Jenseits von Dänemark

Von Marc-Christoph Wagner |
Die Verfilmungen ihrer Erzählungen "Jenseits von Afrika" und "Babettes Fest" sind oscar-gekrönt und wurden von Millionen Menschen gesehen. Weniger geläufig ist die Schriftstellerin selbst - Karen Blixen, in Deutschland bekannt unter ihrem Pseudonym Tania Blixen. Heute wäre die Dänin 125 Jahre alt geworden.
"Wie das Lied eins ist mit der Stimme, die es singt, wie der Weg eins mit dem Ziel, wie zwei Liebende eins werden in ihrer Umarmung, so ist der Mensch eins mit seinem Schicksal, und er soll es lieben wie sich selbst."

Es ist ein wohlbehütetes Elternhaus, in das Karen Christentze Dinesen am 17. April 1885 als Tochter eines Offiziers und einer Gutsbesitzerin hineingeboren wird. Doch schon als Zehnjährige erfährt sie einen ersten Schicksalsschlag – ihr Vater, dem sie sich in besonderer Weise verbunden fühlt und dessen Geschichten sie stundenlang lauschen konnte, nimmt sich das Leben. Von ihm, der einst ein Jahr unter nordamerikanischen Indianern gelebt hatte, erbt Karen den Drang, die Welt zu erforschen. Das bürgerliche Dasein in Rungstedlund nur wenige Kilometer nördlich von Kopenhagen wird ihr bald zu eng.

"Ich wollte nicht schreiben, wollte nicht auf einem Stuhl sitzen und meine Zukunft dort verbringen. Ich wollte reisen, reiten, tanzen, jagen. Vor allem aber Menschen treffen jeder Art."

1914 heiratet Karen Baron Bror von Blixen-Finecke, mit dem sie gemeinsam nach Kenia auswandert und am Rande Nairobis eine Kaffeefarm aufkauft. Doch so sehr sie das Leben in Afrika fasziniert, so trübselig werden dort ihre Jahre. Ihre Ehe verläuft unglücklich. 1915 erkrankt die 30-Jährige an Syphilis und wird kinderlos bleiben. Und schließlich kommt ihre große Liebe, der britische Adlige, Offizier und Abenteurer Denys Finch-Hatton, 1931 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Das alles wird Blixen später in dem autobiografischen Roman "Jenseits von Afrika" verarbeiten, den Sydney Pollack 1985 mit Meryl Streep und Robert Redford in den Hauptrollen verfilmt:

O-Ton aus dem Film Jenseits von Afrika:

Denys Finch-Hatton: "Singen Sie?"

Karen Blixen: "Niemals."

Finch-Hatton: "Können Sie eine Geschichte erzählen?"

Blixen: "Ich bin zufällig eine sehr gute Geschichtenerzählerin."

Finch-Hatton: "Das glaube ich Ihnen."

Als nach 18 Jahren die Kaffeefarm finanziell ruiniert ist, kehrt Blixen nach Dänemark zurück. Ökonomisch ist sie nun wieder abhängig von ihrer Familie, vor ihr die Scherben einer gescheiterten Existenz.

Blixen folgt dem Rat ihres verstorbenen Geliebten Finch-Hatton und beginnt zu schreiben. Unter dem Pseudonym Isak Dinesen veröffentlicht sie 1934 "Sieben Phantastische Erzählungen" – nicht in ihrer Heimat Dänemark, sondern in den USA. Nach dem Erfolg ihres Debüts folgt Karen Blixens zweites Leben. "Jenseits von Afrika", "Babettes Fest", die "Wintergeschichten" und "Schicksalsanekdoten" verschaffen ihr literarische Anerkennung – nicht nur jenseits des Atlantiks, sondern bald auch in Europa und in ihrer Heimat, obwohl das Verhältnis der Dänen zu Blixen lange distanziert bleibt. Als Ernest Hemingway 1954 den Literaturnobelpreis erhält, bekennt er, eigentlich hätte ihn Blixen an seiner Stelle verdient:

"Natürlich, das Preisgeld hätte ich gerne gehabt. Aber diese Bemerkung Hemingways ist fast besser, als der Nobelpreis selbst."

Trotz des weltweiten Erfolges – es bleibt ein Hauch von Wehmut, ja Trauer über dem Leben von Karen Blixen. Die Nachbehandlung der Syphilis mit Schwermetallen hinterlässt deutliche Spuren an ihrem Körper, am Ende ist sie abgemagert auf unter 35 Kilogramm. Bis zu ihrem Tod lebt sie auf ihrem Familiensitz Rungstedlund – umgeben von jungen Dichtern und Bewunderern, aber doch unnahbar und beziehungslos. Schwägerin Jonna Dinesen ist an ihrer Seite, als sie 1962 stirbt.

"Und da sagte sie: Was bedeutet Berühmtheit? Ich bin berühmt geworden. Du hast einen Mann und vier Kinder. Wer von uns ist am Glücklichsten? Das bist du."

Ein Gedanke, der sich auch in Blixens Spätwerk wiederfindet – etwa in der Erzählung Wiedersehen, die erst nach ihrem Tod veröffentlicht wurde. Blixen hat ihr Schicksal akzeptiert. Geliebt – so wie einst gefordert – hat sie es nicht:

"Gewiss, es ist ein großes Glück, die Dinge, die einem geschehen, in Geschichten verwandeln zu können. Das ist vielleicht das einzig vollkommene Glück, das ein Mensch im Leben finden kann. Aber es ist gleichzeitig, und das wird dem Uneingeweihten unverständlich bleiben, ein Verlust, sogar ein Fluch."