Jenseits von Kriegen und Krankheiten
Die deutsche Afrika-Berichterstattung werde den aktuellen Entwicklungen auf dem aufstrebenden Kontinent nicht gerecht. Martin Sturmer bemängelt in seinem Buch die Überbetonung von negativen Aspekten. Ein ganzer Kontinent werde verleumdet, simplifiziert und nicht ernstgenommen.
Es ist nie einfach, kritische Bücher über die eigene Zunft zu bewerten. Letztlich ist man ja selbst betroffen, eine Buchkritik kann leicht zur Rechtfertigungsrede ausarten. Und doch ist es spannend zu lesen, wie Wissenschaftler sich unserer Profession nähern. Und zu welchen Ergebnissen sie kommen, Ergebnisse, die nicht selten schmerzen können.
Schon der Leipziger Diplomjournalist Lutz Mükke hat vor vier Jahren untersucht, wie deutsche Journalisten in Afrika arbeiten, welchen Zwängen sie ausgesetzt sind, welches Selbstverständnis sie haben. Seine Studie trägt den bezeichnenden Titel: "Journalisten der Finsternis", weil sie sich in Afrika viel zu sehr auf die drei K's konzentrierten: Kriege, Krankheiten, Katastrophen.
Sein Resümee: Die Journalisten stehen oft unter enormen finanziellen Druck. Und die Wege, eine Geschichte ins Blatt oder auf den Sender zu bringen, sind häufig abenteuerlich, ja, handwerklich und ethisch durchaus fragwürdig. Damit sorgte Lutz Mücke unter deutschen Auslandskorrespondenten und in Chefredaktionen für viel Gesprächsstoff.
Jetzt hat es ihm der österreichische Afrikanist und Kommunikationswissenschaftler Martin Sturmer nachgetan. Auch er schaut auf die Strukturen des deutschen Medienbetriebs in Afrika, er beleuchtet die Zwänge, unter denen Journalisten stehen, deren Selbstverständnis, und er wirft vielen von ihnen letztlich vor, ignorant zu sein.
"In der Afrika-Berichterstattung wird Medienkonsumenten Authentizität oft nur vorgespiegelt. Was aber noch schwerer wiegt, ist das Verharren von deutschsprachigen Medien in den gängigen Berichterstattungsmustern: Afrika - das ist der Kontinent von Hunger und Elend, das Rückzugsgebiet von machtgierigen Diktatoren, die Brutstätte von Kriegen und Gewalt. Die Berichterstattung ignoriert dabei weitgehend die Fortschritte, die Afrika in den letzten 20 Jahren gemacht hat …"
Die enorme wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kontinents bekomme das Publikum allenfalls am Rande mit. Dazu führt er Studien an, die belegen sollen, wie einseitig das Afrika-Bild in den deutschen Medien ist.
Allzu oft werde fahrlässig mit Begriffen und Einordnungen umgegangen, wenn etwa missverständlich von "Stämmen" geschrieben oder - meist unwissend - koloniales Vokabular verwenden werde, wie etwa der Begriff "Schwarzafrika".
Das Bild sei verzerrt, ein ganzer Kontinent werde verleumdet, simplifiziert, nicht ernstgenommen, Ereignisse dramatisiert, trivialisiert.
"Das desaströse Bild, das Medien von Afrika zeichnen, bleibt nicht ohne Konsequenzen. Die Berichterstattung ist mitverantwortlich für eine "Afrophobie", die eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen und wirtschaftlichen Fragen des Kontinents behindert ... Resultat: Das Gros der europäischen Wirtschaftstreibenden nimmt Afrika als Risikokontinent wahr - vor allem die Angst vor politischer Instabilität verhindert Investitionen."
