtern in der Hauptstadt und pflegte auf Herrenabenden ein geselliges Leben.
Raus aus dem Getriebe
Doch eines Tages wurde er der Großstadt überdrüssig. Auf der Suche nach einem geeigneten Wohnsitz, fiel seine Wahl auf die Künstlerkolonie am Tuusula-See. Trotz der Abgeschiedenheit des Ortes hoffte Sibelius hier bei Gleichgesinnten geistige Anregung zu finden. Der Maler Pekka Halonen lebte hier, der Dichter Juhani Aho. Und in Suviranta war auch das Haus des Malers Eero Järnefelt, des Schwagers des Komponisten.
Blick auf einen See voller Schwäne
Die Lage am Tuusula-See schien Sibelius ideal: nur eine Zugstunde von Helsinki entfernt und trotzdem mitten in der Natur. Er kaufte ein Grundstück mit Wald und Garten und verschuldete sich, um sein Traumhaus zu finanzieren.
"Eigentlich war er erst um 1930 schuldenfrei, nach seiner letzten Tondichtung Tapiola", erklärt Museumsleiterin Hilkka Helminen. Sibelius hatte den Architekten Lars Sonck engagiert, den Erbauer der Kathedrale von Tampere. Sonck entwarf ein zweistöckiges Blockbohlenhaus in zeitlos-traditionellem Stil. Nur die Jugendstilornamente an den Fenstern wirken hochmodern.
Mit Klauen und Krallen
"Das Haus hat einen steinernen Sockel und fünf Schichten Balken. Wenn ich’s doch schon unter Dach und Fach hätte! Ich kämpfe darum mit Klauen und Krallen. Ich sehne mich nach Ruhe und Frieden.", schrieb Sibelius. Am 24. September 1904 bezog er mit seiner Frau Aino und den Töchtern sein Haus, das er "Ainola" nannte.
Er entschied sich für ein Leben ohne jeglichen Komfort, verzichtete auf Zentralheizung und fließendes Wasser. Fünf Jahre lang lebte er auch ohne Elektrizität. Zum Bahnhof gelangte man in der Pferdekutsche oder im Schlitten.
Solange Sibelius Treppen steigen konnte, befand sich sein Arbeitszimmer im Obergeschoss von Ainola: hier saß er ungestört und komponierte. Den Flügel unten im Salon brauchte er dazu nicht, ihm reichte seine Tonvorstellung. Er genoss den Blick ins Weite, über Stoppelfelder und bewaldete Hügel bis hin zum milchiggrünen See.
Ein nicht museales Museum
Das Sibelius-Haus wirkt heute nicht wie ein Museum. Man meint, jeden Augenblick könnte der Meister mit Stock und Hut wie weißem Sommerjackett hier hereinspazieren. Vom Salon aus gelangt man ins familiär-gemütliche Esszimmer. Frische Gartenblumen und bestickte Decken schmücken die Tische.
Museumsleiterin Hilkka Helminen erzählt vom Leben der Familie Sibelius, mit offensichtlicher Sympathie für die tüchtige Aino. Sie kümmerte sich um Garten, Haushalt, Finanzen und Kindererziehung. 65 Jahre dauerte ihre Ehe.
Sibelius' Schreibtisch hat eine blassgrüne Filzauflage. Darauf ein Tintenfass mit Elchkopf und ein Lineal im traditionellen finnischen Stil, das Aino ihm zur Verlobung geschnitzt hat. Daneben eine schauerliche Büste von Beethoven und eine Konzert-Kantele, eine finnische Kasten-Zither.
Die meisten seiner Werke entstanden an diesem Tisch. Er feilte oft wochenlang an den Themen und schrieb dann die Partitur zügig nieder. Das zeigt das Faksimile seiner 4. Sinfonie in der Mitte des Tischs.
Sieben Aschenbecher und ein Radio
In einem abgeschiedenen Winkel des Ainola-Hauses befindet sich das Zimmer, in dem Sibelius 1935 sein eigenes Reich einrichtete: mit Bibliothek, Raucherecke, Radio und Plattenspieler. Sibelius konnte hier die Rundfunkübertragungen seiner Werke hören. Und er liebte Platten von Brahms, der Wiener Klassik, vor allem Beethoven.
Auf dem Couchtisch finden sich sieben Aschenbecher. Besonders gern griff Jean Sibelius zu den Prachtausgaben seiner Bibliothek wie dem opulent gestalteten Bildband des finnischen Nationalepos "Kalevala", das ihn zu mehreren Tondichtungen inspirierte.