Jens Balzer über die 1980er-Jahre

In Erwartung der Apokalypse

06:55 Minuten
Eine Menschenkette vor der US-amerikanische Bismarck-Kaserne. Die Herbstaktionen der bundesdeutschen Friedensbewegung gegen die Nachrüstung haben 1983 ihren ersten Höhepunkt erreicht.
Blockade einer US-Kaserne in der Mutlanger Heide 1983: Die Friedensbewegung kämpfte in den 1980er-Jahren gegen die Aufrüstung. © picture-alliance / dpa / Roland Holschneider
Moderation: Axel Rahmlow |
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Der Autor Jens Balzer hat mit "High Energy" ein Buch über die 1980er-Jahre geschrieben. In dem Jahrzehnt, das auch für schreckliche Stilsünden bekannt ist, findet er vor allem Angst vor Krieg und Atomkraft. Aber auch jede Menge Modernisierung.
Die 80er-Jahre waren die Zeit der Neuen Deutschen Welle, von Synthiepop, der Fönfrisuren und Schulterpolster - das ist zumindest das Erste, was vielen zu dieser Dekade einfällt. Doch es war auch die Zeit von Tschernobyl, Friedensbewegung und Mauerfall. Der Journalist Jens Balzer hat dem Jahrzehnt in allen seinen Facetten nun ein Buch gewidmet: "High Energy. Die Achtziger - das pulsierende Jahrzehnt".
Balzer erinnert sich an ein Jahrzehnt der Stilsünden, das sich unter anderem dadurch auszeichnete, dass man versuchte, die eigene Identität in der Aneignung von Kollektividentitäten zu finden: Popper oder Punker? Laut eigener Aussage war der Autor selbst damals "Dorfpunker".
Anhand von popkulturellen Phänomen wollte Balzer eine gesellschaftliche Kulturgeschichte schreiben. Die Serie "Schwarzwaldklinik" beispielsweise sei bevölkert gewesen von Patchworkfamilien, sagt er - und auch von geschiedenen Männern und Frauen sowie Ehefrauen, die sich nicht mehr vom Partiarchen vorschreiben lassen wollten, dass sie nach der Heirat ihren Beruf aufzugeben haben. Das zeige, dass die emanzipatorischen Bewegungen der 1970er-Jahre nun im Mainstream der Gesellschaft angekommen seien, so Balzer: Die heterosexuelle Kleinfamilie sei in den 80er-Jahren nicht mehr selbstverständlich gewesen.

Angst vor Krieg und Atomkraft

"Die Achtziger beginnen eigentlich als ein Jahrzehnt der Angst", erinnert der Autor – viel mehr Leute seien auf der Straße demonstrieren gewesen als zu Zeiten der 68er.
Der Protest der Friedensbewegung im Bonner Hofgarten 1981 gegen den NATO-Doppelbeschluss und das Wettrüsten sei die bis dahin größte Demonstration in der Bundesrepublik gewesen. Gegen den Bau des Atomkraftwerks in Brokdorf seien ebenfalls 100.000 Menschen auf die Straße gegangen. "Man war in weiten Teilen gerade auch der nachwachsenden Generation überzeugt, dass die Apokalypse unmittelbar bevorsteht", sagt Balzer.
Porträt des Autors und Musikkritikers Jens Balzer
Der Autor und Musikkritiker Jens Balzer.© imago / Votos-Roland Owsnitzki
Die Achtziger seien die Vorgeschichte der Gegenwart und auch unserer Zukunft, so der Autor: In der Yuppiekultur, die in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre zentral wurde, zeige sich bereits die Überhitzung des Börsenhandels, die uns bis heute beschäftige. Auch die Dienstleistungsgesellschaft sei damals entstanden, die Digitalisierung habe begonnen.
(jfr)

Jens Balzer: "High Energy. Die Achtziger - das pulsierende Jahrzehnt"
Rowohlt, Berlin 2021
400 Seiten, 28 Euro

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