Jesus auf Polens Thron

Von Marta Kupiec |
In Polen gibt es eine katholische Bewegung, die sich ein besonderes religiös-politisches Ziel gesetzt hat: Jesus soll offiziell als "König von Polen" anerkannt werden. Die Amtskirche geht auf Distanz zu dieser Idee, die Gläubigen sind in der Sache sehr gespalten.
Marcin Majewski ist ein Krakauer Theologie-Dozent. Tagsüber arbeitet er an der päpstlichen Universität, abends für den Verein "Rose". In den Vereinsräumen fällt der Blick der Besucher sofort auf das Porträt einer Frau, der Namensgeberin. Es ist Rozalia Celakowna - eine polnische Krankenschwester, verstorben vor 68 Jahren, eine Trostspenderin für Menschen am Rande der Gesellschaft. Über ihre Taten gibt es bereits Lieder.

Ende der 1930er-Jahre hatte sie Visionen, in denen es hieß: Polen solle Jesus Christus zum König erklären, als Abbitte für seine Sünden - andernfalls werde es zu einem schrecklichen Krieg kommen. Niemand folgte diesen Visionen damals, heute sei nun eine konkrete Tat notwendig, sagt der Theologe Majewski:

"Unser Verein setzt sich zum Ziel, die Mission von Rozalia Celakowna, also die Inthronisation Christi in Polen zu verbreiten, auch außerhalb des Landes. Rozalia sprach davon, dass Polen als erstes Land diesen Akt vollziehen solle und andere Länder ihm dann folgen sollen. Es geht darum, dass Jesus Christus zum König von Polen ernannt wird, also dass Gottes Recht herrscht, dass die zehn Gebote in einem katholischen Land wie Polen respektiert werden. Jesus verlangte das ganz konkret - dieser Akt soll sowohl von der weltlichen als auch von der kirchlichen Macht vollzogen werden."

Die Idee einer solchen Inthronisation ist nicht neu. 1656 erklärte König Johann Kasimir die Mutter Gottes zur "Königin Polens". Und 1925 wurde Jesus vom Papst Pius XI. zum "König des Universums" ernannt. In seiner Enzyklika über das Christkönigsfest forderte der Papst, dass Christus in den Parlamenten herrschen und ihm die Hoheitsrechte über die Gesamtheit der öffentlichen Angelegenheiten zugesprochen werden sollen. Dies heute auch nur in einem Land umzusetzen, wäre ein schwieriges Unterfangen - das ist mittlerweile vielen Polen klar. Für den Dominikaner Jan Kulig, der der Berliner St. Paulus-Kirchengemeinde vorsteht, ist es zudem eher ein unnötiger Akt:

"Auf der einen Seite ist es gut, dass wir Gott verehren und seine Bedeutung in unserem Leben betonen. Aber ich denke, dass Gott es nicht nötig hat, zu unterstreichen, dass er ein König im politischen Sinne ist. Es geht vielmehr darum, dass er König unserer Herzen ist, unseres Lebens, also im geistigen Sinne. Ich meine, Gott verlangt einen solchen Akt nicht von uns. Gott ist ein König so wie so, wir müssen ihn nicht zwanghaft daran erinnern, es auch nicht bekennen. Er ist ein König, der den Menschen nicht regieren will, sondern die Macht der Liebe und der Barmherzigkeit inne hat und mit dieser Liebe dem Menschen dienen will."

Seit neun Jahren engagiert sich der Verein "Rose" für die Seligsprechung Celakownas. 2007 wurde der polnische Teil des Prozess abgeschlossen, die Akten liegen nun zur Untersuchung im Vatikan. Die Vereinigung gibt Informationshefte heraus und organisiert Märsche, in der Hoffung, dass die Polen Jesus als ihren König anerkennen.

Eine Vision, die das Staatskonzept auf den Kopf stellt, das weiß Theologe Majewski nur zu gut:

"Es ist ein schwieriges Unterfangen, weil man auf den ersten Blick sagen könnte - wir wollen den Anderen den Glauben aufdrängen, einen katholischen Staat etablieren oder sogar einen Religionsstaat, in dem die Geistlichen regieren, was noch schlimmer wäre. Das ist eine falsche Denkweise. Zwar soll der Inthronisationsakt gemeinsam durch die Bischofskonferenz und die Regierung ausgedrückt werden. Es heiß jedoch nicht, dass der einzelne Bürger es auch tun muss. Der Widerstand ist groß, weil die Idee mit einem bestimmten Staatskonzept verbunden ist, und die Tendenz heute in Richtung eines laizistischen Staats geht."