Schon der Leipziger Diplomjournalist Lutz Mükke hat vor vier Jahren untersucht, wie deutsche Journalisten in Afrika arbeiten, welchen Zwängen sie ausgesetzt sind, welches Selbstverständnis sie haben. Seine Studie trägt den bezeichnenden Titel: "Journalisten der Finsternis", weil sie sich in Afrika viel zu sehr auf die drei K's konzentrierten: Kriege, Krankheiten, Katastrophen.
Sein Resümee: Die Journalisten stehen oft unter enormen finanziellen Druck. Und die Wege, eine Geschichte ins Blatt oder auf den Sender zu bringen, sind häufig abenteuerlich, ja, handwerklich und ethisch durchaus fragwürdig. Damit sorgte Lutz Mücke unter deutschen Auslandskorrespondenten und in Chefredaktionen für viel Gesprächsstoff.
Jetzt hat es ihm der österreichische Afrikanist und Kommunikationswissenschaftler Martin Sturmer nachgetan. Auch er schaut auf die Strukturen des deutschen Medienbetriebs in Afrika, er beleuchtet die Zwänge, unter denen Journalisten stehen, deren Selbstverständnis, und er wirft vielen von ihnen letztlich vor, ignorant zu sein.
"In der Afrika-Berichterstattung wird Medienkonsumenten Authentizität oft nur vorgespiegelt. Was aber noch schwerer wiegt, ist das Verharren von deutschsprachigen Medien in den gängigen Berichterstattungsmustern: Afrika - das ist der Kontinent von Hunger und Elend, das Rückzugsgebiet von machtgierigen Diktatoren, die Brutstätte von Kriegen und Gewalt. Die Berichterstattung ignoriert dabei weitgehend die Fortschritte, die Afrika in den letzten 20 Jahren gemacht hat …"
Die enorme wirtschaftliche und politische Entwicklung des Kontinents bekomme das Publikum allenfalls am Rande mit. Dazu führt er Studien an, die belegen sollen, wie einseitig das Afrika-Bild in den deutschen Medien ist.
Allzu oft werde fahrlässig mit Begriffen und Einordnungen umgegangen, wenn etwa missverständlich von "Stämmen" geschrieben oder - meist unwissend - koloniales Vokabular verwenden werde, wie etwa der Begriff "Schwarzafrika".
Das Bild sei verzerrt, ein ganzer Kontinent werde verleumdet, simplifiziert, nicht ernstgenommen, Ereignisse dramatisiert, trivialisiert.
"Das desaströse Bild, das Medien von Afrika zeichnen, bleibt nicht ohne Konsequenzen. Die Berichterstattung ist mitverantwortlich für eine "Afrophobie", die eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen und wirtschaftlichen Fragen des Kontinents behindert ... Resultat: Das Gros der europäischen Wirtschaftstreibenden nimmt Afrika als Risikokontinent wahr - vor allem die Angst vor politischer Instabilität verhindert Investitionen."
Journalisten verantworten das negative Bild
Für Martin Sturmer tragen auch Journalisten an Afrikas Problemen eine Mitschuld. Er plädiert dafür, die Perspektive zu verändern, um ein differenzierteres, positiveres Bild des Kontinents zu zeichnen. Hierbei könnten afrikanische Journalisten helfen, weil …
"… die Zukunft der deutschsprachigen Afrika-Berichterstattung in den fähigen Händen afrikanischer Medienprofis liegt".
Sind afrikanische Journalisten also die besseren Autoren? Hier macht es sich Martin Sturmer zu einfach. Denn viele dieser afrikanischen Autoren stehen ebenfalls unter massiven Zwängen, allen voran Geldnöten. Diese Zwänge fordern auch ihnen Kompromisse ab. Es gehört schon eine gute Portion Mut und ein eiserner, unbeugsamer Charakter dazu, aus Ländern zu berichten, in denen die Pressefreiheit eingeschränkt ist und wo die Korruption grassiert.
