Jeanine Meerapfel über #MeToo

"Die Debatte nicht zum Genderkrieg ausweiten"

Jeanine Meerapfel, Filmemacherin und Präsidentin der Akademie der Künste Berlin
Jeanine Meerapfel, Filmemacherin und Präsidentin der Akademie der Künste Berlin © dpa / picture alliance / Jörg Carstensen
Moderation: Liane von Billerbeck |
Autoritäres Gehabe sei keineswegs nur auf Männer beschränkt, sagt Jeanine Meerapfel. Die Präsidentin der Berliner Akademie der Künste hält die #MeToo-Debatte für wichtig, um auf verletzte Grenzen hinzuweisen. Sie dürfe sich aber keine unüberbrückbaren Gräben schaffen.
Die Präsidentin der Berliner Akademie der Künste und Filmregisseurin Jeanine Meerapfel hat sich bislang nicht zur #MeToo-Debatte geäußert. Nachdem ihre Kollegin Angelina Maccarone im Deutschlandfunk Kultur "männliches Pavian-Gehabe" kritisiert hat, wollten wir gerne auch von Meerapfel wissen, was sie davon hält.

Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Ändert sich da was, krempelt sich da gerade was um? Zwar werden in der #Metoo-Debatte immer wieder Vorfälle zusammengeworfen, die nicht in einen Topf gehören, aber es besteht die berechtigte Hoffnung, dass darüber immer differenzierter gesprochen wird. Sexuelle Gewalt bleibt das eine, ganz klar ein Straftatbestand, was aber von Schauspielerinnen und Schauspielern am Set verlangt wird, das ist das andere. Aber, so sagte es uns gestern früh die Filmregisseurin Angelina Maccarone, mit dem männlichen Pavian-Gehabe müsse Schluss sein.
Angelina Maccarone: Regieführen hat sicherlich was mit autorisiert sein zu tun, aber das wird oft verwechselt mit autoritär, und die Grenzen zu Machtmissbrauch sind da sicherlich sehr offen. Ich glaube nicht, dass es das braucht.
Billerbeck: Angelina Maccarone war das. Am Telefon ist Jeanine Meerapfel, die Präsidentin der Akademie der Künste in Berlin, und sie ist selbst Filmregisseurin. Ich grüße Sie!
Jeanine Meerapfel: Ich grüße Sie auch!
Billerbeck: Teilen Sie die Ansicht von Angelina Maccarone?
Meerapfel: Ja, zum großen Teil ja. Auf jeden Fall ist es so, dass in einem Set eine bestimmte Autorität sein muss, die das Ganze leitet. Das muss aber nicht autoritär sein, und auf jeden Fall darf es nicht dazu führen, dass man diese Macht, diese Möglichkeit, die man hat als Regisseur, missbraucht und die Menschenrechte der anderen in irgendeiner Weise angeht.

Mit Druck erreicht man auf dem Set nichts

Billerbeck: Wo verlaufen die Grenzen zwischen Autorität und autoritär sein?
Meerapfel: Autorität heißt, dass man weiß, was man tut und, dass das Team dann auch gemeinsam etwas durchzieht und einen Film tatsächlich zu Wege bringt. Autoritär heißt, wenn man diese Autorität so schlecht benutzt, dass man konstant andere Menschen unter Druck setzt, und Druck ist das schlechteste Mittel, um gute Dinge von Menschen zu bekommen. Wenn ich will, dass ein Schauspieler mir das Beste gibt, was er mir geben kann, dann darf ich doch nicht mit Druck arbeiten, sondern viel eher mit Zuneigung und mit Vorsicht.
Billerbeck: Angelina Maccarone hat ja von Pavian-Gehabe gesprochen. Da leitet sich die Frage ab, ist autoritäres Auftreten am Set eine ausschließlich männliche Attitüde?
Meerapfel: Sicher nicht. Leider. Autoritäres Gehabe ist, wie wir das aus der Politik, aus jeder Form von menschlichem Ausdruck kennen, nicht eine Frage des Genders, sondern eine Frage der wirklich schlechten Manieren und einer sehr falsch verstandenen Autorität.
Billerbeck: Hat es vielleicht auch was mit Alter und Persönlichkeit zu tun, oder andersherum gefragt: Agieren junge Filmschaffende heute schon ganz anders, Männer wie Frauen?
Meerapfel: Das glaube ich nicht, weil Männer wie Frauen sind in den Zuständen einer künstlerischen Produktion verantwortlich dafür, dass sie ihre Haltung wahren, dass sie auch so sind, wie sie auch möchten, dass andere mit ihnen sind. Insofern, ich weiß nicht, ob es da Unterschiede im Alter oder im Gender gibt. Das weiß ich nicht. Das kann ich mir nicht vorstellen. Im Moment sieht es so aus, dass Männer natürlich viel eher, weil es viel mehr Männer gibt, die Filme machen, die Regisseure sind, als Frauen. Es sieht so aus, als Männer konstant diese Grenzen übertreten, und das ist besonders schlimm.

Es braucht nicht noch eine Stimme, um das Ganze aufzuheizen

Billerbeck: Sie haben sich ja als Präsidentin der Akademie der Künste bislang zurückgehalten, die #Metoo-Debatte zu kommentieren. Warum?
Meerapfel: Nun, ich glaube nicht, dass es noch eine Stimme braucht, um das Ganze noch mehr aufzuheizen. Ich denke, dass die #Metoo-Debatte eine sehr gute Debatte war und ist, um klar zu machen, wo Grenzen übergangen worden sind und wo Unrecht geschehen ist, eine sehr, sehr brauchbare Debatte, aber man muss sie jetzt nicht zum Genderkrieg ausweiten, und man muss sie jetzt nicht auch ausweiten zu einer konstanten Auseinandersetzung. Wir haben noch andere Probleme in dieser Welt, die wir angehen müssen, und die Frage der Diversität, der Unterschiedlichkeit, der Liebe zum anderen, das sind alles Fragen, um die wir uns kümmern müssen, und wir können nicht steckenbleiben bei diesem Problem. Ich will das auch nicht aufheizen. Das ist nicht meine Art, und es ist auch nicht das, was ich meine, das meine Aufgabe ist.
Billerbeck: Kann denn die wegen sexualisierter Gewalt losgetretene Debatte aus Ihrer Sicht auch etwas Gutes bewirken?
Meerapfel: Hat es doch schon. Hat es doch schon. Es hat eine große Aufmerksamkeit und eine Empfindlichkeit entwickelt, die dazu geführt hat, dass man die Dinge auch ein bisschen anders sieht. Also die Macht eines Weinsteins ist infrage gestellt worden. Das ist schon mal sehr gut.
Billerbeck: Die Filmemacherin und Präsidentin der Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel, war das. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Meerapfel: Also, einen schönen Tag noch!
Billerbeck: Ihnen auch, Frau Meerapfel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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