Jesus als Prediger des Kynismus
Kynismus ist die Lehre der Bedürfnislosigkeit. Der Autor, ein Religionswissenschaftler, trägt nun Anhaltspunkte dafür zusammen, dass Jesus als Prediger von Besitzlosigkeit und Nächstenliebe viele Gemeinsamkeiten mit Leben und Lehre der Kyniker aufweist.
Der Titel provoziert: ein abschätziges Pamphlet über Jesus als Hund? Eine Parodie? Nein: Der Paderborner Theologe Bernhard Lang stellt den Mann aus Nazareth als jüdischen Kyniker vor. Und Kyniker verspottete man einst als Hunde. Denn diese Philosophen, so Lang, lebten im alten Griechenland mittellos wie streunende Vierbeiner. Kyniker waren gescheite Denker und gewitzte Rhetoriker. Statt "Je reicher, desto glücklicher" verkündeten sie: "Je weniger du hast, um so größer sind helles Lebensglück und heitere, unbeschwerte Stimmung."
Mit zahlreichen Zitaten verdeutlicht Lang: Lehre und Praxis fallen bei den Kynikern meist zusammen. Ihre Lebensform ist geprägt von Besitz- und Ehelosigkeit, von Friedensliebe, Nächstenliebe und Feindesliebe.
War auch Jesus Kyniker? Er lebte ehelos und unbegütert, war einem Festmahl jedoch nie abgeneigt. Er predigte in Gleichnissen, die jeder verstehen konnte. Gottes- und Nächstenliebe sind Zentrum seiner Botschaft. Auch er forderte, die Feinde zu lieben.
Bevor Bernhard Lang, Professor für Religionswissenschaft und Altes Testament in Paderborn, Jesus als Anhänger und Prediger des Kynismus ausweist, skizziert er den jüdischen Wanderprediger als elijanischen Propheten. Elija war ein Gottesmann mit magischen Kräften, der im Alten Testamen im Feuerwagen zum Himmel auffährt. Im Neuen Testament dient Elija als "Referenzgestalt" sowohl für Johannes den Täufer als auch für Jesus.
Mit Blick auf zahlreiche Entsprechungen zwischen Elija einerseits und Johannes sowie Jesus andererseits kommt Lang zu dem Schluss: Johannes und Jesus "haben sich selbst in der Nachfolge Elijas gesehen". Sie wollten ihm gleichen.
Für Lang reicht die Elija-Überlieferung nicht aus, Leben und Wirken Jesu vollständig zu erklären. Daher greift er auf die philosophische Tradition der Kyniker zurück. Denn in Palästina lässt sich eine jüdische Rezeption des Kynismus seit 200 v.Chr. nachweisen.
In griechisch geprägten Städten wie z.B. Sepphoris in Galiläa verbinden sich hebräische und griechische Kultur, Philosophie und Prophetie. So wird "Jesus der Jude" in Langs Augen zum elijanischen Propheten und kynischen Philosophen, kurz: zum jüdischen Kyniker, verkürzt zu "Jesus der Hund".
Bernard Langs Studie ist originell und gut lesbar. Auf rund 170 Seiten Text neben ausführlichem Anhang inklusive Quellenmaterial macht er vor allem mit dem Kynismus vertraut. Seine Ausführungen regen an – nur sind sie nicht immer schlüssig. Denn der Autor überschätzt den Einfluss griechischer Kultur auf Jesu Leben, insbesondere auf dessen Lehre. Griechische Prägung ist zumindest in der Jesusüberlieferung der Evangelien kaum nachzuweisen. Zwar findet man etwa Worte zur Ausrüstung der Jünger mit Stab und Vorratstasche, doch radikalisiert Jesus die asketischen Vorgaben der Kyniker – und setzt sich so von diesen ab.
Vor allem aber ist die Stoßrichtung der Botschaft Jesu, das Verständnis seiner selbst als endzeitlicher Bote der Gottesherrschaft nicht vom Kynismus her zu erklären. Da sind Langs Hinweise auf das elijanische Judentum hilfreicher.
Besprochen von Thomas Kroll
Bernhard Lang: Jesus der Hund. Leben und Lehre eines jüdischen Kynikers
Beck’sche Reihe, Bd. 1957
C.H. Beck Verlag, München 2010
240 Seiten, 12,95 Euro
Mit zahlreichen Zitaten verdeutlicht Lang: Lehre und Praxis fallen bei den Kynikern meist zusammen. Ihre Lebensform ist geprägt von Besitz- und Ehelosigkeit, von Friedensliebe, Nächstenliebe und Feindesliebe.
War auch Jesus Kyniker? Er lebte ehelos und unbegütert, war einem Festmahl jedoch nie abgeneigt. Er predigte in Gleichnissen, die jeder verstehen konnte. Gottes- und Nächstenliebe sind Zentrum seiner Botschaft. Auch er forderte, die Feinde zu lieben.
Bevor Bernhard Lang, Professor für Religionswissenschaft und Altes Testament in Paderborn, Jesus als Anhänger und Prediger des Kynismus ausweist, skizziert er den jüdischen Wanderprediger als elijanischen Propheten. Elija war ein Gottesmann mit magischen Kräften, der im Alten Testamen im Feuerwagen zum Himmel auffährt. Im Neuen Testament dient Elija als "Referenzgestalt" sowohl für Johannes den Täufer als auch für Jesus.
Mit Blick auf zahlreiche Entsprechungen zwischen Elija einerseits und Johannes sowie Jesus andererseits kommt Lang zu dem Schluss: Johannes und Jesus "haben sich selbst in der Nachfolge Elijas gesehen". Sie wollten ihm gleichen.
Für Lang reicht die Elija-Überlieferung nicht aus, Leben und Wirken Jesu vollständig zu erklären. Daher greift er auf die philosophische Tradition der Kyniker zurück. Denn in Palästina lässt sich eine jüdische Rezeption des Kynismus seit 200 v.Chr. nachweisen.
In griechisch geprägten Städten wie z.B. Sepphoris in Galiläa verbinden sich hebräische und griechische Kultur, Philosophie und Prophetie. So wird "Jesus der Jude" in Langs Augen zum elijanischen Propheten und kynischen Philosophen, kurz: zum jüdischen Kyniker, verkürzt zu "Jesus der Hund".
Bernard Langs Studie ist originell und gut lesbar. Auf rund 170 Seiten Text neben ausführlichem Anhang inklusive Quellenmaterial macht er vor allem mit dem Kynismus vertraut. Seine Ausführungen regen an – nur sind sie nicht immer schlüssig. Denn der Autor überschätzt den Einfluss griechischer Kultur auf Jesu Leben, insbesondere auf dessen Lehre. Griechische Prägung ist zumindest in der Jesusüberlieferung der Evangelien kaum nachzuweisen. Zwar findet man etwa Worte zur Ausrüstung der Jünger mit Stab und Vorratstasche, doch radikalisiert Jesus die asketischen Vorgaben der Kyniker – und setzt sich so von diesen ab.
Vor allem aber ist die Stoßrichtung der Botschaft Jesu, das Verständnis seiner selbst als endzeitlicher Bote der Gottesherrschaft nicht vom Kynismus her zu erklären. Da sind Langs Hinweise auf das elijanische Judentum hilfreicher.
Besprochen von Thomas Kroll
Bernhard Lang: Jesus der Hund. Leben und Lehre eines jüdischen Kynikers
Beck’sche Reihe, Bd. 1957
C.H. Beck Verlag, München 2010
240 Seiten, 12,95 Euro