Ausländische Berichterstatter haben hier häufig bessere Recherchebedingungen als Einheimische. Diese bekommen oft den Arm des Gesetzes zu spüren, wenn der eingeflogene Kollege längst wieder im sicheren Flugzeug sitzt. Sind das jetzt wieder die von Sturmer beschriebenen Negativ-Klischees? Nein, auch das ist die afrikanische Realität, die geschildert werden muss - neben all den positiven Entwicklungen.
Themen zu erkennen, einzuordnen und sie für ein deutsches Publikum aufzubereiten, möglichst gut recherchiert, möglichst objektiv, möglichst einfühlsam: das bleibt die Aufgabe der Auslandskorrespondenten - und einige von ihnen machen bessere Arbeit, als Michael Sturmer vermuten lässt. Sein Bild der deutschen Journalisten ist schon arg negativ.
Natürlich ist die enge Zusammenarbeit mit afrikanischen Kollegen unerlässlich, zu groß ist der Kontinent, zu groß einzelne Berichtsgebiete, um sie allein sorgfältig beobachten und interpretieren zu können.
Martin Sturmers Buch ist gut lesbar und kurzweilig. Es liefert zwar keine grundlegend neuen Analysen, keine aufrüttelnden Erkenntnisse, wie es Lutz Mükke vor ihm getan hat. Nichtsdestotrotz ist es ein überzeugendes Plädoyer für eine differenzierte, mutige Afrika-Berichterstattung in den deutschen Medien - jenseits des Krisen-Konflikten-Krankheiten-Mainstreams. Empfohlen nicht nur für Chefredakteure!
"… die Zukunft der deutschsprachigen Afrika-Berichterstattung in den fähigen Händen afrikanischer Medienprofis liegt".
Sind afrikanische Journalisten also die besseren Autoren? Hier macht es sich Martin Sturmer zu einfach. Denn viele dieser afrikanischen Autoren stehen ebenfalls unter massiven Zwängen, allen voran Geldnöten. Diese Zwänge fordern auch ihnen Kompromisse ab. Es gehört schon eine gute Portion Mut und ein eiserner, unbeugsamer Charakter dazu, aus Ländern zu berichten, in denen die Pressefreiheit eingeschränkt ist und wo die Korruption grassiert.
Ausländische Berichterstatter haben hier häufig bessere Recherchebedingungen als Einheimische. Diese bekommen oft den Arm des Gesetzes zu spüren, wenn der eingeflogene Kollege längst wieder im sicheren Flugzeug sitzt. Sind das jetzt wieder die von Sturmer beschriebenen Negativ-Klischees? Nein, auch das ist die afrikanische Realität, die geschildert werden muss - neben all den positiven Entwicklungen.
Themen zu erkennen, einzuordnen und sie für ein deutsches Publikum aufzubereiten, möglichst gut recherchiert, möglichst objektiv, möglichst einfühlsam: das bleibt die Aufgabe der Auslandskorrespondenten - und einige von ihnen machen bessere Arbeit, als Michael Sturmer vermuten lässt. Sein Bild der deutschen Journalisten ist schon arg negativ.
Natürlich ist die enge Zusammenarbeit mit afrikanischen Kollegen unerlässlich, zu groß ist der Kontinent, zu groß einzelne Berichtsgebiete, um sie allein sorgfältig beobachten und interpretieren zu können.
Martin Sturmers Buch ist gut lesbar und kurzweilig. Es liefert zwar keine grundlegend neuen Analysen, keine aufrüttelnden Erkenntnisse, wie es Lutz Mükke vor ihm getan hat. Nichtsdestotrotz ist es ein überzeugendes Plädoyer für eine differenzierte, mutige Afrika-Berichterstattung in den deutschen Medien - jenseits des Krisen-Konflikten-Krankheiten-Mainstreams. Empfohlen nicht nur für Chefredakteure!
Martin Sturmer: Afrika! Plädoyer für eine differenzierte Berichterstattung
UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2013
192 Seiten, 29 Euro
UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2013
192 Seiten, 29 Euro