Jiddische Musik jenseits der Synagoge
Der Yiddish Summer in der Musikschule Otmar Gerster ist bereits eine feste Institution. Jiddische Lieder, Klezmer und Tänze locken die Teilnehmer über viele Jahre nach Weimar. Bisher ging es vor allem um die west- und ostaskenasische Musik, neuerdings geht es um neue, aktuelle jiddische Musik.
Der hochgewachsen bärtige Musiker Efim Chorny ist aus Kischinjow nach Weimar gereist. Bereits mehrmals hat er in den vergangenen Jahren Workshops geleitet. Er ist Spezialist für Nigunim, eine aus dem Chassidischen stammende Liedform ohne Worte.
"Nigun, das ist ein Lied ohne Wörter, a song without words."
Die Chassiden singen Nigunim, weil sie meinen, ohne Worte könne man Gott näher kommen, sagt Efim Chorny. Der Rebbe Josef Jizchak von Lubawitsch lehrte sogar, dass ein Nigun Fenster in der Seele öffnen könne. Für den eher säkularen Moldawier ist das die Seele der reichen musikalischen Tradition des Judentums.
"Es ist sehr schön, die Geschichte und die Tradition zu kennen. Es ist doch ein Teil unserer Kultur."
Zusammen mit Susan Ghergus nutzt Efim Chorny den leicht erlernbaren Rhythmus und die Melodie eines Nigun, um damit auch ganz neue jiddische Texte einzustudieren, wie das Lied "Fun gornit nemt zikg gornit" – von nichts kommt nichts.
"Ja, ich hob geschrieben die Wörter zwei Wochen zurück."
Der Yiddish Summer in der Musikschule Otmar Gerster ist längst eine feste Institution in Weimar geworden, wie die Sommerkurse an der benachbarten Musikhochschule. Und die meisten Kursteilnehmer waren bereits mehrfach dabei, wie diese beiden Studentinnen aus Wien und Zürich:
"Meine Mutter hat auch schon viel Klezmer gespielt und hat mich da ein bisschen mit rein gezogen. Und dann bin ich hierhergekommen das erste Mal und danach hat’s mich nicht mehr los gelassen."
"Ich komm aus Zürich aus der Schweiz und studiere Medizin und bin dann über einen Sprachkurs hier gelandet und seither hängen geblieben. Und komme immer wieder, das ist ganz klar, jeden Sommer."
Jiddische Lieder, Klezmer, Tänze, Konzerte. Ging es in den vergangenen Jahren vor allem um traditionelle Aspekte – die west- und ostaskenasische Musik oder die Verbindung jüdischer und deutscher Volkslieder -, so zeigt das Festival nun, wie lebendig und kreativ die Szene sein kann.
"Neue jüdische Musik. Das ist ein Begriff, den ich für dieses Jahr geprägt habe. Das gab es noch nicht."
Sagt der Festivalgründer Alan Bern. Der Amerikaner hat längst feste Wurzeln in Weimar geschlagen, auch durch den Verein "Other Music", dem er vorsteht. Mit dem Thema "Neue Jiddische Musik" möchte er an die säkulare jüdische Kultur in den 20er, 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts anknüpfen. Damals, sagt Alan Bern, habe es in Europa viele Maler, Komponisten oder Literaten jenseits der Synagoge gegeben. Heute spreche man fast nur noch in streng religiösen Kreisen jiddisch, etwa in Mea Shearim oder Brooklyn.
"Das heißt, die jiddische Kultur, die heute wirklich lebendig ist, ist nicht die, die wir hier vertreten. Die wir vertreten, wurde tatsächlich ein bisschen ausgelöscht. Nichtsdestotrotz finden wir, dass das eine sehr, sehr wertvolle Kultur und Welt war, die nicht nur nicht vergessen werden darf."
Sie sollte auch weiter entwickelt werden. Und so stehen auf dem Plan beispielsweise Lieder des amerikanischen Songwriters Michael Alpert.
"`Klaybt zikh tsunoyf` ist ein Lied von Michael Alpert, der dieses Jahr nicht hier ist. Er hat das geschrieben 1983. Das ist ein sehr beherztes Lied, es ist ein Aufruf, dass Menschen zusammen kommen sollen. Ein bisschen ist das eine Antwort auf die Tendenz, jiddische Lieder immer als traurig zu sehen."
