Ein klares Zeichen gegen Antisemitismus
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Die UNESCO erhebt den jüdischen Gemeindeverbund der Städte Speyer, Worms und Mainz zum Weltkulturerbe. Die Auszeichnung für jüdisches Kulturgut in Deutschland sei schon lange fällig und helfe im Kampf gegen Antisemitismus, findet Ludger Fittkau.
"SchUM" – diese fünf Buchstaben stehen für die mittelalterlichen hebräischen Städtenamen Schpira, (U-) Warmasia und Magenza. Gemeint sind die heutigen Städte Speyer, Worms und Mainz. Der Verbund der jüdischen Gemeinden am Oberrhein wurde im Jahr 1220 gegründet.
Synagogen, jüdische Lehrhäuser, Mikwen und auch der älteste noch erhaltene jüdische Friedhof Europas in Worms strahlten kulturell so stark aus, dass die SchUM-Städte bereits im Mittelalter im aschkenasischen, also dem mittel-, nord- und osteuropäischen Judentum, den Beinamen "Jerusalem am Rhein" erhielten.
Architektonische Relikte dieser einstigen Blütezeit sind noch in allen drei Orten zu entdecken. Am 27.7.2021 hat die UNESCO den Status der SchUM-Städte als Weltkulturerbe anerkannt.
Kreuzzüge schon ab Ende des 11. Jahrhunderts, mittelalterliche Pogrome und selbst der Nationalsozialismus: Diese antisemitischen Exzesse verschiedener Epochen haben es nicht geschafft, die Spuren der vermutlich bis in die Antike zurückreichenden jüdischen Hochkultur am Oberrhein zu vernichten.
Nach dem Hochwasser: Grund zur Freude für die Region
Jetzt sind sie auch über die Region hinaus ins kollektive Gedächtnis der Welt zurückgeholt worden. Es ist überhaupt das erste Mal, dass jüdisches Kulturgut in Deutschland von der UNESCO ausgezeichnet wurde.
Ein besonderer Grund zur Freude ist dies nach der Hochwasserkatastrophe im Norden und Osten von Rheinland-Pfalz. Das Land hatte die Welterbe-Bewerbung tatkräftig unterstützt. Die SchUM-Städte liegen alle in diesem Bundesland, das gute Nachrichten gerade jetzt bitter nötig hat. Für Rheinland-Pfalz bedeutet das UNESCO-Label eine weitere kulturelle Aufwertung.
Schon jetzt ziehen vor allem die mittelalterlichen Dome in Speyer, Worms und Mainz viele Kulturtouristen an, oder auch die römischen Gebäude in Trier. Doch nun werden auch die weniger bekannten Monumente der jüdischen Kulturgeschichte dieser Region ins Licht gerückt – was sie schon lange verdient gehabt hätten.
Der älteste noch erhaltene jüdische Friedhof Europas
Wer jetzt etwa den Dom in Worms besucht oder im Sommer auf dem Außengelände nebenan die Nibelungenfestspiele genießt, wird auch den kurzen Gang zum "Heiligen Sand" wohl nicht mehr verpassen. Dort kann man eintauchen in eine grüne, leicht hügelige Wiesen-Landschaft, in der unzählige verwitterte und schief stehende Steine aus dem Gras ragen.
Was anmutet wie eine bretonische oder irische Menhir-Anlage sind jedoch keineswegs keltische Überbleibsel: Es sind vielmehr 2500 jüdische Grabsteine, die teilweise mehr als tausend Jahre alt sind.
Der "Heilige Sand", wie der Friedhof seit Jahrhunderten heißt, ist ein Ort mit einer ganz besonderen, kontemplativen Aura. Wer nach Worms kommt, sollte sich Zeit für ihn nehmen. Mit dem nun vergebenen UNESCO-Prädikat gibt es nun keinen Grund mehr, dieses und andere großartige Zeugnisse des mittelalterlichen "Jerusalem am Rhein" weiterhin zu übersehen. Herzlichen Glückwunsch, Rheinland-Pfalz!
Das UNESCO-Label für die SchUM-Städte ist jedoch auch für ganz Deutschland eine Auszeichnung: Nach Auschwitz sollte sie mit großer Demut und Dankbarkeit angenommen werden. Denn, zu guter Letzt: Ein Weltkulturerbe-Status ist auch ein klares Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus.