Jens van Tricht: "Warum Feminismus gut für Männer ist"
Ch. Links Verlag, Berlin 2019
176 Seiten, 18 Euro
Mit Emanzipation gegen Krieg und Klimakrise?
10:58 Minuten
Viele Übel der Welt hätten ihre Ursache in einer traditionellen Männlichkeit, sagt der Aktivist Jens van Tricht. Feminismus tue Männern gut – und helfe, Probleme zu lösen. Männer-Emanzipation sei eben nicht nur persönlich, sondern auch politisch.
Feminismus tut Männern gut, davon ist Jens van Tricht überzeugt. Der Aktivist und Gründer der Organisation Emancipator kritisiert eine traditionelle Männlichkeit, die für viele gesellschaftliche Probleme verantwortlich sei – bis hin zu Gewalt, Kriegen und Klimakrise. Davon sollten Männer sich emanzipieren und "mehr Mensch" sein, meint van Tricht.
In einer feministischen, gleichberechtigten Welt hätten dann Männer zwar Macht einbüßt, vor allem aber auch viel gewonnen, sagt Jens van Tricht - vor allem Qualitäten, die als weiblich betrachtet würden, in Wahrheit aber "einfach menschlich" seien. "Wir müssen uns Männern erlauben, mehr Mensch zu sein", fordert er. Nur so ließen sich Lösungen für gesellschaftliche Probleme finden, die Männer verursachten.
Problemverursacher Mann
Klimakrise, Ressourcenerschöpfung, Armut und Ungleichheit, Ausgrenzung und Ausbeutung, drohender Krieg und andere gewalttätige Konflikte, zählt van Tricht auf: "Viele soziale und politische Probleme werden von Männern verursacht. Und das hat direkt damit zu tun, was wir Männer über Männlichkeit lernen."
Mit Feminismus gegen die Klimakrise also? Auf die Frage, ob er damit nicht etwas dick auftrage, sagt van Tricht: "Ich glaube nicht. Und ich bin damit schon viel milder als früher."
Feminismus, so Tricht, könne nicht bedeuten, "dass wir den Frauen sagen, sie sollen sein wie Männer. Wir müssen unser Gesellschaftssystem ändern". Männer-Emanzipation sei deshalb nicht nur persönlich, sondern auch politisch.
Ein schmerzhafter, aber heilsamer Weg
Gegenwärtig sieht van Tricht zwei gegenläufige Bewegungen. Hoffnung mache ihm, dass immer mehr Männer von der Frauenbewegung, von der Schwulen- und LGBT-Bewegung gelernt hätten und sich von patriarchalen Männlichkeitsbildern befreien wollten. "Sie wollen Vater sein, sich um Kinder sorgen, eine gleichberechtigte Partnerschaft leben."
Sorgen bereite ihm gleichzeitig ein Backlash von Männern, die sagten: "Hey, wir sollten wirkliche, echte Männer sein!" Das sei eine gefährliche Entwicklung auch in politischen Parteien und weltweit in Regierungen, die Genderthemen tabuisierten und Feminismus als Feind sähen. Das habe schon in der Vergangenheit nicht zu Lösungen beigetragen, sondern die Probleme eher vergrößert.
Eine einfache Lösung werde es nicht geben, glaubt van Tricht: "Ich glaube nicht, dass wir morgens aufstehen können und irgendetwas anders machen und damit ist es getan. So wird es nicht sein."
"Ein Prozess, der nie enden wird"
Ein erster Schritt sei vielleicht, beim Nachdenken über sich selbst und in Gesprächen mit Freunden herauszufinden, welche persönlichen Probleme durch traditionelle Männlichkeit verursacht würden. "Wir müssen einen Prozess beginnen, der wahrscheinlich nie enden wird."
Genau dieser Prozess sei aber sehr wertvoll. Denn Männer hätten unbewusst gelernt, nur ein halber Mensch zu sein. "Das ist kein einfacher Prozess, aber er kann uns heilen – als Mensch, als Mann, als Partner, als Freund, als Kind."