Oft wird in den jiddischen Liedern von Shabbes gesungen, von Challe und Wein.
Und so feiern Dozenten, Kursteilnehmer und Gäste auch zusammen Kabbalat Schabbat. Geleitet wird der Abend von Sveta Kundish, zusammen mit der in Berlin lebenden Lettin Sasha Lurje:
"...das ist nicht ein Ritual oder Gottesdienst, überhaupt nicht."
Aber sie folgen einer Stimme des Herzen, jiddisch "A shtim fun harts" und erfüllen so das wichtigste Schabbes-Gebot, sagt Sveta.
"Man muss sich ausruhen und ein sehr wichtiger Aspekt ist, du musst Zeit mit deiner Familie verbringen, sich miteinander unterhalten, zusammen essen, zusammen trinken, Geschichten erzählen. Das ist genau, was wir machen – das ist für mich Schabbat."
Sveta Kundish studiert seit einem Jahr Kantorin am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Nebenbei singt sie in Konzerten traditionelle jüdische Lieder. Wer in Russland geboren, in Israel aufgewachsen und dann nach Deutschland gezogen ist, hat einiges zu erzählen. Deshalb gefällt ihr auch das Motto "Neue jiddische Musik":
"Ich habe immer Lieder gesungen, die von anderen verfasst und geschrieben wurden und das wäre für mich ein wunderbarer Anfang und Impuls für Versuch, neue Lieder zu schreiben, auf einem sehr persönlichen Niveau. Und ich glaube, jiddische Kultur und Klezmer brauchen auch neue Lieder neue Kompositionen, damit die Tradition sich weiter entwickelt und das passiert natürlich."
Und vielleicht gelinge es in Zukunft auch mit dem neuen Lehrstuhl für "Geschichte der jüdischen Musik" an der Musikhochschule Franz Liszt zusammen zu arbeiten, hofft Alan Bern. Das würde den Yiddish Summer bereichern.
"Die Hochschule müsste offen sein für unsere Methoden, die nicht orthodox sind, auch für die ganze Bandbreite dessen, was wir hier machen."
Immerhin werden Alan Bern und andere Dozenten gleich nach Abschluss des Yiddish Summer mit Lehrstuhlinhaber Prof. Jascha Nemzow gemeinsam auf der Bühne stehen – bei den Jüdischen Kulturtagen in Berlin.
Weitere Beiträge zum Yiddish Summer:
"So lange sie singen konnte, war sie am Leben"
Brückenbauer für Kulturen
Jiddische und deutsche Musikkultur
"Nigun, das ist ein Lied ohne Wörter, a song without words."
Die Chassiden singen Nigunim, weil sie meinen, ohne Worte könne man Gott näher kommen, sagt Efim Chorny. Der Rebbe Josef Jizchak von Lubawitsch lehrte sogar, dass ein Nigun Fenster in der Seele öffnen könne. Für den eher säkularen Moldawier ist das die Seele der reichen musikalischen Tradition des Judentums.
"Es ist sehr schön, die Geschichte und die Tradition zu kennen. Es ist doch ein Teil unserer Kultur."
Zusammen mit Susan Ghergus nutzt Efim Chorny den leicht erlernbaren Rhythmus und die Melodie eines Nigun, um damit auch ganz neue jiddische Texte einzustudieren, wie das Lied "Fun gornit nemt zikg gornit" – von nichts kommt nichts.
"Ja, ich hob geschrieben die Wörter zwei Wochen zurück."
Der Yiddish Summer in der Musikschule Otmar Gerster ist längst eine feste Institution in Weimar geworden, wie die Sommerkurse an der benachbarten Musikhochschule. Und die meisten Kursteilnehmer waren bereits mehrfach dabei, wie diese beiden Studentinnen aus Wien und Zürich:
"Meine Mutter hat auch schon viel Klezmer gespielt und hat mich da ein bisschen mit rein gezogen. Und dann bin ich hierhergekommen das erste Mal und danach hat’s mich nicht mehr los gelassen."
"Ich komm aus Zürich aus der Schweiz und studiere Medizin und bin dann über einen Sprachkurs hier gelandet und seither hängen geblieben. Und komme immer wieder, das ist ganz klar, jeden Sommer."
Jiddische Lieder, Klezmer, Tänze, Konzerte. Ging es in den vergangenen Jahren vor allem um traditionelle Aspekte – die west- und ostaskenasische Musik oder die Verbindung jüdischer und deutscher Volkslieder -, so zeigt das Festival nun, wie lebendig und kreativ die Szene sein kann.
"Neue jüdische Musik. Das ist ein Begriff, den ich für dieses Jahr geprägt habe. Das gab es noch nicht."
Sagt der Festivalgründer Alan Bern. Der Amerikaner hat längst feste Wurzeln in Weimar geschlagen, auch durch den Verein "Other Music", dem er vorsteht. Mit dem Thema "Neue Jiddische Musik" möchte er an die säkulare jüdische Kultur in den 20er, 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts anknüpfen. Damals, sagt Alan Bern, habe es in Europa viele Maler, Komponisten oder Literaten jenseits der Synagoge gegeben. Heute spreche man fast nur noch in streng religiösen Kreisen jiddisch, etwa in Mea Shearim oder Brooklyn.
"Das heißt, die jiddische Kultur, die heute wirklich lebendig ist, ist nicht die, die wir hier vertreten. Die wir vertreten, wurde tatsächlich ein bisschen ausgelöscht. Nichtsdestotrotz finden wir, dass das eine sehr, sehr wertvolle Kultur und Welt war, die nicht nur nicht vergessen werden darf."
Sie sollte auch weiter entwickelt werden. Und so stehen auf dem Plan beispielsweise Lieder des amerikanischen Songwriters Michael Alpert.
"`Klaybt zikh tsunoyf` ist ein Lied von Michael Alpert, der dieses Jahr nicht hier ist. Er hat das geschrieben 1983. Das ist ein sehr beherztes Lied, es ist ein Aufruf, dass Menschen zusammen kommen sollen. Ein bisschen ist das eine Antwort auf die Tendenz, jiddische Lieder immer als traurig zu sehen."
Oft wird in den jiddischen Liedern von Shabbes gesungen, von Challe und Wein.
Und so feiern Dozenten, Kursteilnehmer und Gäste auch zusammen Kabbalat Schabbat. Geleitet wird der Abend von Sveta Kundish, zusammen mit der in Berlin lebenden Lettin Sasha Lurje:
"...das ist nicht ein Ritual oder Gottesdienst, überhaupt nicht."
Aber sie folgen einer Stimme des Herzen, jiddisch "A shtim fun harts" und erfüllen so das wichtigste Schabbes-Gebot, sagt Sveta.
"Man muss sich ausruhen und ein sehr wichtiger Aspekt ist, du musst Zeit mit deiner Familie verbringen, sich miteinander unterhalten, zusammen essen, zusammen trinken, Geschichten erzählen. Das ist genau, was wir machen – das ist für mich Schabbat."
Sveta Kundish studiert seit einem Jahr Kantorin am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam. Nebenbei singt sie in Konzerten traditionelle jüdische Lieder. Wer in Russland geboren, in Israel aufgewachsen und dann nach Deutschland gezogen ist, hat einiges zu erzählen. Deshalb gefällt ihr auch das Motto "Neue jiddische Musik":
"Ich habe immer Lieder gesungen, die von anderen verfasst und geschrieben wurden und das wäre für mich ein wunderbarer Anfang und Impuls für Versuch, neue Lieder zu schreiben, auf einem sehr persönlichen Niveau. Und ich glaube, jiddische Kultur und Klezmer brauchen auch neue Lieder neue Kompositionen, damit die Tradition sich weiter entwickelt und das passiert natürlich."
Und vielleicht gelinge es in Zukunft auch mit dem neuen Lehrstuhl für "Geschichte der jüdischen Musik" an der Musikhochschule Franz Liszt zusammen zu arbeiten, hofft Alan Bern. Das würde den Yiddish Summer bereichern.
"Die Hochschule müsste offen sein für unsere Methoden, die nicht orthodox sind, auch für die ganze Bandbreite dessen, was wir hier machen."
Immerhin werden Alan Bern und andere Dozenten gleich nach Abschluss des Yiddish Summer mit Lehrstuhlinhaber Prof. Jascha Nemzow gemeinsam auf der Bühne stehen – bei den Jüdischen Kulturtagen in Berlin.
Weitere Beiträge zum Yiddish Summer:
"So lange sie singen konnte, war sie am Leben"
Brückenbauer für Kulturen
Jiddische und deutsche Musikkultur