Jenni Zylka, geboren 1969 in Osnabrück, ist Schriftstellerin, freie Journalistin und Moderatorin aus Berlin. Zylka war regelmäßig Jurorin für den Grimme-Preis oder Filmsichterin für die Berlinale, unterrichtet angehende Mode-Journalisten im kreativen Schreiben und spielt seit 1986 die Orgel bei der Psychobilly-Band Sunny Domestozs. Für ihre Literatursendung im WDR besucht sie Schriftsteller zuhause. Und Zylka kennt auch die andere Seite: 2003 erschien ihr Roman "1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann", 2004 folgte der Band "Beat Baby, beat!".
"Kein überzogenes Emanzengestammel"
Jenni Zylkas Meinung über Weinstein und #MeToo ist eindeutig: Man müsse so lange darüber reden, bis auch "slow Joe aus der letzten Reihe" kapiert habe, dass man Sexismus ernst nehmen muss.
Die #MeToo-Debatte ist kein einfaches Thema – immer wieder aufs Neue kocht es hoch, und es finden sich neue Stimmen mit neuen "Fällen". So zum Beispiel die Ex-Femen-Aktivistin Zana Ramadani, die gerade ein Buch mit dem Titel "Sexismus - über Männer, Macht und #Frauen" veröffentlicht hat.
Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck soll sich bei einer Veranstaltung in Schloss Bellevue ihr gegenüber auf "Altherren-Art" genähert haben. Das Geplänkel, das Ramadani zunächst erwiderte, drehte sich um ihre Aktionen als Femen-Aktivistin, erreichte aber dann einen Punkt, der auch nach Einschätzung unseres heutigen Studiogastes, der Journalistin Jenni Zylka, "so nicht geht".
Die Masche des Altherrenwitzes durchbrechen
Der Fall erinnert an die verbale Entgleisung von FDP-Politiker Rainer Brüderle gegenüber einer jungen Journalistin vor ein paar Jahren. War Gaucks Verhalten somit auch sexistisch? Er habe leider die Möglichkeit nicht genutzt, die Masche des Altherren-Witzes zu durchbrechen - und aufzuhören, bevor es peinlich werde, meint Zylka.
Autorin Ramadani kritisiert zugleich, dass öffentliche Hashtag-Kampagnen wie #MeToo schnell ausufern und der Gesellschaft schaden. Frauen müssten auch selbst aktiv werden, um das Sexismus-System zu ändern.
Jenni Zylka widerspricht: "Als das Thema weniger öffentlich stattfand, hat das der Gesellschaft ganz schlimm geschadet." Dass die Debatte nun auch in China angekommen ist und auch in der Macho-Gesellschaft der US-Basketball-League, sei deshalb immens wichtig.
Selbstverständlich "schlägt das Pendel manchmal zu weit aus" – was jede Seite auch für sich auszunutzen wisse. "Aber man muss darüber reden. Man muss so lange darüber reden, bis es allen Leuten klar ist – bis slow Joe in the last row verstanden hat, worum es hier geht. Und dass es nicht darum geht, zwischen Männern und Frauen Zwietracht zu säen, sondern, im Gegenteil, dass es um ungewollte Aufmerksamkeit und um eine Schieflage der Aufmerksamkeit geht."
Das Pendel schlägt auch zu weit aus
Aber kann ein zu weites Ausschlagen des Pendels – Abhängen von Bildern, Herausschneiden von Schauspielern aus Filmen – nicht auf Dauer schaden? Abwarten, sagt Jenni Zylka. Solange es immer noch Menschen gebe, die #MeToo "als überzogenes Emanzengestammel" betrachteten, und solange Journalistinnen online immer noch Vergewaltigungsdrohungen in den Kommentaren unter ihren Artikeln vorfänden und "so viel Hass ausgekübelt" werde, sei die Debatte offenbar notwendig.
Auch habe sich ihrer Meinung nach das Thema Sexismus und Belästigung nicht dadurch erledigt, dass manche Frauen es klein redeten oder gar nicht an sich heran ließen. Es gehe nicht darum zu sagen: "Ich habe kein Problem damit", sondern darum Solidarität mit Frauen zu zeigen, die unter Sexismus sehr zu leiden hätten, aber oft nicht für sich selbst sprechen könnten.
Und wie sieht Zylka Männer, die sich selbst geißelten und sich die #MeToo-Argumente extrem zu eigen machten? "Ich freue mich, wenn Männer so reden und auch darüber nachdenken. Ich habe nicht das Gefühl, als ob die sich dann aus der Verantwortung ziehen. Sondern im Gegenteil. Ich denke dann: Oh, das ist schön, dass ich mal einen feministischen Mann treffe."
(mkn)
(mkn)
Die komplette Sendung mit Jenni Zylka hören Sie hier: