Neuer Labour-Chef erzürnt die Monarchisten
Bei seinem ersten Unterhaus-Auftritt als Oppositionsführer brach Jeremy Corbyn mit einem Ritual des britischen Parlaments und las E-Mails von Bürgern vor. Die Boulevardpresse wütet noch aus einem anderen Grund gegen den erklärten Republikaner.
Das Unterhaus war bis auf den letzten Platz besetzt, Minister standen in die Gangreihen links und rechts der Sitzreihen, um den Shooting Star der britischen Politik bei seinem ersten Auftritt als Führer der Opposition zu erleben.
In ruhigen Ton bedankte sich Jeremy Corbyn bei allen, die ihn gewählt und unterstützt haben. Dann ging er sofort auf den Rahmen der Debatte ein, die Prime Minister's Questions, die Fragestunde an den Premierminister. Vor Ort im Land hätten ihm die Menschen bedeutet, dass die Debatten anders und ehrlicher verlaufen sollten:
"Viele halten die Fragestunde für zu theatralisch, das Unterhaus habe den Kontakt verloren. Sie wollen, dass ihre Stimme im Parlament zu Gehör gebracht wird."
Überraschend las Jeremy Corbyn dann Fragen von Bürgern vor, die er per E-Mail dazu aufgefordert hatte:
"40.000 Antworten habe ich erhalten."
Eine Innovation im britischen Unterhaus, die nicht ohne Kritik blieb. Im Parlament würden Beiträge der Abgeordneten erwartet und nicht abgelesene Redebeiträge oder Fragen von außerhalb. Andere gestanden zu, dass die Prime Minister's Questions Time tatsächlich zu viele Showelemente beinhalte.
Cameron gratuliert zum "großartigen Sieg"
David Cameron, der Premierminister, blieb erst noch zurückhaltend und gratulierte höflich seinem neuen Gegenspieler zu seinem großartigen Sieg in der Urwahl, um dann auf Angriff umzuschalten auf die Frage, was er denn für die Flüchtlinge tue:
"Wir halten uns an die Zielmarke, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gegen alle Widerstände als Entwicklungshilfe auszugeben. Und das tun wir auch unter allerschwierigsten ökonomischen Umständen. Wir halten uns an das Versprechen für die Ärmsten der Welt."
Jeremy Corbyn verlas Fragen zur Wohnungsnot im Land, zum Gesundheitswesen und zu Kürzungen im Sozialhaushalt – und gab damit die inhaltliche Ausrichtung vor. David Cameron konterte, nichts werde besser, wenn nicht die Wirtschaft floriert.
Die Hymne nicht mitgesungen
Hinterher lauteten die Analysen, dass Jeremy Corbyn bei den Antworten hätte nachhaken sollen. Aber er habe einen guten Auftritt hingelegt und auf die üblichen Rituale verzichtet.
Ein guter Tag also für Jeremy Corbyn, wenn es nicht den Eklat um eine gestrige Gedenkveranstaltung zum Zweiten Weltkrieg gäbe. Corbyn hatte die Nationalhymne nicht mitgesungen, weil er Republikaner und gegen die Monarchie sei. Der Boulevard war am Morgen außer sich. Und selbst Parteifreunde rügten, das habe doch die Gefühle vieler Briten verletzt.