Wenig Hoffnung auf die Inthronisation macht sich auch Pater Tadeusz Kiersztyn aus Krakau. Jahrelang hat der ehemalige Jesuit den Seligsprechungsprozess von Rozalia Celakowna vorbereitet. Meinungsdifferenzen zwischen ihm und der Kurie, wie Celakownas Vision interpretiert werden soll, sowie seine Unnachgiebigkeit im Kampf um "Jesus König von Polen" haben der Amtskirche nicht gefallen. Die Bischöfe sind der Meinung, dass Celakowna von einer Inthronisation des Herzens Jesu sprach, es soll also um die Verehrung seiner durch sein Herz symbolisierten Liebe gehen. Ein anderes, politisches Königtum lehnen sie ab.

Zum endgültigen Bruch kam es, als Pater Kiersztyn anfing, manche Priesterkollegen wegen ihrer liberalen Einstellungen zu kritisieren und von "freimaurerischem" Gedankengut zu sprechen. Die liberale Presse bezeichnet ihn bis heute als Kirchenspalter. Er selbst sieht sich vielmehr als Opfer und versteht nicht ganz, warum sich beim Thema "Jesus König von Polen" so viele Gemüter erhitzen

"Die Anliegen eines Staates ohne Gott zu regeln, das führt zu Ungerechtigkeit und Gewalt, zu Lösungen, die für die menschliche Zivilisation verheerende Folgen haben. Menschen, die sich für klüger als Gott halten, ihr Glück im Hedonismus und Libertinismus suchen - sie geben heutzutage die Richtung an. Aber das ist eine falsche Richtung. Auf lange Sicht fühlt sich der Mensch bedroht - zum Beispiel im ökonomischen Sinne: Die Krise kommt, alles wird zusammenstürzen. Die Gefahr des dritten Weltkrieges ist da - das ist eine große Gefahr."

Dass der Mensch die Überlegenheit Gottes anerkennt und ihn nicht nur im Herzen, sondern auch in der Familie, in den Gemeinden, Städten und im Staat regieren lässt - das ist die Wunschvorstellung von Pater Kiersztyn. In unserer krisengeschüttelten Zeit wäre das seiner Meinung nach ein Rettungsanker:

"Gott zeigt uns, wie man siegt, die Inthronisation ist ein göttlicher Wegweiser zur Rettung. Um ihr Leben zu erhalten, muss die Menschheit die Macht Gottes über sich anerkennen. Ob die weltliche Macht und die kirchliche das tun, ist fraglich. Aber jeder, der Rettung sucht, kann es in seinem eigenen Namen tun, indem er Jesus als König von Polen, König von Deutschland oder von Ungarn anerkennt - zumal die Heilige Schrift sagt, dass Gott Herrscher der Nationen ist. Von diesem einfachen Akt hängt ab, ob Gott später durchgreift."

Zwar haben vor einigen Jahren schon 46 polnische Abgeordnete das Vorhaben in einer Resolution unterstützt, doch bisher blieben sie erfolglos. Die Bewegung spaltet vielmehr die polnische Öffentlichkeit und die kirchlichen Würdenträger. Unter anderem weil er massiv für die Inthronisation Jesu zum König von Polen geworben hat und einige Katholiken trotz Ermahnung der Kurie zu "Rittern des Christkönigs" berufen hatte, wurde ein Krakauer Priester, Piotr Natanek, von seinem Dienst suspendiert. Seine Anhänger kamen im vergangenen September in roten Christ-König-Umhängen zu der Papstmesse im Berliner Olympiastadion und zogen die fragenden Blicke vieler Besucher auf sich. Auch der Dominikaner Jan Kulig war erstaunt über den Anblick:

"Auch für mich war das sehr exotisch und unbegreiflich. Also muss es umso unverständlicher sein für einen Deutschen, der die polnische Religiosität nicht versteht. Ich denke, dass die Kirche und Gläubige in Deutschland andere Probleme zu lösen haben. Ein Durchschnittskatholik wird sich in Deutschland für dieses Thema nicht interessieren. Wenn überhaupt, dann eher im Sinne einer Sensation, aber ernst wird dieses Thema nicht genommen. Es wird eher der Eindruck bleiben, die polnische Kirche habe sich etwas Sonderbares einfallen lassen."

Der Eindruck ist falsch, denn die polnischen Bischöfe haben dem Vorhaben bislang nicht zugestimmt. Sie wollen insbesondere eine Vermischung von Politik und Religion vermeiden.

Weil sich auch in der Politik bislang nur wenige Unterstützer gefunden haben, geht die Bewegung mittlerweile auf die Straße - in Warschau, Krakau, Lublin und Breslau demonstrierten vor zwei Jahren mehrere tausend Menschen für die Ernennung Jesu zum "König von Polen".

Während das katholische Polen über die Inthronisation streitet, hat eine Kleinstadt in Litauen, Salcininkai, schon vor zwei Jahren Jesus Christus zu ihrem König ernannt. Der Schritt, so die Stadtväter, sei eine Ermunterung der Bevölkerung zur Einhaltung der zehn Gebote und könne nur Gutes zur Folge haben. Hier wird allerdings auch kein Staatskonzept in Frage gestellt. Die Mehrheit der Einwohner von Salcininkai stammt übrigens aus Polen.
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